Süddeutsche Zeitung

Weihenstephan:Auf dem Weg zur Klima-Hochschule

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Mit dem neu gegründeten B.Life Centre will die HSWT dazu beitragen, dass die praxisnahe Forschung zu den Folgen des Klimawandels gestärkt wird und die Gesellschaft notwendige Maßnahmen mitträgt.

Von Petra Schnirch, Freising

Die Folgen des Klimawandels sind auch in Bayern durch Hitzewellen, extreme Trockenheit oder aber Überflutungen immer deutlicher zu spüren. Gleichwohl passiert immer noch zu wenig, um effektiv gegensteuern zu können. Einen wichtigen Beitrag will die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) mit Gründung des "B.Life Centres" leisten. "Wir wissen schon sehr viel zum Thema Klimawandel", sagte HSWT-Präsident Eric Veulliet. Jetzt gehe es darum, "das Wissen ins Tun zu überführen". Die Vision der Initiatoren des neuen Wissenszentrums ist eine klimaneutrale, nachhaltige Landnutzung.

Leiterin des B.Life Centres ist Christina Hans. Sie promovierte am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeografie der LMU in München und war in den vergangenen vier Jahren in der Wirtschaft tätig. Die neue Aufgabe an der HSWT übernahm sie Mitte August. Im Fokus des Wissenszentrums steht die Landnutzung. Gerade Land- und Forstwirtschaft nutzen viel Fläche. "Sie sind Teil des Problems, aber auch Teil der Lösung", sagte Veulliet am Dienstag bei einem Pressegespräch. Deshalb lohne es sich, sie intensiver zu betrachten. Einen positiven Beitrag leisten könnten sie zum Beispiel durch ökologische Serviceleistungen.

Die Finanzierung ist für vorerst drei Jahre gesichert

Das "Konzept zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen in Bayern" mit dem Titel "B.Life" war bereits Mitte 2019 entstanden und an Ministerpräsident Markus Söder geschickt worden. Inzwischen steht die Finanzierung für vorerst drei Jahre, 2,25 Millionen Euro stehen für Personal und Sachausstattung insgesamt zur Verfügung. Das Projekt sei aber längerfristig ausgelegt, betonte Veulliet. Neun Personen, vor allem aus dem wissenschaftlichen Bereich, soll das Team künftig umfassen. Feste Geschäftsstelle gibt es keine, nur eine "virtuelle", wie Hans sagte.

Die Aufgaben des B.Life Centres sind breit gefächert, es soll in angewandte Forschung, Lehre und Wissenstransfer hineinwirken, Netzwerke bilden, Impulse geben. An der HSWT gebe es etwa 30 Professorinnen und Professoren, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen, sagte Veulliet. Ihre Aktivitäten sollen stärker gebündelt werden, Synergieeffekte bei der Entwicklung von Forschungsideen oder dem Einwerben von Drittmitteln genutzt werden.

Für Schüler sind Klimacamps geplant

Weitere wichtige Zielgruppe sind die Studierenden. Etwa 1000 Absolventinnen und Absolventen verließen die Hochschule jedes Jahr. Es sei wichtig, dass sie das Wissen um die Klimawandel-Folgen hinaustragen. Deshalb sollen ganz neue Studiengänge, aber auch Module für bereits bestehende Angebote entwickelt werden. Das Interesse ist offenkundig da: Für die 30 Plätze des relativ neuen Masterstudiengangs Climate Change Management habe es in diesem Jahr 200 Bewerbungen gegeben, sagte Veulliet. Auch Weiterbildungsangebote sind geplant, etwa für Lehrkräfte oder zur Ausbildung von Klimamanagern. Für Schülerinnen und Schüler werden Klimacamps stattfinden.

Die Maßnahmen, die notwendig seien, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, müssten von den Menschen mitgetragen werden, sagte Christina Hans. Deshalb wolle man Politik und Gesellschaft beraten und die Akzeptanz fördern sowie Kooperationspartner zusammenbringen, auch auf internationaler Ebene. "Es sollen Leuchtturmprojekte entstehen und Maßnahmen für klimagerechtes Wirtschaften entwickelt werden." Das Wissenszentrum verstehe sich hier als "Schwungrad".

Einer der Professoren, die seit langem intensiv zum Klimawandel forschen, ist Matthias Drösler, der "Moor-Papst", wie ihn Präsident Veulliet nannte. Moore sind effektive CO₂-Speicher, werden sie trockengelegt, wird jedoch Kohlendioxid freigesetzt. Parallel zum B.Life Centre wird an der HSWT ein Moorforschungszentrum aufgebaut. Seit vielen Jahren sei sehr viel inhaltlich gearbeitet worden, sagte Drösler. Was bisher fehlt, sei, fundiertes Wissen so aufbereitet zu bekommen, dass gesellschaftliche Prozesse beeinflusst werden könnten. Hier soll das B.Life Centre ansetzen.

Als Dilemma bezeichnete Drösler die personelle Ausstattung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften, vor allem im wissenschaftlichen Mittelbau, die Universitäten seien hier weit besser aufgestellt. Da müsse der Weg auch bei den Hochschulen hingehen, denn die Postdocs hätten das Know-how.

Die Wissenschaft sollte "mutiger werden"

An der HSWT hat sich im Bereich Forschung viel getan, zuletzt konnten zwölf Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben werden, für eine relativ kleine Hochschule sei das eine erhebliche Summe. Vier Jahre zuvor waren es laut Veulliet gerade einmal drei Millionen. Mit dem neuen Wissenszentrum seien wichtige Strukturen geschaffen worden, diese müssten nun dauerhaft etabliert werden. Mit Hilfe der Hightech-Agenda Bayern konnten und können auch neue Professuren geschaffen werden, eine ist im Bereich Entwässerung geplant, "das wird ein Riesenthema werden", sagte der Präsident.

Die HSWT mit ihrem grünen Fächerspektrum ist nach seinen Worten prädestiniert für den Ausbau der Klimaschutz-Forschung und der Lehre. Veulliets Vision: "Wir wollen die Klima-Hochschule in Bayern werden." Die Wissenschaft sei oft zu zurückhaltend gewesen, sie müsse sich ihrer Verantwortung "stärker stellen", forderte er, "und auch mutiger werden".

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