Süddeutsche Zeitung

Verkehrspolitik:Münchens umstrittenste Fahrradstreifen werden zur Dauereinrichtung

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An den rot markierten Radspuren in der Fraunhoferstraße hat sich schon viel Streit entzündet. Jetzt hat die Stadt entschieden: Die 120 gestrichenen Parkplätze kommen nicht wieder.

Von Andreas Schubert

Aus einem Verkehrsversuch wird eine dauerhafte Einrichtung: Die beiden rot markierten, 2,30 Meter breiten Fahrradstreifen in der Fraunhoferstraße bleiben erhalten. Das hat der Mobilitätsausschuss des Stadtrats am Dienstag beschlossen. CSU und Freie Wähler stimmten erwartungsgemäß dagegen. Gerade die Christsozialen hatten sich von Anfang an gegen die Regelung ausgesprochen und die Fraunhoferstraße zu einem zentralen Thema des Kommunalwahlkampfs 2020 gemacht.

Die Gegner der Radstreifen kritisieren vor allem, dass nicht nur 120 Parkplätze weggefallen sind, sondern auch, dass der Lieferverkehr in die Seitenstraßen verbannt wurde. Die dortigen Lieferzonen sind aber regelmäßig zugeparkt. Das führte dazu, dass sich viele Lieferanten illegal halb auf den Gehweg, halb auf den Radweg direkt vor den Läden postieren. Einem Vorschlag der Firma Münchner Schlüsseldienst Kilian, wie man Lieferzonen schaffen könnte, erteilte das Mobilitätsreferat aber bereits vergangenen Dezember eine Absage. Die Fraunhoferstraße ist zu schmal, um Fußgänger- und Radverkehr ausreichend Platz einzuräumen und gleichzeitig Stellplätze einzurichten.

Das Problem mit den Lieferanten ist länger bekannt, nun will die Stadt aber die bestehenden Lieferzonen deutlicher mit Markierungen kennzeichnen. Und für die Kommunale Verkehrsüberwachung ist die Fraunhoferstraße ohnehin bereits ein Schwerpunkt. Die häufigen Kontrollen sollen beibehalten werden.

Seit es die Radstreifen gibt, hat die Zahl der Unfälle, an denen Radler beteiligt waren, leicht abgenommen. Kam es von April 2018 bis Juni 2019 noch zu elf Radunfällen, gab es seit August 2019 jährlich acht Unfälle. Die Polizei wertet die neue Übersichtlichkeit der Straße als positiv. Auch die Branddirektion befürwortet die neue Straßenaufteilung, weil die Rettungsfahrzeuge nun schneller voran kämen, da Autofahrer leichter eine Rettungsgasse bilden könnten.

Auch die tägliche Zahl der Kraftfahrzeuge ging in der Straße zurück, und zwar von 16 000 am Tag auf 11 000. Ebenso rückläufig war - trotz Radspur - die Zahl der Radfahrer, von denen früher binnen acht Stunden etwa 3500 unterwegs waren, seit der Neugestaltung aber nur noch 2800. Dies führt das Mobilitätsreferat aber auf die Baustelle zum Altstadt-Radlring an der Blumenstraße zurück, derentwegen viele Verkehrsteilnehmer offenbar lieber eine andere Route wählten.

Was das Erscheinungsbild der Straße angeht, so wird sich dieses in den kommenden Jahren nicht grundlegend ändern. Denn breitere Gehwege soll es erst geben, wenn die Trambahngleise erneuert werden und die Straße dann umgebaut wird. Damit ist aber erst gegen 2030 zu rechnen. Aktuell lohnt sich aus Sicht der Verwaltung eine bis zu fünf Millionen Euro teure Verbreiterung der Gehwege um gerade einmal 50 Zentimeter nicht. Auch Bäume kann die Stadt wegen der vielen Versorgungsleitungen im Untergrund nicht pflanzen. Das Baureferat soll aber wenigstens prüfen, ob sich etwa im Bereich der früheren Postfiliale oder in Kreuzungsbereichen nicht doch der eine oder andere Baum pflanzen oder zumindest Pflanztröge aufstellen ließen, um die Aufenthaltsqualität zu steigern.

Sogenannte Protected Bikelanes, also von der Fahrbahn abgetrennte Radstreifen, sollen erst nach Auswertung eines anderen Verkehrsversuchs geprüft werden. Aktuell testet die Stadt an fünf Straßen verschiedene Systeme von geschützten Radstreifen. Geprüft werden sollen auch Maßnahmen zur Beschleunigung der Tram, die sich ihre Spur mit den Autos teilt und bisweilen im Stau stecken bleibt.

Weiter Tempo 30? Das ist noch offen

Die Debatte, die seit 2019 geführt wurde, riss auch an diesem Dienstag nicht ab. Aus Sicht der CSU fehlen weiterhin Lieferzonen und Kurzparkplätze, die Zahlen zeigten, dass sich die Verkehrssicherheit keineswegs verbessert habe. Bei dem gemessenen Verkehrsrückgang hätte die Unfallzahl deutlicher sinken müssen.

Grün-Rot verwies dagegen auf die positive Stellungnahmen von Polizei und Feuerwehr. Mobilitätsreferent Georg Dunkel räumte ein, dass die Situation in der Fraunhoferstraße städtebaulich nicht optimal sei. Man müsse eben mit dem vorhandenen Platz auskommen, weshalb man Kompromisse eingehen müsse. Aus Sicht des Mobilitätsreferats würde es sich jedenfalls nicht lohnen, den Durchgangsverkehr komplett auszusperren.

Während die CSU den Verkehrsversuch als gescheitert bezeichnete, ist er für das Mobilitätsreferat ein "klarer Erfolg". Ob die aktuelle Tempo-30-Regelung in der Fraunhoferstraße bestehen bleibt, ist derzeit noch offen. Bevor der Stadtrat darüber entscheiden soll, will die Verwaltung erst die Ergebnisse der Stickstoffdioxid-Werte abwarten. Die überschritten in der Fraunhoferstraße noch im Jahr 2019 den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die genauen Auswirkungen des Tempolimits sollen noch untersucht werden.

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