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Kommunalwahl in Eching:Das Kuriosum Eching verständlich erklärt

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Fünf Parteien und Gruppen unterstützen den amtierenden parteilosen Bürgermeister Thaler, CSU und Freie Wähler stimmen meist gegen ihn. Deshalb hat er die große Richtungswahl ausgerufen.

Von Klaus Bachhuber, Eching

Zum ersten Mal seit fast 30 Jahren werden in Eching am 15. März Bürgermeister und Gemeinderat wieder an einem Termin bestimmt. Doch trotz dieser Rückkehr zur kalendarischen Normalität ist die Kommunalwahl von Besonderheiten gezeichnet. So wurde der Bürgermeisterkandidat Sebastian Thaler gleich von fünf Gruppierungen gemeinsam nominiert und bei der Gemeinderatswahl haben sich drei Parteiungen zu einer gemeinsamen Liste zusammengetan. Auch kurios: Keiner der drei Bürgermeisterkandidaten kommt aus dem Gemeinderat.

Das ist der bemerkenswerte Hintergrund der Wahl: Zum einen ist es dem seit 2016 als Ortsfremdem und Politneuling amtierenden Thaler gelungen, die zersplitterte Parteienszenerie hinter seiner Person weitgehend zu einen; einhergehend damit ist andererseits der Gemeinderat so tief zerklüftet wie noch nie. Hier die "Friends of Thaler", SPD, Grüne, "Bürger für Eching" (BfE), "Echinger Mitte" und als neuer Bewerber auch noch die ÖDP; und diametral entfernt die CSU, die sich zuletzt als Fundamentalopposition betätigte, und die Freien Wähler, nicht ganz so fundamental, aber meist Opposition.

BfE und "Echinger Mitte", die zwei Gruppen, die sich zum Ausklang der Ära Riemensberger aus Überdruss an der Rathauspolitik und persönlichen Animositäten formiert hatten, sind über die Unterstützung Thalers - und nach internen personellen Veränderungen - mit SPD und Grünen näher zusammengerückt. So nah, dass sie noch im Kontext mit der neu formierten ÖDP eine gemeinsame Kandidatenliste nominiert haben. So gibt es mittlerweile zwar acht Gruppierungen in der Ortspolitik, aber durch die Kooperation BfE/Mitte/ÖDP nur sechs Listen. Sechstes Rad am Wagen ist die FDP, die auch eine besondere Integrationsleistung vollbracht hat, indem die zuletzt parteilose Einzelkämpferin Irena Hirschmann beitrat. Hirschmann, einst Gemeinderätin für die SPD, dann für die BfE und zuletzt fraktionslos, wäre zuvor eher nicht einer Nähe zu FDP-Positionen verdächtig gewesen, aber der nahe Wahltag ändert manches.

Thomas Stüwe (Freie Wähler)

Der Ideengeber

Der gebürtige Berliner Thomas Stüwe lebt seit elf Jahren mit Ehefrau und zwei Kindern in Eching. Der Nachrichtengerätemechaniker und staatlich geprüfte Datenverarbeitungstechniker arbeitet seit Jahren als externer IT-Dienstleister im Bereich SAP-Entwicklung und -Beratung. Sieben Jahre war er Mitgesellschafter und Prokurist eines IT-Unternehmens, seit 2010 ist er selbständig. Mit Zertifizierung zum Business Coach fungiert er auch als Teamcoach. Dem Elternbeirat der Grund -und Mittelschule gehörte der 54-Jährige sieben Jahre an, zwei davon als Vorsitzender. Den Freien Wählern trat Stüwe Anfang 2017 bei, Ende 2018 wurde er Vorsitzender. "Ich brenne darauf, die Verantwortung für Eching ohne Vorbehalte zu übernehmen, um unsere Zukunft mit Mut und Erfahrung zusammen mit Ihnen zu gestalten", sagte er bei seiner Nominierung. Als Bürgermeister sähe er sich "als Ideengeber und Bindeglied zwischen der Gemeindeverwaltung, dem Gemeinderat, den Vereinen, den Gewerbetreibenden und den in Eching lebenden Menschen".

Nora Kusch (CSU)

Die Partnerin

Seit 2007 lebt die 45-jährige Nora Kusch mit ihrem Ehemann und ihrer 15-jährigen Tochter in Eching. Nora Kusch ist in einer Rechtsanwaltskanzlei in München beschäftigt. Dazu engagiert sie sich im Vorstand des Landesverbands der Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten. Ihr großes Hobby ist Tischtennis, das sie seit Jahrzehnten spielt. In ihrem Münchner Tischtennisverein hat sie ebenfalls ein Vorstandsamt. Seit 2017 ist sie Schriftführerin im Ortsverband der CSU. Ihr Slogan für die Kommunalwahl ist, eine "Bürgermeisterin für alle" sein zu wollen. Dazu gehöre, "über alle Parteigrenzen hinweg mit allen Kollegen im Gemeinderat zusammenzuarbeiten, ebenso, dass eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung, dem Bauhof, den Handwerks- und Gewerbebetrieben und den Bürgern selbstverständlich ist". Ihre Ziele definiert sie als "Sicherstellung guter Rahmenbedingungen für alle Einwohner und Familien sowie der Wirtschaft und dem Gewerbe". Probleme gehe sie "mit Offen- und Klarheit" an.

Bürgermeister Sebastian Thaler (SPD)

Der Amtsinhaber

Ende 2015 wurde der gebürtige Oberpfälzer, der damals in Schwabing lebte, völlig überraschend als Bürgermeisterkandidat der SPD präsentiert. 2016 gewann er die Wahl mit 62 Prozent Zustimmung. Der heute 33-Jährige lebt seit dem Amtsantritt zusammen mit seiner Ehefrau in Dietersheim. Bei der kommenden Wahl wird er von SPD, Grünen, Bürgern für Eching, Echinger Mitte und ÖDP unterstützt. Thaler ist Diplom-Kaufmann in Technologie- und Managementorientierter Betriebswirtschaftslehre. Vor seiner Wahl arbeitete er fünf Jahre bei Siemens, zuletzt als Projektleiter in der Mobilitätsentwicklung. Sein Kontakt nach Eching entstand über sein Hobby Tennis, das er in Eching spielte, wo er Mannschaftsführer und Turnierorganisator war. Er verspricht, "das verantwortungsvolle Amt des Bürgermeisters weiterhin mit frischen Ideen und viel Tatendrang auszufüllen". Schwerpunkte für die zweite Amtszeit sind Klimaschutz, Kinderbetreuung, Mobilität, Wohnungsbau und Unterstützung sozialer und kultureller Einrichtungen und Vereine.

Die Wiederwahl würde Thaler nur annehmen, wenn ihn CSU und Freie Wähler nicht mehr blockieren

In eine groteske Zuspitzung mündete die Frontstellung im Gemeinderat durch Thalers offenherzige Ansage, eine eventuelle Wiederwahl nur anzunehmen, wenn ihm das Wahlergebnis für den Gemeinderat auch Handlungsfreiheit ermögliche; sprich wenn eine Blockade durch den Block aus CSU/FW, wie in seiner bisherigen Amtszeit häufig, unmöglich würde. Thaler war 2016 mit 62 Prozent der Stimmen gegen CSU-Kandidat Thomas Kellerbauer gewählt worden, woraus er auch eine Zustimmung der Echinger zu seiner Politik ableiten wollte. Die CSU wiederum sah den Wählerwillen immer noch im Gemeinderatsergebnis von 2014 manifestiert, das sie mit acht Sitzen zur stärksten Kraft machte. In häufigem Schulterschluss mit der FW gelang es der CSU dann auch, die Machtverhältnisse in Abstimmungsergebnisse zu übersetzen, von denen wiederum sich Thaler unzulässig ausgebremst sah.

Völlig ungewöhnlich ist schließlich, dass am 15. März keiner der drei Bewerber um das Bürgermeisteramt jemals dem Gemeinderat angehört hat, was auf kommunaler Ebene immer noch der klassische Weg ist. Thaler, ortsfremd, parteilos und ohne kommunalpolitischen Hintergrund, war 2016 gleich als Bürgermeister eingestiegen. Thomas Stüwe, der für die FW antritt, hat als Elternbeiratsvorsitzender den so wichtigen vor-politischen Raum bearbeitet. Seit 2018 amtiert er als Ortsvorsitzender der FW, was, wie er jetzt erzählte, schon damals dem Masterplan folgte, Bürgermeister werden zu wollen. Nora Kusch schließlich, die etwas überraschende Bewerberin der CSU, war außer als Schriftführerin des Ortsverbandes noch nicht wahrnehmbar gewesen.

Die Zusammenlegung der Wahltermine wurde durch Thalers freiwilligen Entschluss möglich, seine eigentlich bis August 2022 währende Amtszeit zu verkürzen. Er ging damit das Risiko ein, in dreieinhalb Jahren im Amt am Wahltag weniger vorweisen zu können als es in sechs Jahren möglich gewesen wäre. Seine potenziellen Konkurrenten CSU und FW hatten ihn scharf gescholten, weil er sich mit der Entscheidung so lange Zeit ließ und damit für die Konkurrenz erst spät erkennbar war, ob im März nun ein Bürgermeister zu wählen sei oder nicht. Seit der definitiven Festlegung aber lassen sich nun Kusch und Stüwe erstaunlich Zeit, um für die Wahlentscheidung Profil zu gewinnen. Bis vier Wochen vor der Wahl ist von beiden noch kein zentraler öffentlicher Auftritt zur Vorstellung von Person und Zielen erinnerlich.

Die letzte Kommunalwahl war ein Desaster für CSU, SPD und FDP

Bei der Gemeinderatswahl ist ein Rückblick auf 2014 lohnend. Damals hatte der Einzug der drei neuen Gruppierungen BfE mit aus dem Stand drei Sitzen, der Grünen mit zwei und der "Mitte" mit einem die drögen Verhältnisse radikal aufgemischt. Die CSU, auch wenn sie sich heute als legitime Wahrerin eines Mehrheitswillens inszeniert, hatte 2014 ihr schlechtestes Ergebnis seit 30 Jahren eingefahren, die SPD ihr schlechtestes, seit der Ortsverband in Eching antritt, die FDP war aus dem Gemeinderat geflogen und auch die FW hatte einen Sitz verloren. Aktuell hat die CSU acht Mandate, SPD und FW je fünf, BfE und Grüne je zwei, "Mitte" und FDP je eines. Bei sechs Listen und acht Gruppierungen wird die Sitzverteilung bunt bleiben. 114 Bewerber stellen sich auf den sechs Listen zur Wahl, der Wahlausschuss der Gemeinde hat bereits alle als zulässig durchgewunken.

Von den 24 amtierenden Räten treten mit Hans Grassl (FW), Sylvia Jung (BfE), Anette Martin (SPD), Gottfried Riedmaier (CSU), Sybille Schmidtchen und Gertrud Wucherpfennig (beide SPD) sechs nicht mehr zur Wiederwahl an. Drei gehören der SPD an, die damit einen radikalen Aderlass zu verkraften hat. Mit Grassl scheidet nach 30 Jahren im Rathaus der dienstälteste Gemeinderat aus. Auf den Kandidatenlisten stehen andererseits mit Heinz Müller-Saala (FDP), Kerstin Rehm (CSU) und Carsten Seiffert (SPD) drei Ex-Gemeinderäte, die schon vor 2014 ihren Abschied genommen hatten und nun auf aussichtsreichen Plätzen ein Comeback anstreben.

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Quelle:
SZ vom 18.02.2020
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