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Freisinger im Krisenmodus:Freisinger Lungenfacharzt: "Die Krankheit zieht sich oft lange hin"

Lesezeit: 3 min

Der Lungenfacharzt Markus Herden weiß, welche Folgen das Coronavirus haben kann - er und sein ganzen Team waren erkrankt. In Massenhausen ist die Firma Kahlert auf die Produktion von Schutzscheiben umgestiegen, um einen Teil der Verluste aufzufangen.

Von Laura Dahmer und Birgit Grundner, Neufahrn/Freising

Die harten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona- Pandemie treffen die Menschen im Landkreis auf den unterschiedlichsten Ebenen. Für manche bedeuten sie nur Einschränkungen in ihrem Freizeitverhalten, die meisten haben aber konkrete Sorgen - ob es nun um Gefahren für die eigene Gesundheit, um die schwierige Betreuung der Kinder oder die Rettung des eigenen Geschäfts oder Unternehmens geht. Die Freisinger SZ gibt in einer Serie Einblicke in das Leben der Menschen im Krisenmodus.

Das Werbetechnik-Unternehmen

Der Massenhausener Unternehmersohn Florian Kahlert hat, wie man immer so schön sagt, aus der Not eine Tugend gemacht. Das Geschäft mit Fensterbeschriftungen, Magnetschildern und Leuchtreklame läuft gerade nicht so gut. Aber wenn es in Corona-Zeiten etwas gibt, das mit Sicherheit gebraucht wird, dann sind das Schutzscheiben, wie sie etwa in Geschäften zwischen Mitarbeitern und Kunden aufgestellt werden. Also wird jetzt solcher "Spuck-, Husten- und Niesschutz" von der Kahlert Werbetechnik GmbH in Massenhausen hergestellt.

Das Unternehmen nutzt damit eine echte Nische. "Unser Vorteil war, dass wir kurzfristig reagieren konnten", erzählt Mitarbeiterin Andrea Göppel: Das nötige Werkzeug war schon da. Mit der CNC-Fräse, mit der normalerweise Schilder produziert werden, werden nun eben die durchsichtigen Scheiben aus Polycarbonat und Acrylglas bearbeitet. Verkauft werden bereits vorgefertigte Modelle, aber auch Spezialanfertigungen, die auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten werden. Geliefert werden außerdem Fußbodenaufkleber, wie sie inzwischen zum gewohnten Anblick geworden sind: Sie fordern mit Markierungen dazu auf, ausreichend Abstand zu halten.

Mit den neuen Produkten kann wenigstens ein Teil der Verluste aufgefangen werden, welche die Pandemie auch für die Kahlert Werbetechnik GmbH bedeutet. Fahrzeug-, Fenster- und Textilbeschriftungen, Plakate, Poster, Werbebanner, Schilder und Wegleitsysteme stehen gerade nicht ganz oben auf der Liste potenzieller Kunden. Viele warten erst einmal ab, wie sich die Situation weiter entwickelt. Probleme macht auch ein weiteres großes Geschäftsfeld: Florian Kahlert liefert Sonnenschutzverklebungen für Gebäude - insbesondere für Seniorenheime und Krankenhäuser. "Da geht gerade nix", erzählt Andrea Göppel: "Wir könnten ja auch gar nicht in die Gebäude rein."

Mit "Spuck-, Husten- und Niesschutz" und Fußbodenaufklebern lässt sich freilich nicht alles kompensieren. Deshalb verwendet man derzeit einige Zeit auf die Kundenakquise. Trotzdem kann es noch passieren, dass Raimund Kahlert für seine sieben Mitarbeiter Kurzarbeit anmelden muss. Zumindest die Nachfrage nach den neuesten Produkten des Unternehmens wird aber noch eine ganze Zeitlang anhalten, davon ist Andrea Göppel überzeugt: "Wir werden so etwas noch länger brauchen".

Der Lungenfacharzt

Markus Herden weiß, wie sich das Coronavirus anfühlt und was es für Auswirkungen haben kann. Nicht nur, weil er Facharzt für Pneumologie ist, sondern weil es er selbst schon hatte. "Ich und fast mein ganzes Team", erzählt der Mediziner. Angefangen hatte es mit Rücken- und Kopfschmerzen, "mit denen ich ehrlich gesagt eher zum Orthopäden gegangen wäre", so Herden. Zum gleichen Zeitpunkt hatte er sich und seine Mitarbeiter auf Sars-CoV-2 testen lassen - eine reine Sicherheitsmaßnahme, dachte er. Dann war das Testergebnis einer Praxishelferin positiv. Kurze Zeit später hatten auch Herden und weitere Mitarbeiter das Virus nachweislich.

Nach der Erkrankung des ganzen Teams weiß Herden jetzt aus erster Hand, wie unterschiedlich die Menschen auf das Virus reagieren. "Ich hatte nur milde Symptome, Müdigkeit, Erschlagenheit, leichtes Hüsteln. Einen deutlich jüngeren Arzt aus meinem Team hat es heftiger erwischt, er war zwei Tage lang im Krankenhaus", erzählt er. Auch, was die Ausbreitung angeht, gibt ihm das Coronavirus Rätsel auf: Seine Frau hatte sich bei ihm angesteckt, seine Kinder wurden dagegen mehrmals negativ getestet. Während Herdens Erkrankung war seine Praxis in der Freisinger Innenstadt geschlossen. Mittlerweile ist der Arzt wieder gesund und behandelt seit drei Wochen erneut Patienten, vor allem solche, die Covid-19 haben oder bereits genesen sind.

"Die Krankheit zieht sich oft lange hin, viele, die zu mir kommen, haben relativ schwere Krankheitsverläufe", sagt der Pneumologe. "Die meisten haben auch danach noch Probleme und kommen deshalb weiterhin zu mir." Wen es wie trifft, kann Wolfgang Herden auch mit Blick auf seine Patienten nicht sagen. "Eine Patientin hat eine schwere chronische Lungenerkrankung. Die hatte alle möglichen Symptome des Virus, aber keine Atemwegsbeschwerden. Das hat selbst mich überrascht." Andere dagegen kämpfen nach ihrer Genesung mit asthmatischen Komponenten, obwohl sie vorher eigentlich nie mit Asthma zu tun hatten.

Aktuell sei es relativ ruhig in seiner Praxis. Die normalen Patienten fallen zum Großteil weg, viele von ihnen befinden sich in der Risikogruppe." Dadurch, dass viele der jetzigen Patienten, seine Mitarbeiter und Herden selbst das Coronavirus schon hatten, ist die Behandlung und der Umgang miteinander leichter. Er geht davon aus, dass sie jetzt zumindest vorerst immun und nicht mehr ansteckend sind und arbeitet ohne Maske. Trotzdem werden im Wartebereich die Abstandsregelungen und andere Hygienevorschriften beachtet, in seiner großen Praxis sei das ohnehin kein Problem.

Ob sich die Lage in Freising in Zukunft noch einmal verschärfen oder weiterhin stabil bleiben wird, kann der Lungenfacharzt Wolfgang Herden nicht abschätzen: "Was da noch auf uns zukommt, weiß keiner so genau." Er ist aber recht entspannt, hält die Maskenpflicht für sehr sinnvoll - obwohl er den Mundschutz "leider total unbequem" findet. Tragen wird auch er ihn bald.

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Quelle:
SZ vom 24.04.2020
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