Süddeutsche Zeitung

Reaktionen auf BGH-Urteil:Mehr Sonntagssemmeln

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Bäcker im Landkreis Freising begrüßen das Urteil des Bundesgerichtshofes, das einen längeren Verkauf an Sonntagen erlaubt. Manchen ist der freie Tag wichtiger, für andere rechnet es sich wegen der Lohnzuschläge nicht.

Von Thilo Schröder, Freising

Seit Mitte Oktober dürfen Bäckereien in Bayern offiziell sonntags länger als drei Stunden Semmeln, Brezen und Kuchen verkaufen, wenn sie zugleich ein Café betreiben. Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) hervor. Geklagt hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, weil eine Münchner Bäckerei ihr zufolge mit längeren Öffnungszeiten gegen das Ladenschlussgesetz verstoße. Im Landkreis Freising begrüßen Bäckereien das Urteil einerseits, andererseits möchten manche aber an bisherigen Geschäftsmodellen festhalten, der freie Sonntag wird als hohes Gut geschätzt.

"Ich finde das auf alle Fälle gut für's Handwerk", sagt Thomas Grundner. "Wenn man sieht, dass Tankstellen 24 Stunden am Tag Backwaren anbieten dürfen, dann war das bisher eine Schlechterstellung", so der Obermeister der Bäcker-innung im Landkreis Freising. "Ich begrüße das Urteil, weil jetzt endlich eine klare Rechtslage herrscht", bestätigt Karl Wiesender. Seine Pfaffenhofener Naturbackstube betreibt drei Filialen im Landkreis. Das Sonntagsgeschäft sei für Bäckereien wichtig, "ein starker Umsatzträger", sagt Grundner, dessen Betrieb zehn Filialen und zwei Bäckermobile zählt. Die Entscheidung sei daher überfällig gewesen.

Das Sonntagsgeschäft ist für viele Bäckereien wichtig. Deshalb ist die jetzt klare Rechtslage positiv

Dem gegenüber steht das bayerische Ladenschlussgesetz, bundesweit das restriktivste. Es erlaubt sonntags nur einen dreistündigen Bäckereiverkauf. Zum Vergleich: In Berlin sind es neun Stunden. Das BGH-Urteil ändert daran nichts, denn Ladenschließzeiten zu regeln, ist Ländersache. Es stellt aber klar: Bäckereien sind nicht zwangsweise daran gebunden. Denn Backwaren seien als zubereitete Speisen zu werten, ähnlich dem Angebot in Cafés. Wer zudem Sitzgelegenheiten bereitstelle und Kaffeegetränke verkaufe, dessen Bäckerei sei stattdessen nach dem Gaststättengesetz zu behandeln. Und das erlaubt längere Öffnungszeiten.

Es sei "müßig, darüber zu streiten, ob eine Semmel eine zubereitete Speise ist oder nicht", sagt Grundner. Den Gastronomiestatus an vorhandenen Sitzmöglichkeiten festzumachen, sei aber sinnvoll.

17 Bäckereien, sechs Konditoreien und 83 Bäckereifilialen gibt es im Landkreis Freising, wie das Landratsamt mitteilt. Doch nicht alle sehen sich von dem BGH-Urteil betroffen. "Das ändert nichts", sagt Elisabeth Schweller, Chefin der gleichnamigen Familienbäckerei mit Sitz in Lerchenfeld und vier weiteren Filialen. "Wir haben schon seit über zehn Jahren sonntags von 7.30 Uhr bis 11 Uhr geöffnet, das wollen wir beibehalten. Wir werden jetzt nicht länger aufhaben."

Argument gegen den Sonntagsverkauf: "Mehr Zeit für die Familie"

Andere Bäckereien haben sonntags grundsätzlich geschlossen, wollen das auch nicht ändern, etwa die Bäckerei Geisenhofer mit ihren fünf Filialen in Freising, Marzling und Dachau. "Der Sonntag ist der einzige freie Tag in der Woche, den würden wir uns gern bewahren", sagt Chefin Stephanie Geisenhofer. "Wir wollen den freien Tag auch für unsere Mitarbeiter und ihre Familien. Unsere Kunden sind das auch so gewohnt, die kaufen dann samstags für's Wochenende ein, da gab's nie Diskussionen oder Nachfragen."

Finanzielle Gründe können außerdem gegen den Sonntagsverkauf sprechen. "Natürlich muss es sich rechnen", sagt Innungsmeister Thomas Grundner. Er verweist auf den Sonntagszuschlag für Mitarbeiter. "Da wird's sicher Kollegen geben, die das nicht machen, wenn das personaltechnisch nicht geht. Das ist ja eine Kann-Regelung, niemand muss jetzt den ganzen Sonntag über offen haben."

Elisabeth Schweller erinnert diesbezüglich an den Ursprung der Sonntagsöffnung: Der Gedanke dahinter sei ja, Frühstückssemmeln holen zu können, das wolle man vormittags ermöglichen. Nicht mehr und nicht weniger. Dass Bäckereien künftig länger geöffnet sein dürfen, finde sie - auch unabhängig vom eigenen Betrieb - "nicht so gut". Wie Geisenhofer sagt sie: "Man wünscht sich ja auch, Zeit für die Familie zu haben."

Öffnungszeiten sind immer im Wandel

Heutzutage sei es schwierig, einheitliche Verkaufszeiten zu schaffen, sagt sie. Ihre Filialen seien zum Beispiel auch samstags nur wenige Stunden geöffnet, andere hingegen ganztags. Der Trend, Öffnungszeiten auszuweiten, habe auch mit der Anspruchshaltung der Kunden zu tun: "Jeder will halt gern zu jeder Zeit einkaufen."

Klar ist: Öffnungszeiten waren noch nie in Stein gemeißelt. "Vor zehn Jahren haben wir noch nicht daran gedacht, dass wir sonntags auf haben", sagt Schweller. Ob sich die Konkurrenzsituation nun künftig verschärfe, weil manche Bäckereien sonntags länger geöffnet haben, andere dagegen nicht? Schweller sieht das gelassen: "Da wird's sicher den ein oder anderen geben, der sagt: Dann kauf ich halt jetzt bei dem anderen, der um 16 Uhr noch offen hat. Aber das muss man dann hinnehmen."

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SZ vom 05.11.2019
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