Süddeutsche Zeitung

Der Etat der Stadt für 2019:Kaum zu glauben

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Nach vielen Jahren verabschieden die Freisinger Stadträte mal wieder einstimmig einen Haushalt. Dank der unvermindert fließenden Einnahmen kann sich die Stadt derzeit alle Wünsche erfüllen.

Von Kerstin Vogel, Freising

Die Stadträte konnten selber fast nicht glauben, was sie da getan hatten: den Haushalt der Stadt für das kommende Jahr einstimmig angenommen? Wann hatte es das zuletzt gegeben? Grünen-Stadträtin Waltraud Heinlein-Zischgl hob kurz noch scherzhaft die Hand zur vermeintlichen Gegenstimme und sorgte damit ebenso für einen Lacher wie Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher, der sich ausdrücklich bei Grünen-Stadtrat Manfred Drobny bedankte: Anders als in den vergangenen Jahren hatte am Mittwochabend selbst der oft sehr kritische Umweltreferent des Stadtrats dem Etat zugestimmt, obwohl die von ihm abgelehnte Westtangente natürlich noch immer Millionen im Freisinger Haushalt bindet.

Anhaltender Geldsegen ermöglicht in Freising die Umsetzung vieler Projekte. Allein an Gewerbesteuern sollen 2o19 stolze 46 Millionen Euro fließen.

Die Klettersteine am Karwendelring sollen schon seit Jahren um einen großen Spiel- und Bolzplatz für die umliegenden Wohngebiete ergänzt werden. 2019 und 2020 will man die Pläne für gut 440 000 Euro endlich umsetzen.

Für Radler gefährlich: Die Korbinianskreuzung am Rande der künftig verkehrsberuhigten Innenstadt. Sie soll bis 2022 entschärft werden.

Die notwendige Sanierung und Erweiterung der Grundschule in Vötting wird bis zum Jahr 2022 stolze 22,99 Millionen Euro verschlingen.

Zum Schutz vor Flutkatastrophen wie 2013 investiert die Stadt in den kommenden Jahren 5,1 Millionen Euro.

Ein schwieriges Projekt ist die Erneuerung der Unterführung am "Bahnposten 15". Die Finanzplanung reserviert sechs Millionen Euro dafür.

Dass sich am Asamgebäude Großes tut, ist beim besten Willen nicht zu übersehen. Bis Ende 2022 werden hier 32,91 Millionen Euro investiert.

32,35 Millionen sind es, um konkret zu werden, in den Jahren 2019 bis 2022. So weit reicht die aktuelle Finanzplanung der Stadt Freising. Darin enthalten sind natürlich auch die anderen seit Jahren bekannten Großprojekte, deren Umsetzung bereits läuft. Allein 24,3 Millionen Euro investiert die Stadt Freising in den kommunalen Wohnbau, indem sie an der Katharina-Mair-Straße in Lerchenfeld eine Wohnanlage mit 115 Wohnungen errichtet, die für einen Quadratmeterpreis von 8,50 Euro vermietet werden sollen. Die Sanierung des Asamgebäudes und sein Umbau in ein Bürger- und Kulturzentrum etwa werden bis 2022 insgesamt noch 32,91 Millionen kosten, die ebenfalls laufende Modernisierung der Innenstadt summiert sich in den kommenden vier Jahren auf 23 Millionen Euro - inklusive der nach wie vor angestrebten Öffnung der Stadtmoosach entlang der Oberen Hauptstraße.

All diese Projekte - und viele mehr - finden sich im Vermögenshaushalt der Stadt, der sich für 2019 auf knapp 71,5 Millionen Euro beläuft. Das ist deutlich weniger als 2018: Da standen hier stolze 103, 2 Millionen Euro zu Buche.

Der Personalbedarf steigt

Der Verwaltungshaushalt der Stadt Freising notiert für 2019 insgesamt 133,43 Millionen Euro. 2018 waren es noch 121,42, ein Anstieg also um etwa zwölf Millionen, der unter anderem den steigenden Personalkosten geschuldet ist. Mit der Größe der Stadt wachsen naturgemäß die Aufgaben ihrer Verwaltung. Der Stadtrat hat dem für 2019 mit einem aufgestockten Stellenplan Rechnung getragen - vor allem für die überlastete Kämmerei wird dringend Personal gesucht. Die Personalausgaben werden im Verwaltungshaushalt mit 34,4 Millionen Euro als zweitgrößter Posten gleich hinter der Kreisumlage geführt (35,5 Millionen). Der leer gefegte Arbeitsmarkt in der Region macht sich jedoch auch bei der Stadt bemerkbar. FW-Sprecher Richard Grimm wünschte in seiner Haushaltsrede deshalb auch der Verwaltung, dass die bewilligten Stellen bald mit den richtigen Menschen besetzt werden können.

Die Steuern sprudeln

Bei den Einnahmen im Verwaltungshaushalt rechnet die Stadt für das kommende Jahr mit 46 Millionen Euro an Gewerbesteuern. Das sei ein vorsichtiger und auf jeden Fall realistischer Ansatz, sagte Oberbürgermeister Eschenbacher. Natürlich hoffe man, dass auch diese Schätzung wieder so weit übertroffen werde wie die der vergangenen Jahre, räumte er augenzwinkernd ein: "Wie oft hintereinander man sich das wünschen darf, weiß ich allerdings nicht." Beim Einkommenssteueranteil sei man sich dagegen mit der zu erwartenden Summe relativ sicher. Sie soll noch einmal 36,7 Millionen Euro in das Stadtsäckel spülen, weshalb sich die Fraktionssprecher in ihren Haushaltsreden reihum nicht nur bei den Gewerbesteuer zahlenden Firmen, sondern auch bei den Bürgern bedankten, die über die Einkommenssteuer ihren Teil zum Geldsegen beitragen.

Der Staat spendiert Zuschüsse

Auch der Vermögenshaushalt der Stadt Freising generiert Einnahmen. 28,9 Millionen Euro finden sich hier etwa unter dem Stichwort "Zuweisungen von Investitionen". Enthalten sind hier beispielsweise die Zuschüsse, welche die Stadt vom Freistaat für den Bau der Westtangente erhält. Bekanntlich müssen die Freisinger von den aktuell 108,2 Millionen, welche die Umgehungsstraße nach aktuellem Stand kosten wird, "nur" 22,5 Millionen zahlen. Weitere 18,8 Millionen Euro werden im Vermögenshaushalt etwa aus dem Verkauf von Anlagevermögen eingenommen und auch die für 2019 geplante Entnahme aus der Rücklage in Höhe von 12,4 Millionen Euro wird hier verbucht. Im Verwaltungshaushalt werden 2019 mehr als 6,9 Millionen Euro für den Vermögenshaushalt erwirtschaftet, die ausgegeben werden können.

Schulen verschlingen viel Geld

Richtig viel Geld investiert die Stadt Freising in den kommenden vier Jahren beispielsweise in ihre Schulen. 6,8 Millionen sollen aufgewendet werden, um die Pavillons der Schule St.Lantpert in Lerchenfeld zu ersetzen. 2,64 Millionen werden in die Grundschule St. Korbinian investiert. Sanierung und Erweiterung der Grundschule in Vötting werden bis zum Jahr 2022 stolze 22,99 Millionen Euro verschlingen. Teuerstes Schulprojekt aber ist und bleibt der Neubau der beiden Schulen im neuen Wohngebiet Steinpark im Norden der Stadt. Hier sollen in den Jahren 2019 bis 2022 insgesamt 65,9 Millionen Euro fließen. Verschiedene Erschließungsmaßnahmen in dem neuen Stadtquartier verschlingen weitere 3,42 Millionen Euro.

Für die kleinsten Freisinger

Ebenfalls dem rasanten Wachstum der Stadt geschuldet, sind die Investitionen in die Einrichtungen zur Kinderbetreuung, die sich mit kleineren Summen im Etat für 2019 finden und in der Finanzplanung bis 2022 dann sehr deutlich zu Buche schlagen. In Lerchenfeld, an der Sonnenstraße, im Baugebiet Angerstraße-West und auf der Seilerbrücklwiese stehen Neubauten von Kindertagesstätten auf der To-Do-Liste der Stadt, die Kindertagesstätte Sonnenschein soll außerdem erweitert werden. Die Ausgaben hierfür summieren sich bis 2022 auf mehr als 15 Millionen Euro. Auch eine Investition für die kleinsten Bürger der Stadt: Für fast eine halbe Million Euro soll bis 2020 endlich der Spiel- und Bolzplatz am Karwendelring fertig werden.

Schutz vor Hochwasser

Auf mehr als 5,1 Millionen Euro belaufen sich in den kommenden vier Jahren die Ausgaben für den Hochwasserschutz der Stadt Freising, etwa für den Bau von Retensionsbecken. Die einzelnen Summen, die man hier investiere, seien meistens gar nicht so hoch, sagte Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher. Viel laufe hier in interkommunaler Zusammenarbeit.

Korbinianskreuzung entschärfen

3,34 Millionen Euro sollen in den kommenden vier Jahren in den Umbau der Korbinianskreuzung fließen. Voraussetzung ist allerdings noch die geplante Abstufung der B 301 zur Ortsstraße, wie es hieß. Finanzreferent Ulrich Vogl (ÖDP) hob die Maßnahme in seiner Haushaltsrede als sehr wichtig hervor. An diesem gefährlichen Knotenpunkt seien schon sehr viele Radfahrer und Radfahrerinnen verunglückt, sagte er.

Als ein weiteres Projekt, auf das "beide Seiten der Stadt sehnlich warten würden", nannte er den Ausbau der Unterführung am ehemaligen Bahnposten 15, die derzeit den Stadtteil Lerchenfeld mit der Innenstadt verbindet. Hierfür erwartet die Finanzplanung der Stadt Freising bis zum Jahre 2022 Kosten von insgesamt sechs Millionen Euro. Ebenfalls eine Verbindung über die Isar schaffen soll nach dem Wunsch der Stadträte der sogenannte "Isarsteg-Süd" für den in den kommenden vier Jahren alles in allem 3,51 Millionen Euro bereit gehalten werden sollen.

Der Schuldenberg schrumpft

Kaum zu glauben erscheint angesichts dieser Pläne, dass die unaufhörlich sprudelnden Gewerbesteuern nicht nur all diese Projekte teilweise schon ermöglicht haben, zumindest aber ihre Umsetzung in absehbarer Zeit realistisch erscheinen lassen. Gleichzeitig konnte der Schuldenberg der Stadt drastisch reduziert werden: von fast 55 Millionen Euro Ende 2017, über 33,7 Millionen ein Jahr später bis hin zu prognostizierten 30,8 Millionen Euro am Ende 2019. Dem gegenüber stehen allerdings Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von mehr als 114,3 Millionen Euro - diese Summe ist also in der Finanzplanung der kommenden Jahre bereits fest gebunden.

Trübe Aussichten

Die enormen Verpflichtungsermächtigungen und die schlechten Prognosen der Wirtschaftsanalysten ließen manchen Stadtrat in all der Euphorie über die rosige Lage doch ein paar mahnende Worte sprechen: Die Auswirkungen einer einbrechenden Weltwirtschaft bekomme man in Freising vielleicht in zwei Jahren zu spüren, sagte ÖDP-Stadtrat Vogl: "Das ist das Ende der finanziellen Party." Tatsächlich erwartet man in der Finanzplanung der Stadt schon 2021 und 2022 wieder wachsende Schulden, die bis Ende 2022 auf mehr als 100 Millionen ansteigen könnten. Grünen-Stadtrat Sebastian Habermeyer mochte sich die Laune dennoch nicht verderben lassen: Klar könne es sein, dass in ein paar Jahren die Weltwirtschaft zusammenbreche, räumte er ein, "aber dann haben wir ganz andere Probleme". Bis dahin heiße es für ihn einfach nur: "Danke, danke, danke."

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Quelle:
SZ vom 08.12.2018
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