Süddeutsche Zeitung

Freisinger Gesundheitsamt:"Mit dem Rücken zur Wand"

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Die Mitarbeiter im Freisinger Gesundheitsamt sind laut Landrat Helmut Petz wegen der Fülle der Aufgaben in der Corona-Krise vollkommen überlastet. Jetzt erhofft man sich dort Hilfe von der Bundeswehr.

Von Nadja Tausche, Freising

"Die Gesundheitsämter in Bayern sind katastrophal überlastet", so sagte es Landrat Helmut Petz bei einer Pressekonferenz am Dienstag - und Freising sei keine Ausnahme. "Die stehen alle mit dem Rücken zur Wand", sagte Petz über die Mitarbeiter des Gesundheitsamts. Wegen der Fülle der Aufgaben, die in der Corona-Krise hinzugekommen seien, müssten viele der eigentlichen Tätigkeiten zurückstehen: Als Beispiel nannte Petz das Ausstellen von Gesundheitszeugnissen, auf die etwa Lehrer und Polizisten nun reihenweise warten müssten. Auch in Bezug auf Corona gestand Petz ein, dass es "teilweise holprige Abläufe" gebe. Zuletzt war Kritik am Gesundheitsamt laut geworden, weil Betroffene an Schulen sowie Reiserückkehrer aus Risikogebieten teilweise lange auf Rückmeldung des Amts warten müssen. Bei den Rückkehrern kann das Amt wegen Personalmangel außerdem die Quarantänepflicht nicht kontrollieren, obwohl das Bundesgesundheitsministerium das vorsieht.

Das Gesundheitsamt ist neben anderen Aufgaben für die Kontaktnachverfolgung von Corona-Infizierten zuständig, wofür sie die Kontaktpersonen darüber informieren, dass sie sich in Quarantäne begeben müssen. Dafür seien Unmengen an Telefonaten nötig, hieß es in der Pressekonferenz: Das dauere, eine Stunde pro Gespräch sei keine Seltenheit. Wie Barbara Engelhardt vom Gesundheitsamt berichtete, haben manche der Mitarbeiter in den vergangenen sieben Monaten mehr als 100 Überstunden angesammelt. Zu Beginn der Krise habe man oft 14 bis 15 Stunden pro Tag gearbeitet, erklärte die Ärztin, "wir haben teilweise auf unseren Urlaub verzichtet." Die Leiterin des Gesundheitsamtes sei seit mehreren Wochen erkrankt, hieß es.

Um die Mitarbeiter zu entlasten, setzt das Freisinger Gesundheitsamt jetzt auf Unterstützung. Die bayerische Staatsregierung biete an, Menschen mit medizinischem Hintergrund als sogenannte Springer zur Verfügung zu stellen, so Petz: Für zwei dieser Posten habe man Bedarf angemeldet. Allerdings ist unklar, wie lange die "Springer" in Freising bleiben können, wenn der Bedarf auch in anderen Gesundheitsämtern hoch ist. Außerdem hat sich das Landratsamt mit der Bundeswehr in Verbindung gesetzt: Man wolle zehn Personen erbitten, die im Gesundheitsamt unterstützen, so Petz. Auch im Gesundheitsamt selbst will man das Personal aufstocken. Zwei Stellen wurden laut Landratsamtssprecher Robert Stangl geschaffen - die sind allerdings noch nicht besetzt. Im technischen Bereich will das Gesundheitsamt auf ein neues EDV-System umsteigen, das auch andere Gesundheitsämter derzeit installierten - bisher wurden die Daten Petz zufolge in Excel-Tabellen eingetragen.

Derweil ist der Betrieb in der neu aufgebauten Teststelle in der Luitpoldanlage in Freising gut angelaufen, wie Landratsamtsmitarbeiter Tobias Diepold berichtete. 126 Tests wurden am Montag durchgeführt, das entspricht Diepold zufolge in etwa dem Durchschnitt des vergangenen Monats, als sich die Teststelle noch in Marzling befand. Testen lassen können sich auch Menschen ohne Symptome und nachweislichen Kontakt zu Risikopersonen, die Tests sind kostenlos und können ohne Kontakt zu Gesundheitsamt und Ärzten selbst vereinbart werden. Wer allerdings Symptome zeigt, muss sich beim Hausarzt melden, wie Diepold betonte: Der entscheide dann, ob der Corona-Test in seiner Praxis oder in der Teststelle durchgeführt werde.

Was die Quarantänevorschriften in Flüchtlingsunterkünften betrifft, verkündete Petz, hier müssten sich nach einem positiven Corona-Fall nicht alle Bewohner in Quarantäne begeben. Stattdessen prüfe man im Landkreis Freising im Einzelfall, wer als enge Kontaktperson zu sehen sei. Man stelle sich mit dieser Entscheidung gegen den Wunsch der bayerischen Staatsregierung, sagte der Landrat - wenn man die gesamte Unterkunft unter Quarantäne stelle, sehe man aber rechtliche Probleme, außerdem sei die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben. Die Entscheidung darüber ist Petz zufolge vor rund drei Wochen gefallen - dass die Unterkunft an der Katharina-Mair-Straße trotzdem komplett unter Quarantäne stand, erklärt Diepold mit den gemeinsam genutzten Bädern und Küchen.

In Bezug auf die Schulen sind im Landkreis Freising bisher insgesamt 14 Klassen in Quarantäne geschickt worden, wie Engelhardt informierte. Acht davon sind mittlerweile an die Schulen zurückgekehrt.

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SZ vom 30.09.2020
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