Süddeutsche Zeitung

Betrugsvorwurf bei Pflegedienst:Prozess mit Publikumsandrang

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Zwei Schwestern betreiben im Landkreis einen ambulanten Pflegedienst. Nun stehen sie vor Gericht, weil sie reihenweise Leistungen zu Unrecht abgerechnet haben sollen.

Von Alexander Kappen, Freising

Die Besucherplätze im Sitzungssaal 1 des Freisinger Amtsgerichts waren am Dienstagvormittag voll besetzt. Voll gepackt war auch die Liste mit den vorgesehenen Sitzungsterminen. Insgesamt fünf Verhandlungstage waren anberaumt in dem Betrugsprozess gegen zwei Schwestern, die im südlichen Landkreis einen ambulanten Pflegedienst betrieben haben und dabei reihenweise Leistungen zu Unrecht abgerechnet haben sollen. Nach knapp zweieinhalb Stunden, in denen hauptsächlich Gespräche hinter verschlossenen Türen stattfanden, war dann aber schon wieder Schluss. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Manfred Kastlmeier setzte die Verhandlung aus.

Die Richter konnten nicht ausschließen, dass aufgrund des zu erwartenden Strafmaßes für eine der beiden Angeklagten das Landgericht zuständig ist. Deshalb soll dieses darüber nun befinden. Zuvor hatte das Gericht versucht, mit allen Prozessbeteiligten in Verständigungsgesprächen einen so genannten "Deal" auszuhandeln - allerdings ohne Erfolg.

Die Gespräche im Besprechungsraum des Gerichts fanden in ungewöhnlich großer Runde statt. Zum Vorsitzenden Richter und seinen beiden Schöffen gesellten sich der Staatsanwalt sowie zwei Pflicht- und zusätzlich noch drei Wahlverteidiger. Nachdem sich alle intensiv ausgetauscht hatten, folgte die nächste Besprechungsrunde. Dabei unterbreiteten die fünf Verteidiger ihren beiden Mandantinnen, 43 und 37 Jahre alt, eine halbe Stunde lang, was das Gericht ihnen im Fall eines Geständnisses in Aussicht gestellt hatte. Dann wiederum zogen sich Verteidiger, Staatsanwalt und Gericht abermals ins Besprechungszimmer zurück. Dabei, so berichtete der Vorsitzende Richter hinterher, teilten die Verteidiger mit, dass die beiden Angeklagten sich auf die angebotene Verständigung nicht einlassen wollen.

Insgesamt soll laut Anklage ein Schaden von rund 60 000 Euro entstanden sein

Die ältere der beiden Schwestern, eine gelernte Arzthelferin, war laut Anklage Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes. Ihre jüngere Schwester, eine Altenpflegerin, soll mit ihr den Betrieb geleitet haben. Dabei sollen sie im großen Stil für Leistungen kassiert haben, die bereits über einen anderen Bereich der Pflege abgerechnet waren. Damit, so lautete der Vorwurf, sollen die beiden für erbrachte Leistungen ein zweites Mal das Geld eingestrichen und es in die eigene Tasche gesteckt haben. In 58 Fällen wurden die Rechnungen bezahlt, so dass der gewerbsmäßige Betrug laut Anklage gelang. In zwei Fällen soll es beim Versuch geblieben sein. Insgesamt, so lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, soll den Krankenkassen und Kunden, die teils selbst bezahlten, ein Schaden von rund 60 600 Euro entstanden sein.

Das Gericht stellte der bereits einschlägig vorbestraften 43-Jährigen unter Einbeziehung eines Urteils des Landshuter Landgerichts vom Januar 2018 bei einem Geständnis eine Strafe von zwei bis zweieinhalb Jahren in Aussicht. Die Jüngere wäre mit einem bis eineinhalb Jahren davon gekommen. Da die Ältere eine einschlägige Vorstrafe von einem Jahr und sechs Monaten so zu sagen als Handicap mit in die Verhandlung mitbrachte und kein Geständnis ablegte, "sehen wir keine strafmildernden Umstände", so der Richter. Deshalb reiche die Strafgewalt des Amtsgerichts mit bis zu vier Jahren Haft hier wohl nicht aus. Das Landgericht soll das nun prüfen.

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