Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Erding:Teure Kleinteile

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Im Prozess um 4200 gestohlene Reifendrucksensoren im Wert von 259 000 Euro wird der Angeklagte zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Über seinen Anwalt legt er ein Geständnis ab.

Von Florian Tempel, Erding

Was nicht alles geklaut wird. In einem auf Autoreifenlogistik spezialisierten Unternehmen in Schwaig sind binnen eines Jahres fast 4200 Reifendrucksensoren gestohlen worden, die auf dem Papier einen Wert von 259 000 Euro hatten. Knapp die Hälfte der Sensoren wurde zwar später sichergestellt. Doch der tatsächliche Gesamtschaden blieb mit gut 136 000 Euro immer noch enorm. Ein 31 Jahre alter, ehemaliger Mitarbeiter der Reifenlogistikfirma, der die Sensoren entweder selbst gestohlen oder zumindest als Hehler weiterverkauft hatte, wurde nun am Amtsgericht Erding zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

Der durch die Diebstähle Geschädigte war der Autokonzern BMW, dem die Sensoren gehörten und die in Schwaig in Autoreifen eingebaut werden sollten. Doch für BMW scheinen die abhanden gekommenen Bauteile lediglich peanuts zu sein, was man bei einem Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 142,6 Milliarden Euro und einem Netto-Gewinn von 18,6 Milliarden Euro (2022) durchaus verstehen kann. BMW stellte in diesem Fall nicht einmal einen Strafantrag.

Der Verteidiger vertrat die Ansicht, seinem Mandanten sei es sowieso "äußert einfach gemacht worden", zum Kriminellen zu werden, da es an seinem Arbeitsort keine Vorsicht- und Überwachungsmaßnahmen gegen Diebstahl gab. Der Angeklagte sagte selbst nichts zur Tat, sondern ließ seinen Rechtsanwalt für ihn ein pauschales Geständnis abgeben. Demnach habe er die Sensoren nicht persönlich entwendet, sondern sie einem Kollegen für weniger als ein Zehntel des Listenpreises abgekauft und mit nur einem Euro Aufschlag an einem Abnehmer weiterveräußert.

Diebstahl oder Hehlerei, beides wiegt gleich schwer

Nach den Ermittlungen der Polizei war diese Version offenkundig jedoch nur zur Abmilderung der eigenen Schuld ausgedacht. Zunächst war gegen den Abnehmer ermittelt worden. Bei einer Wohnungsdurchsuchung wurden bei diesem 1600 der gestohlenen Reifensensoren gefunden. Da sie in Originalkartons verpackt waren, auf denen die Adresse des Radlogistikunternehmens stand, kam die Kripo leicht und schnell auf den Angeklagten. In seinem Keller fanden sich originale Transportboxen mit passgenauen Einlagen für die Reifendrucksensoren. Zudem wurden Chatnachrichten zwischen ihm und dem Abnehmer ausgewertet, die sich als Verkaufsgespräche und Terminabsprachen erkennen ließen. Und schließlich hatte der Angeklagte als Vorarbeiter in seiner Firma die Schlüssel für die Lagerräume und somit die Möglichkeit, die Sensoren unbemerkt zum Beispiel am Wochenende oder nachts, aus dem Haus zu schaffen.

In seinen Vernehmungen bei der Polizei hatte der Angeklagte jedoch angegeben, ein Kollege sei der Dieb gewesen, er nur der Hehler. Rechtlich gesehen machte das nicht viel aus. Ob jemand Sachen stiehlt oder gestohlene Sachen übernimmt und weiterverkauft, wiegt genauso schwer und sollte mit dem gleichen Strafmaß geahndet werden. Der Angeklagte erhielt eine Bewährungsstrafe, weil er ein Geständnis abgelegt hatte und bislang nicht vorbestraft war. Nach seinem fristlosen Rauswurf bei seiner früheren Firma ist er mit Frau und Kindern nach Polen gezogen, lebt im Haus seiner Oma und arbeitet aktuell als Fliesenleger. In seinem letzten Wort beteuerte er, dass er "einen großen Fehler gemacht" habe und nie wieder etwas anstellen wolle.

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