Süddeutsche Zeitung

Elektromobilität:Gaskonzern Linde startet Car-Sharing mit Wasserstoffautos

Lesezeit: 2 min

Von Marco Völklein, München

Wie werden sich die Münchner in Zukunft fortbewegen? Rollen sie in batterie-getriebenen Autos durch die Straßen? Oder werden ihre Fahrzeuge mit Wasserstoff betankt und die Elektromotoren in den Autos mit Strom gespeist, der von Brennstoffzellen erzeugt wird? In dieser Grundsatzfrage wird München nun zu einem Testfeld: Während die Stadt auf die batterie-gespeisten Elektroautos setzt und dazu ein 22 Millionen Euro schweres Förderprogramm aufgelegt hat, versucht der in München ansässige Gaskonzern Linde, die Brennstoffzelle voranzubringen. Im Sommer will er hier ein Carsharing-Angebot mit Wasserstoffautos starten. Es soll "zeigen, dass die Technologie soweit ist", wie Linde-Manager Andreas Wittmann sagt. Nutzer sollen die Autos ausprobieren, der Konzern wiederum will "Potenziale abschätzen und den Markt vorbereiten".

50 Fahrzeuge vom Typ Hyundai ix35 Fuel Cell will Linde in Schwabing, Haidhausen und im Glockenbachviertel anbieten. Wie bei anderen Carsharing-Anbietern sollen die Nutzer die Autos per Smartphone-App finden und buchen - und sie nach der Fahrt im jeweiligen Stadtviertel wieder am Straßenrand abstellen können.

In München liegen Batterie-Elektroautos klar vorn

Seit Jahren schon experimentieren Autohersteller mit Wasserstoffantrieben; auch Verkehrspolitiker sahen darin lange die Zukunft der Mobilität. Dann wurde es still um das Thema, zuletzt rückten Autos mit batterie-elektrischem Antrieb in den Fokus. Dass diese sich durchsetzen, halten Fachleute aber noch lange nicht für ausgemacht. "Noch ist es ein offenes Rennen", sagt Klaus Bogenberger, Verkehrswissenschaftler an der Bundeswehr-Uni Neubiberg.

In München liegen derzeit die Batterie-Stromer klar vorn: Laut Kreisverwaltungsreferat sind knapp 1400 reine E-Autos zugelassen, ihnen stehen nur 33 Wasserstofffahrzeuge gegenüber, wenngleich sich beide Antriebe bei insgesamt gut 700 000 zugelassenen Pkw und Lkw in einer überschaubaren Nische tummeln.

Die Linde-Leute glauben, dass der Wasserstoffantrieb aufholt. Denn während Batterie-Autos noch lange Ladezeiten aufweisen, lassen sich die Wasserstofftanks laut Wittmann ähnlich schnell füllen wie ein Benzintank. Zudem kämen Wasserstoff-Autos mit mehr als 400 Kilometern Reichweite weiter als die meisten E-Autos. Zwar kommt bei ihnen nur Wasser aus dem Auspuff. Umweltschützer kritisieren aber, die Energiebilanz der Wasserstoff-Autos sei miserabel: Das Kohlendioxid, das bei der Verbrennung des Wasserstoffs eingespart werde, entstehe bei der Herstellung. Wittmann entgegnet, der Wasserstoff fürs Münchner Projekt stamme voll aus nachhaltiger Produktion per Elektrolyse.

Das Problem: Bislang gibt es zu wenig Wasserstofftankstellen

Linde beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Wasserstoff. Der Konzern produziert das farblose Gas und zählt zu den größten Herstellern entsprechender Tankstellen. In München startet der Konzern im Sommer mit seinem neuen Angebot, "weil hier Carsharing schon bekannt ist", wie Wittmann sagt. So müsse man Interessenten "nur noch das Thema Wasserstoff erklären", nicht aber, wie Anmietung und Rückgabe der Autos per Smartphone funktionieren. Weitere Details, etwa zu Preisen, will Wittmann im Sommer nennen; bis Jahresende will Linde dann abschätzen, ob das Modell auf andere Städte übertragen wird.

Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Erfolg ist der Aufbau eines Tankstellennetzes. Derzeit gibt es nur eine Wasserstofftankstelle an der Detmoldstraße, eine weitere betreibt Linde in Unterschleißheim. "Wir haben ein Henne-Ei-Problem", heißt es bei Daimler. Die Stuttgarter setzen auf die Brennstoffzelle, räumen aber ein, dass es mit bundesweit etwas mehr als einem Dutzend noch zu wenige Wasserstofftankstellen gibt.

Deshalb hatten FDP, Piraten und Wählergruppe Hut im Stadtrat gefordert, München möge nicht nur die Anschaffung von E-Autos fördern, sondern auch Wasserstofftankstellen. An diesem Dienstag wird sich der Stadtrat damit befassen. Umweltreferentin Stephanie Jacobs lehnt eine städtische Förderung ab - weil der Bund dazu bereits ein Programm aufgelegt hat. Mit diesem werden laut Wittmann bis Ende 2016 zwei Tankstellen in München sowie eine im Umland errichtet.

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Quelle:
SZ vom 12.04.2016
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