Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge:Protest gegen das Sterben im Mittelmeer

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Von Christina Hertel

30 orangefarbene Rettungswesten treiben durch die Isar, vorbei an Menschen, die in der Sonne Bier trinken und grillen. Aktivisten haben sie hineingeworfen, um die Münchner daran zu erinnern, was Hunderte Kilometer südlich von ihnen passiert: Nahezu täglich ertrinken Menschen im Mittelmeer, die vor Hunger und Krieg fliehen. Diese Aktion in München fand Anfang August statt, mitorganisiert von der Bewegung "Seebrücke". Nun rufen die Aktivisten wieder zu einer Demonstration auf: Am Samstag, 25. August, von 14 Uhr an auf dem Europaplatz. Wieder geht es darum, auf das Sterben im Mittelmeer aufmerksam zu machen. Die Veranstalter erwarten mehr als 1500 Teilnehmer.

Die Demonstration bildet den Auftakt zur europaweiten Aktionswoche unter dem Motto "European protests - build bridges, not walls!". "Es reicht nicht mehr, sich im Privaten über die politische Situation aufzuregen", sagt Anna Wagner. "Man muss jetzt etwas tun." Wagner ist Studentin, Mitte 20 und engagiert sich seit ein paar Wochen bei der Seebrücke - kein Verein, keine Organisation, sondern ein loser Zusammenschluss von Menschen, die wollen, dass sich etwas ändert. Die Bewegung gründete sich Ende Juni in Berlin als Reaktion darauf, dass die "Lifeline" mit mehr als 200 Flüchtlingen an Bord sechs Tage durch das Mittelmeer irren musste, ehe das Schiff einen Hafen fand. Kapitän Claus-Peter Reisch aus Landsberg steht derzeit sogar in Malta vor Gericht. Seit der Irrfahrt der Lifeline demonstrierten laut der Seebrücke 35 000 Menschen unter anderem in Berlin, Hamburg, Frankfurt, München, Hannover und Leipzig für eine bessere Seenotrettung.

In München fanden sich die Unterstützer über Twitter. Sie alle seien Menschen aus der Zivilbevölkerung, sagt Anna Wagner. So wie sie selbst habe sich vorher keiner in einer Partei oder Organisation engagiert. Und deshalb sei es nun umso aufregender, eine große Demonstration zu organisieren. Weil die Erfahrung fehlt, hat die Seebrücke München Unterstützer gesucht und gefunden. Darunter sind Rettungs-Vereine wie Sea-Watch oder Sea-Eye, aber auch Amnesty International und der Bayerische Flüchtlingsrat.

Innerhalb von drei Wochen eine Demo auf die Beine zu stellen, sei eine ziemliche Herausforderung, sagt Wagner. 30 Menschen würden zusammen helfen, auch Flüchtlinge engagierten sich. Die meiste Zeit habe gekostet, den Demonstrationsaufruf zu formulieren. Die Aktivisten fordern von Europa und der Bundesregierung, Seenotrettung zuzulassen, die Geretteten in Europa aufzunehmen und legale Fluchtwege zu ermöglichen. Außerdem will die Seebrücke, dass die bayerische Regierung die "Politik der Abschreckung und Ausgrenzung" beendet. Zudem fordern sie München und andere Städte auf, Flüchtlingen dauerhaften Schutz zu gewähren. So wie Bonn, Düsseldorf und Regensburg solle auch München zusichern, aus Seenot gerettete Flüchtlinge aufzunehmen.

Am Samstag werden vor allem Flüchtlingshelfer und Seenotretter sprechen - zum Beispiel Benedikt Funke, der Kapitän des Rettungsschiffs "Juventa", "Lifeline"-Kapitän Reisch und Michael Buschheuer, der die Seenotorganisation Sea-Eye gründete. Außerdem werden Vertreter der Linken, der Grünen und der Partei mut auf dem Podium stehen. "Wir haben uns bewusst dafür entschieden, nicht so viele Politiker und dafür Leute reden zu lassen, die von ihren Erfahrungen berichten können", sagt Anna Wagner. "Es soll keine Wahlkampfveranstaltung werden."

Das genaue Programm stehe jedoch noch nicht fest. Klar ist nur, dass es von 15 Uhr an eine Zwischenkundgebung am Franz-Josef-Strauß-Ring und von 17.30 Uhr an eine Abschlusskundgebung auf dem Marienplatz geben wird. Ende der Demonstration ist voraussichtlich um 18.30 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 23.08.2018
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