Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingsheim am Schloss Nymphenburg:"Wenn man wollte, dann könnte man"

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Von Inga Rahmsdorf

Ein großes Gebäude, das leer steht - und das mitten in München, in bester Lage, direkt neben dem Schloss Nymphenburg. Das kann doch nicht wahr sein, dachte sich der Künstler Wolfram Kastner und schrieb einen Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten. Warum denn dort nicht Flüchtlinge untergebracht werden können?, fragte er. Weil sich aber offenbar niemand so wirklich für die verlassenen Räume interessierte, machte er am Dienstag mit einer Aktion darauf aufmerksam.

Gemeinsam mit den Künstlerkollegen Michael Heininger und Martin Stiefel klebte er Karikaturen von Köpfen auf die verdreckten Fensterscheiben entlang der Maria-Ward-Straße 1. "Damit man sieht, da könnte auch jemand drin wohnen", sagte Kastner. Mit einer Spraydose sprühte er in großen, roten Buchstaben "herein" auf die Glastür und klebte gelbe Aufkleber mit der gleichen Aufschrift auf die Fenster.

Ein "Ausweichquartier für Buchbestände"

Und es dauerte nicht lange, bis ein Mitarbeiter der Schlösser- und Seenverwaltung die Künstler entdeckte. "Habt ihr eine Erlaubnis?", fragte er die Künstler, die sich keineswegs davon stören ließen. Kastner versuchte derweil von der Aktion zu überzeugen, händigte dem Mann ein Informationsblatt aus. Er habe auch schon einen Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer geschrieben. "Ach, hören Sie mir doch auf mit dem Ministerpräsidenten", sagte daraufhin der Verwalter und verschwand, um seinen Chef zu holen. Der stellte dann allerdings fest, dass die Bayerische Schlösserverwaltung schon seit 1976 gar nicht mehr zuständig ist für das Gebäude, sondern das bayerische Kultusministerium. Am Nachmittag waren die Kunstwerke verschwunden.

Kastner hat eine Antwort auf seinen Brief an Seehofer erhalten. Es stehe nicht leer, schreibt das Kultusministerium. Seit das Institut der LMU dort 2009 ausgezogen ist, würden die Räume als "Ausweichquartier für Buchbestände" genutzt. Es gebe keine Wasserversorgung mehr, es fehlten Sanitäranlagen, der Brandschutz sei veraltet. Außerdem gebe es wohl Schadstoffe. Zudem sei geplant, das Gebäude in 18 Monaten abzureißen. "Das ist ja grotesk", sagt Kastner. "Wenn man wollte, dann könnte man. Wenn man nicht will, dann findet man auch immer allerlei Vorwände, weshalb man dort niemanden unterbringen kann."

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Quelle:
SZ vom 14.10.2015
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