Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge in München:Abschreckung in der Unterkunft

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Die Flüchtlingsunterkunft in Trudering wurde öffentlichkeitswirksam hübsch hergerichtet, doch das ist Augenwischerei. Dass überhaupt Kinder in diesen Lagern leben müssen, ist unerträglich.

Kommentar von Thomas Anlauf

Das Misstrauen sitzt tief. Viele glauben nicht so recht, dass die Regierung von Oberbayern nach massiver Kritik an der miserablen und zum Teil menschenunwürdigen Unterbringung von Geflüchteten in der Funkkaserne wirklich verstanden hat und den Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen humanere Lebensbedingungen bietet.

In der ehemaligen Kaserne am Frankfurter Ring wurden nun zwar die schlimmsten Missstände beseitigt und es müssen auch nicht mehr mehrere wildfremde Familien mit kleinen Kindern gemeinsam in einem Zimmer hausen. Und die zweite staatliche Einrichtung mit dem beschönigenden Namen "Unterkunfts-Dependance" in Trudering, in die bald auch zahlreiche Geflüchtete kommen werden, wurde in den vergangenen Wochen hübsch hergerichtet, damit die Öffentlichkeit sieht, wie adrett so eine staatliche Flüchtlingsunterkunft doch sein kann.

Doch das ist Augenwischerei. Das Prinzip dieser Einrichtungen ist Abschreckung. Die Menschen, die in ihren Heimatländern Schlimmes erlebt haben und oftmals eine dramatische und traumatische Flucht hinter sich haben, müssen in Massenunterkünften monatelang und in vielen Fällen sogar jahrelang warten, bis sie endlich erfahren, ob sie hier bleiben dürfen oder wieder abgeschoben werden. Die Menschen sitzen tatenlos herum, sie dürfen nicht arbeiten, Kinder oft monatelang nicht zur Schule gehen. Eine Privatsphäre wird diesen Menschen nicht zugestanden, sie schlafen mit Fremden in einem Raum, nicht einmal alleinstehende Frauen können ihre Zimmer abschließen und müssen ständig in Angst leben, dass ein Mann nachts eindringt. Kochen ist verboten, nicht einmal diese kleine Abwechslung in dem zermürbenden Nichtstun ist ihnen gegönnt.

Dass überhaupt Kinder in diesen Lagern leben müssen, ist unerträglich. Sie müssten mit ihren Eltern in geschützte Einrichtungen kommen, wo sie wie jedes Münchner Kind Freiräume zum Spielen haben, wo sie andere Kinder treffen können, wo ihnen Psychologen und Sozialpädagogen zur Seite stehen. Diese Menschen sind keine Verbrecher, die man einsperrt. Es sind Menschen, die Schutz suchen und ein Recht auf Menschenwürde haben.

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Quelle:
SZ vom 10.05.2019
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