Süddeutsche Zeitung

Bezirkstagswahl 2018:Zuverlässig und bürgernah

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Von vielen unbemerkt leistet der Bezirk Oberbayern mit seinem Parlament wertvolle Arbeit in den Bereichen Kultur, Bildung und Gesundheit. Auch im Landkreis Freising profitieren davon viele Menschen.

Von Thilo Schröder, Freising

Das Mikrofon quietscht beim Sprechen. "Bitte lauter"-Rufe hallen durch den Saal. "An der Akustik müssen wir noch arbeiten", scherzt Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU) zu Beginn der Vollversammlung am 17. Juli in München. Es ist das letzte Mal, dass die 67 Vertreter des Bezirks Oberbayern in dieser Besetzung zusammentreffen, bevor im Oktober, zeitgleich zur Landtagswahl, gewählt wird.

Die Wahlbeteiligung ist dabei erfahrungsgemäß eher niedrig. Bei 67,4 Prozent lag sie 2013 im Landkreis Freising, weit niedriger als etwa bei der vergangenen Bundestagswahl (79,2 Prozent). Das könnte daran liegen, dass das Wirken des Bezirkstags im Alltag oft nicht direkt sichtbar ist - von Angaben auf Webseiten wie "wird aus Mitteln des Bezirks Oberbayern gefördert" einmal abgesehen. Dabei widmet sich der Bezirkstag als selbstverwaltetes, kommunales Parlament eigentlich genau den bürgernahen Themen, für die bei der Staatsregierung in München niemand zuständig ist. Nicht zu verwechseln ist das vom Volk gewählte Gremium mit der Regierung von Oberbayern, an deren Spitze mit Regierungspräsidentin Maria Els eine Staatsbeamtin steht.

In der Landespolitik sind die Bezirksvertreter am Gesetzgebungsprozess beteiligt. Das Bayerische Maßregelvollzugsgesetz zum Umgang mit psychisch Kranken und das Bayerische Teilhabegesetz, das die Inklusion fördern soll, sind nur zwei der Höhepunkte, die Mederer aus der abgelaufenen Wahlperiode nennt. Auch beim Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, das teilweise am 1. August in Kraft getreten ist - Teil zwei folgt am 1. Januar - war der Bezirk involviert.

Von den um die 1,9 Milliarden Euro, die für den laufenden Verwaltungshaushalt bewilligt sind, fließen allein etwa 1,8 Milliarden in die soziale Sicherung, 2013 waren es noch 1,3 Milliarden. Zum Vergleich: Das ist mehr als acht Mal so viel, wie die Stadt Freising heuer ausgeben will. Auch in Kulturangebote, Schulen und das Gesundheitswesen wird investiert. Pflegeeinrichtungen, Museen, Behindertenwerkstätten, Wohnungsloseneinrichtungen: Träger oder Förderer ist nicht selten der Bezirk.

Schafhof

Eine Einrichtung, die davon maßgeblich profitiert, ist der Schafhof, das Europäische Künstlerhaus des Bezirks in Freising. Der Bezirk Oberbayern ist dessen alleiniger Träger und fördert es heuer mit 475 100 Euro. "Es ist eine große Hilfe, zum Bezirk zu gehören", betont Leiter Eike Berg, "wir haben dadurch Planungssicherheit". Die Ausstellungen haben einen starken europäischen und internationalen Fokus, zum Beispiel das Artist-in-Residence-Programm, das Austauschprogramm des Europäischen Kunststipendiums des Bezirks Oberbayern - Vergleichbares gibt es sonst nur in Großstädten.

"Eine Kommune könnte das auf keinen Fall stemmen", ist sich Museumsleiter Berg sicher. Und: "Das ist ja auch im Sinne der bayerischen Politik, über den bayerischen Tellerrand hinauszuschauen, und auch im Sinne eines Europas der Regionen." Vorteil der beim Bezirk angesiedelten Trägerschaft sei zudem die Einbindung in die regionale kommunale Struktur, erklärt Berg. Von der Europäischen Union bekomme man übrigens kein Geld, wie immer wieder vermutet werde.

Lebenshilfe

Ein weiteres Beispiel für das Wirken des Bezirks ist die Lebenshilfe Freising. Gut zwölf Millionen Euro zahlt der Bezirk derzeit jährlich für Angebote der Eingliederungshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung wie zum Beispiel stationäre Wohneinrichtungen oder ambulante Dienste. Die Eltern- und Selbsthilfevereinigung für Menschen mit Behinderung besteht derzeit aus 35 Einrichtungen, fast 750 Mitarbeiter betreuen rund 2000 Menschen im Landkreis.

Der Bezirk sei "als Kostenträger unverzichtbar", sagt Geschäftsführer Michael Schwaiger. Durch die gesetzlich geregelte Zuständigkeit sei klar, wer für die Behinderten und Eingliederungshilfe zuständig ist. "Da ist Verlässlichkeit gegeben." Bezirksmittel sind letztlich Steuermittel.

"Eine Kommune könnte das auf keinen Fall stemmen": Eike Berg, Leiter des Schafhofs in Freising.

"Der Bezirk ist als Kostenträger unverzichtbar": Michael Schwaiger, Geschäftsführer der Lebenshilfe.

Wir bekommen vom Bezirk ja auch fachliche Kompetenz": Fachdienstleiterin Kristina Kluge-Raschke.

"Der Output ist ja nicht eine Gewinnmaximierung": Tassilo Winhart, Leiter des Anton-Henneka-Hauses.

Anton-Henneka-Haus

Anders sieht es im Anton-Henneka-Haus in Gammelsdorf aus. Dort wohnen laut Leiter Tassilo Winhart bis zu 62 Menschen, deren Lebensverhältnisse mit besonderen sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, außerdem gibt es dort bis zu 13 Tagesplätze und, über den gesamten Landkreis verteilt, 30 ambulante Plätze. Das Angebot richtet sich vor allem an Wohnungslose. Für deren Unterbringung, Verpflegung und Beschäftigung in Werkstätten zahlt der Bezirk einen Tagessatz zwischen 100 und 120 Euro, der über ein Leistungspaket und eine Vereinbarung geregelt ist.

Am Bezirk als Geldgeber schätzt Winhart vor allem eines: "Wir sind sehr nahe an den Hilfebedüftigen. Der Output ist ja nicht eine Gewinnmaximierung." Dadurch sei man auch leistungsfähiger. Einen ambulanten Fachdienst würde ein privater Förderer wohl nicht anbieten - zu teuer und ökonomisch ineffizient. Allgemein stehe das Soziale bei sozialen Trägern - beim Anton-Henneka-Haus ist dies der Katholische Männerfürsorgeverein München - eben im Vordergrund. Zusätzlich finanziere man sich durch Spenden und werde von der Diözese unterstützt.

Krisendienst Psychiatrie

Vom Bezirk gefördert werden auch die Sozialpsychiatrischen Dienste Freising. Ihre Mittel erhalten sie aus einem Topf, aus dem die 32 Sozialpsychiatrischen Dienste in Oberbayern mit insgesamt rund 81 Millionen Euro bezuschusst werden. Die Kostenübernahme variiert je nach Angebot; im Bereich Beratungsstellen trägt der Bezirk beispielsweise rund 90 Prozent der Kosten. Angebote wie Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder der Krisendienst Psychiatrie richten sich an Menschen mit seelischen und psychischen Erkrankungen. Träger ist im Landkreis Freising die Caritas.

"Wir bekommen vom Bezirk ja nicht nur Geld, sondern auch fachliche Kompetenz", unterstreicht Fachdienstleiterin Kristina Kluge-Raschke, bei der Steuerung und Neuentwicklung von Angeboten etwa. Genau wie Michael Schwaiger von der Lebenshilfe sieht sie im Bezirk einen "verlässlichen Kostenträger und Partner", der Kontinuität sicherstelle - und auch in zusätzliche, wichtige Angebote wie den 2016 im Landkreis eingeführten Krisendienst Psychiatrie investiere, den die Krankenkassen nicht mitfinanzieren wollten. Solch ein Angebot habe "Modellcharakter" für andere Bezirke, so Kluge-Raschke.

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SZ vom 21.08.2018
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