Süddeutsche Zeitung

Prozess am Landgericht:Schleuser wirbt im Internet für seine Dienste

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Ein 43-Jähriger verhilft Menschen aus dem Iran zur illegalen Einreise in Deutschland - unter anderem über den Flughafen München. Dafür muss er nun zwei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis. Auch er selbst war einst vor dem Regime geflüchtet.

Von Alexander Kappen, Flughafen

Viel Mühe gegeben, die Sache möglichst geheim zu halten, hat er sich offensichtlich nicht. Laut Anklage vermarktete der 43-jährige Beschuldigte, der sich jetzt am Landshuter Landgericht wegen banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern verantworten musste, seine "Dienste" nicht nur in sozialen Medien wie Facebook und Telegram. Er betrieb sogar eine eigene Website, auf der er ebenfalls "Schleusungen dokumentierte und durch Erfahrungsvideos weitere Schleusungswillige anwarb".

Der 43-Jährige organisierte Schleusungen von mehrheitlich iranischen Staatsbürgern - unter anderem über den Flughafen München - und verteilte, so die Anschuldigung, die jeweiligen Aufgaben auf weitere Mitglieder der Gruppierung. Angeklagt waren 14 Fälle zwischen Oktober 2017 und Februar 2021. Am Mittwoch wurde der geständige Beschuldigte letztlich wegen zwölf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Das Urteil basierte auf einer Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Zum Prozessauftakt am vergangenen Freitag hatte der Angeklagte noch geschwiegen. Im Laufe des ersten Verhandlungstages fand dann aber auf Anregung des Verteidigers ein Rechtsgespräch statt - mit dem Ziel einer Verständigung, die letztlich auch zustande kam. Der Angeklagte legte ein voll umfängliches Geständnis ab und bekam dafür eine Strafe von mindestens zweieinhalb Jahren, aber auch nicht mehr als zwei Jahren und elf Monaten zugesichert.

Der Angeklagte ersparte dem Gericht eine langwierige Beweisaufnahme

Mit seinem Geständnis ersparte der Angeklagte dem Gericht eine langwierige Beweisaufnahme mit Vernehmung zahlreicher Zeugen - wobei laut Gericht etliche davon gar nicht greifbar gewesen wären. Angesetzt waren am Landshuter Landgericht ursprünglich noch vier weitere Verhandlungstage, die durch das umfängliche Geständnis des Beschuldigten, der bei den Schleusungen laut Anklage der erste Ansprechpartner gewesen sein soll, nun entfallen.

Die Schleusungen bestanden darin, dass neben der Planung von Reiserouten - insbesondere durch Flugbuchungen von Istanbul nach München, Berlin oder Düsseldorf - auch verfälschte Ausweisdokumente oder Totalfälschungen von der Bande übergeben wurden. Dafür verlangte die Gruppierung ein Entgelt zwischen 6000 und 16 000 Euro. In den zwölf Fällen, wegen denen der Angeklagte letztlich verurteilt wurde, soll sie mit den Schleusungen insgesamt 91 000 Euro verdient haben. Deshalb wurde im Urteil bei dem Angeklagten auch die Einziehung eines Wertersatzes in eben dieser Höhe festgelegt.

Der Mann erhielt offenbar freie Kost und Logis in Istanbul, von wo aus er agierte. Das kann juristisch schon reichen, um dem Handeln eine Gewerbsmäßigkeit zu Grunde zu legen. Der Angeklagte dagegen sah sich selbst nicht als Mitglied einer gewerbsmäßig agierenden Bande. Er stammt selbst aus dem Iran, wo er einst offenbar gefoltert wurde. Er verließ das Land, wo seine Familie noch lebt, und wollte, so wurde es von Seiten der Verteidigung dargestellt, aus politischen Gründen anderen Leuten in einer ähnlichen Situation helfen. "Ziel der Gruppierung war es, durch wiederholte Personenschleusungen auf das Gebiet der BRD eine Einnahmequelle von gewisser Dauer und Erheblichkeit zu erschließen", hieß es dagegen in der Anklageschrift. Strafbar, da war man sich einig, waren die Schleusungen so oder so.

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