Süddeutsche Zeitung

Corona im Landkreis Freising:Pöbeleien gegen impfende Hausärzte

Lesezeit: 3 min

Beschimpfungen, Drohbriefe oder Schmierereien an Hauswänden durch Impfgegner gibt es auch im Landkreis Freising. Manche Patienten sind ungehalten, bei vielen Menschen liegen die Nerven blank.

Von Gudrun Regelein, Freising

Verbale Attacken, Drohbriefe, Gewaltandrohungen oder zerstörte Praxisschilder: Pöbeleien von Impfgegnern gegen Hausärzte gehören inzwischen zur Tagesordnung. Laut einer aktuellen Umfrage der Ärztenachrichtendienst Verlags-AG ist jeder vierte Arzt betroffen. Befragt wurden im Dezember 2021 über 1200 niedergelassene Haus- und Fachärzte, die gegen Corona impfen. Auch im Landkreis gibt es solche Vorfälle - bislang allerdings nur vereinzelt, berichtet Freisings Ärztesprecher Georg Miedl.

Er selber sei nicht betroffen, sagt Miedl. "Aber Kollegen erzählen von Beschimpfungen, teilweise auch massiven." Zumeist handele es sich um Schmierereien an der Hauswand oder anonyme Mails. Verantwortlich dafür seien vermutlich Impfgegner, die grundsätzlich alles ablehnten und sich als Richter aufspielten, sagt der Ärztesprecher. Er selber dagegen habe in seiner Praxis schon ungehaltene Patienten erlebt. Aber zumeist ging es dabei um einen Impftermin, der ausfallen musste - weil das Vakzin nicht geliefert wurde.

Ende 2021 kam das öfters vor. Er verstehe den Unmut der Menschen, sagt Miedl. "Nach fast zwei Jahren Corona war das ein absolutes Unding." Vor allem die Helferinnen in den Praxen bekämen viel ab, "die stehen an vorderster Front". Bei vielen Menschen lägen inzwischen die Nerven blank, es komme häufig zu Überreaktionen. "Wenn jemand nicht wie gewünscht sofort einen Impftermin bekommt, sondern erst im Februar, kommt oft eine sehr erboste Reaktion", berichtet Miedl.

Das Engagement in den Praxen aber sei nach wie vor enorm, fast alle niedergelassene Ärzte im Landkreis würden sich an den Impfungen beteiligen. Insgesamt wurden bislang im Landkreis von Haus- und Fachärzten bereits gut 133 5oo Menschen geimpft, heißt es aus dem Landratsamt. Die meisten Ärzte stünden auf der wissenschaftlichen Seite, betont Miedl. Impfgegner unter ihnen kenne er keine, sondern nur wenige Impfskeptiker.

Die Zusatzbelastung durch das Impfen aber sei für die Ärzte immens: "Der Patientendruck ist eh hoch, dazu kommen die nur schwer planbaren Impfungen on top." Und diese seien wegen der Vor- und Nachbereitung ein "großer Zeitfresser". In seiner Gemeinschaftspraxis gebe es deshalb Impfnachmittage: An denen impfe ein Arzt ausschließlich in geringem Minutentakt, der andere Arzt dagegen behandele die anderen Patienten.

Das Impfen gegen Corona aber sei nach wie vor wichtig. Die Omikron-Variante verbreite sich in einer rasanten Geschwindigkeit. "Die Zahl der Infektionen wird nach oben schnellen, die Zahl der schweren Fälle zunehmen. Und wir wissen inzwischen viel zu viel über die Vorteile des Impfens." Die Impfung soll vor schweren Verläufen und Tod schützen. Der Glaube der Ungeimpften, gut durch Corona zu kommen, sei ein Lotteriespiel. "Sich nicht impfen zu lassen, ist retro", sagt Miedl überzeugt.

Das Freisinger Impfzentrum blieb bislang von Pöbeleien durch Impfgegner verschont. An das Callcenter dagegen werden immer wieder Mails mit merkwürdigem Inhalt geschickt, berichtet Hubert Böck, stellvertretender Leiter des Impfzentrums. "Die kommen im üblichen Jargon von Impfgegnern. Die beschweren sich beispielsweise, dass jetzt Kinder geimpft werden", sagt Böck. Die Mails würden nicht beantwortet - sondern einfach gelöscht.

Im Impfzentrum dagegen gebe es nur selten Beschwerden oder größere Diskussionen. Die Security zumindest musste bislang noch nicht eingreifen. "Die Leute, die kommen, haben ja alle einen Termin", sagt Böck. Und Impfgegner seien dort wahrscheinlich auch nur vereinzelt zu finden. Manche Impflinge seien zwar irritiert, weil sie nicht den eigentlich erwarteten Impfstoff bekommen - das sei dann aber nicht der Fehler des Impfzentrums.

Bei der Anmeldung über das Impfportal nämlich stehe detailliert, welcher Impfstoff an welchen Tagen verwendet werde, erklärt Böck. "Wenn das jemand nicht liest, können wir auch nicht helfen." Kurzfristig umdisponieren könne man dann aber nicht mehr, das aber führe bei manchem Impfling zu Verärgerung.

Auch zu Beginn der Boosterimpfung kam es zu Irritationen, berichtet Böck. So habe sich ein Mann ziemlich aufgeregt, da er nicht vor Ablauf der sechs Monate nach der Zweitimpfung die Auffrischung bekam. "Wir haben uns aber an die Stiko-Empfehlung gehalten - und die besagte damals noch, man solle erst nach sechs Monaten boostern." Der Mann habe sich dann sogar noch in einem Brief an das Landratsamt beschwert.

Bislang aber konnten alle vergebenen Termine eingehalten werden. "Und es gab immer Impfstoff - und immer den versprochenen, wenn es auch nicht immer einfach war", sagt Böck. In der ersten Januar-Woche sei es bei Biontech ziemlich eng gewesen, die Lieferung sei geringer als erwartet ausgefallen. In der zweiten nun habe man das bestellte Kontingent erhalten. Allerdings, so sagt Böck, werde es im Februar bei Biontech wieder knapper werden, das zumindest habe der Bundesgesundheitsminister so angekündigt. Für die kommende Woche aber gebe es noch einige freie Termine im Impfzentrum, auch für Impfungen mit Biontech.

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SZ vom 13.01.2022
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