Süddeutsche Zeitung

Zweiter S-Bahn-Tunnel:Flughafen soll für Stammstrecke zahlen

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Der Bund gibt beim Streit um die Finanzierung der zweiten Stammstrecke möglicherweise doch nach - und schießt Geld zu. Der Trick: Der Münchner Flughafen soll sich mit einem dreistelligen Millionenbetrag beteiligen, dafür wird dem Airport ein Darlehen erlassen.

Ulrich Schäfer

Die Bundesregierung ist im Streit um die Finanzierung der zweiten Stammstrecke offenbar doch zu einem Entgegenkommen bereit. Das Ministerium von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) prüft dazu derzeit ein neues Finanzierungsmodell, das der Freistaat Bayern unterbreitet hat. Dieses Modell läuft darauf hinaus, dass der Münchner Flughafen sich mit einem dreistelligen Millionenbetrag direkt am Bau des zweiten S-Bahn-Tunnels beteiligt.

Dem Flughafen würde dazu vorher ein Darlehen von 491 Millionen Euro erlassen, das der Bund, der Freistaat und die Stadt ihm einst als Eigentümer gewährt haben. Dieses Geld würde der Flughafen anschließend in den Bau der zweiten Stammstrecke stecken. Die Finanzierungslücke wäre damit geschlossen

Das Bundesverkehrsministerium prüft das neue Modell derzeit rechtlich. Die entscheidende Frage ist dabei, unter welchen Bedingungen sich der Flughafen am Ausbau einer S-Bahn beteiligen darf, die auch ihm nützt. Man betrachte die Lösung aber durchaus mit Wohlwollen, hieß es in Regierungskreisen. Sollte das Verkehrsministerium keine Einwände haben, gilt es als wahrscheinlich, dass am Ende auch das Bundesfinanzministerium zustimmt.

Münchens Oberbürgermeister Christin Ude (SPD) sagte, er halte es "für erfreulich, dass der Bund sich überhaupt bewegt". Er könne mit dieser Lösung gut leben. Auch in der bayerischen Staatsregierung ist man zuversichtlich, dass es gelingt, die Flughafen-Millionen in die zweite Stammstrecke umzulenken. "Dazu laufen Gespräche auf Bundesebene über verschiedene Wege und Varianten", sagte ein Sprecher.

Bundesfinanzministerium lehnt direkte Beteiligung ab

Der Freistaat hatte die neue Lösung ins Spiel gebracht, nachdem Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Ude mit ihren ursprünglichen Vorschlägen auf den Widerstand des Bundes gestoßen waren. Seehofer und Ude wollten das Darlehen von 491 Millionen Euro, das Bund, Freistaat und Stadt einst dem Flughafen gewährt hatten, zurückfordern und dieses Geld anschließend in den Bau der zweiten Stammstrecke stecken.

Das Bundesfinanzministerium lehnt jedoch eine direkte Beteiligung des Bundes an den Baukosten mit dem Argument ab, der Bau einer S-Bahn sei nicht Aufgabe des Bundes, sondern von Land und Deutscher Bahn. Daher könne man hierfür kein Geld aus dem Bundesverkehrswege-Etat verwenden.

Das Haus von Wolfgang Schäuble (CDU) lehnt es auch ab, einen Sondertopf im Verkehrsetat aufzustocken, der in gewissem Rahmen doch Mischfinanzierungen zulässt, also die gemeinsame Finanzierung von lokalen Verkehrsprojekten durch Bund, Länder und Gemeinden. Der Grund: Mit der Föderalismusreform I sei beschlossen worden, diese Mischfinanzierungen, bis 2019 schrittweise abzuschaffen. Gerade Bayern habe die Föderalismusreform damals vorangetrieben. Nun könne man nicht auf Wunsch des Freistaats plötzlich das glatte Gegenteil tun.

Deshalb prüft der Bund nun den neuen Vorschlag des Freistaats. In diesem Fall würde der Anteil des Bundes von127 Millionen Euro am Flughafen-Darlehen nicht in den allgemeinen Bundeshaushalt zurückfließen (und damit zur Verhandlungsmasse im Bundestag werden). Stattdessen würde dem Flughafen das Darlehen quasi erlassen, und der Airport könnte das Geld in die Stammstrecke investieren.

Noch ist unklar, in welchem Umfang der Flughafen dies darf. Allerdings hat sich die Flughafengesellschaft FMG einst schon mit 85 Millionen an der Verlängerung der S 8 ins Erdinger Moos beteiligt; weitere 20 Millionen Euro hat die FMG in einen Tunnel unter dem Vorfeld investiert, damit die S-Bahn irgendwann Richtung Freising oder Erding verlängert werden kann.

OB Ude sieht deshalb keine großen Probleme: Man müsse im Darlehensvertrag, den Bund, Freistaat und Stadt geschlossen haben, "nur ein paar Worte ändern", um das Geld für die Stammstrecke verwenden zu können. Der Unterschied zum ursprünglichen Modell, das er und Seehofer vorgeschlagen haben, liege "allein in der banktechnischen Abwicklung".

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Quelle:
SZ vom 17.10.2012
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