Süddeutsche Zeitung

Freiham:Chefsache Frischluft

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Aus Aubing kommt die Initiative, in allen 25 Münchner Bezirksausschüssen Klimabeauftragte zu installieren

Von Ellen Draxel, Freiham

Aubings Lokalpolitiker machen das Stadtklima zur Chefsache. Aufgrund der "Wichtigkeit des Themas" regen sie die Etablierung von Klimabeauftragten in allen 25 Münchner Bezirksausschüssen an. Außerdem fordern sie die Stadt auf, "schnellstmöglich und vor dem nächsten Planungsschritt" zur Bebauung Freihams ein Gutachten in Auftrag zu geben, das die klimatischen Auswirkungen der Neubebauung des bisherigen Ackerlands für München darstellt. "In dem Gutachten sind Maßnahmen aufzulisten, die sicherstellen, dass die Kaltluftleitbahnen aus dem Westen der Stadt auch nach dem Ausbau der A 99 und der Fertigstellung des zweiten Realisierungsabschnitts in Freiham erhalten bleiben", heißt es in dem einstimmig beschlossenen interfraktionellen Antrag des Bezirksausschusses Aubing-Lochhausen-Langwied.

München, das belegen Statistiken, wird immer wärmer. 2018 lag die durchschnittliche Temperatur bereits 2,2 Grad über dem langjährigen Mittel der Sechziger- bis Neunzigerjahre, bis 2100 sollen es einem Klimamodell zufolge etwa viereinhalb Grad mehr sein. Zu messen ist dieser Anstieg auch in der Anzahl der heißen Tage. In der Klimaanalyse für München von 2014 sind sowohl sogenannte Sommer- als auch Hitzetage erfasst worden, beide haben in der Vergangenheit deutlich zugenommen. 2018 hatte es an 87 Tagen Temperaturen über 25 Grad, an 16 Tagen sogar über 30 Grad. Zum Vergleich: In der Referenzperiode von 1961 bis 1990 waren es noch 36 Sommer- und fünf Hitzetage. Und zwischen 1981 und 2010 im Durchschnitt schon 46 Sommer- und 8,5 Hitzetage.

Entgegenwirken können dieser Erwärmung vor allem Kaltluftschneisen. Die ausgeprägtesten finden sich im Westen und Südwesten der Stadt - "und da mittendrin entsteht jetzt die Hitze-Insel Freiham", sagt CSU-Fraktionssprecher Jürgen Schrader. Zumindest die im Wettbewerb beschlossene massive Blockrandbebauung für den zweiten Realisierungsabschnitt, fordern die Bürgervertreter, müsse daher auf den Prüfstand gestellt werden. Die Klimaanalyse von 2014 plädiert in Fällen, in denen eine Bebauung unvermeidbar ist, dafür, die "Bauhöhe möglichst gering zu halten, Neubauten parallel zur Kaltluftströmung auszurichten und eine perforierte Bebauung anzustreben". Die Politiker wollen außerdem wissen, inwieweit eine kleinräumige Klimaregulierung durch die Begrünung von Fassaden, Dächern und Wegen vorgesehen ist. Dass "für die Durchlüftung von Siedlungsgebieten wichtige Kaltluftleitbahnen von Bebauung freigehalten" oder wenigstens eine "aufgelockerte beziehungsweise offene Bebauung ermöglicht werden" sollte, bestätigt auch das Referat für Gesundheit und Umwelt in einem Schreiben von Mitte Dezember.

Die Fläche Freihams sei "bedeutsam für die Kaltluftlieferung von Westen". Bei der Überplanung des Gebiets werde deshalb "darauf geachtet, dass diese Durchlüftungsfunktion möglichst erhalten wird". Die Behörde selbst hat bereits ein vertiefendes Klimagutachten für Freiham und Umgebung gefordert - noch allerdings liegt dazu nichts vor. Stattdessen gibt es Grünkorridore als Durchlüftungsachsen von West nach Ost, die aber, so die Kritik des Bezirksausschusses, die in den Nachtstunden im Süden aus den Alpen ankommende kühle Luft nicht weitertransportieren könnten.

Aubings Lokalpolitiker hoffen jetzt auf den Stadtrat. Voraussichtlich Anfang März steht im Planungsausschuss der Aufstellungsbeschluss zum zweiten Realisierungsabschnitt Freiham-Nord auf der Agenda - ein Papier, dass die Stadtteilvertreter demonstrativ abgelehnt haben. "Der Stadtrat", mahnt BA-Mitglied und Stadtrat Johann Sauerer (ÖDP), "darf in Zeiten des Klimanotstands keinem Bebauungsplan zustimmen, bei dem die negativen Folgen auf unser Stadtklima nicht absehbar sind".

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SZ vom 30.01.2020
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