Süddeutsche Zeitung

Mobilität in Zorneding:Nicht verkehrt

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Nach zweieinhalb Jahren Arbeit legt die Gemeinde Zorneding ihr lang ersehntes Verkehrskonzept vor. Die Reaktionen fallen gemischt aus und reichen von "sehr hilfreich" bis hin zu "Themaverfehlung". Einig ist man sich im Gemeinderat nur in einem: Es gibt noch viel zu tun.

Von Andreas Junkmann, Zorneding

Wenn gut Ding Weile haben will, dann müsste das Zornedinger Verkehrskonzept eigentlich ein echtes Meisterwerk sein. Rund zweieinhalb Jahre tüftelt die Gemeinde bereits an dem Papier, das die Experten der Planungsgesellschaft Stadt, Land, Verkehr (PSLV) am Dienstagabend nun offiziell vorgestellt haben. Die knapp 200 Seiten lösten bei den Lokalpolitikern allerdings recht unterschiedliche Reaktionen aus - die Urteile reichten von "sehr hilfreich" bis hin zu "Themaverfehlung". Einig war sich das Gremium lediglich darin, dass die Umsetzung der Maßnahmen noch eine ganze Menge Arbeit bedeuten wird.

Im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden im Landkreis, etwa Kirchseeon, Vaterstetten oder die Kreisstadt Ebersberg, ist Zorneding verkehrstechnisch gesehen ohnehin bereits sehr solide aufgestellt. Das verdeutlichen auch die Zahlen, die Robert Ulzhöfer und Patrick Steger vom PSLV für die Gemeinde herausgearbeitet haben. Demnach besitzt jeder Zornedinger Haushalt im Schnitt 1,4 Autos, die für die innerörtliche Fortbewegung aber oft gar nicht benötigt werden. Zwei Drittel dieser Fahrten legen die Bürgerinnen und Bürger nämlich zu Fuß oder mit dem Rad zurück - "ein sehr guter Wert", wie Ulzhöfer sagte. Auch außerorts sind viele Zornedinger nachhaltig unterwegs, denn für 22 Prozent dieser Fahrten wird die S-Bahn genutzt.

Eine der zentralen Maßnahmen ist die Sperrung der Eglhartinger Straße

Würde in der Gemeinde aber nur eitel Sonnenschein herrschen, bräuchte es kein Verkehrskonzept. Deshalb haben die Planer auch jene Punkte identifiziert, bei denen Zorneding noch Nachholbedarf hat. Die Themen sind dabei keine ganz unbekannten: Etwa die Eglhartinger Straße, die Pöring mit der Nachbargemeinde Kirchseeon verbindet. Der sogenannte Ho-Chi-Minh-Pfad wird im Landkreis gerne als Abkürzung genutzt, um vom Süden in den Norden und umgekehrt zu kommen - sehr zum Leidwesen der Anwohner in Pöring. Dort sehen die PSLV-Experten auch ein Erschließungsproblem, sollte das Eglhartinger Feld irgendwann bebaut werden. Dadurch würde der Verkehr in Pöring nicht gerade weniger werden.

Auch in Zorneding selbst gibt es rege genutzte Abkürzungsstrecken, etwa über die Bucher Straße oder die alte Bundesstraße. Vor allem dann, wenn sich auf der B304 im Berufsverkehr Rückstaus bilden, nehmen viele Pendler die Route durch das Ortsgebiet. Ein weiteres Problem sehen die Planer im Zornedinger Zentrum, das nur mit sehr schmalen Straßen erschlossen sei. In Kombination mit dem vorhandenen Nachverdichtungspotenzial könnte es hier künftig zu Engpässen kommen.

Eng ist es häufig auch in den Garagen der Gemeinde - allerdings nicht, weil dort ein Fahrzeug parkt. "Da steht alles Mögliche drin, nur kein Auto", sagte Robert Ulzhöfer, der von einer "Zweckentfremdung" sprach. Hier müsse die Gemeinde frühzeitig gegensteuern, um die parkenden Autos von der Straße wegzubekommen. Auch könne man über neuartige Parkformen nachdenken, etwa rund um den Daxenberg, wo es viele lang gezogene Garagenreihen gibt. Ulzhöfer zufolge sei denkbar, solche Garagen zweistöckig zu bauen und sogar noch Wohnraum darauf zu errichten. Eine Eigentümergemeinschaft könne dadurch einen Teil der Investition gegenfinanzieren, so der Verkehrsexperte.

Die Verkehrsexperten fordern mehr Tempo 30-Zonen im Ort

Probleme sind das eine, Lösungen das andere - deshalb haben Ulzhöfer und Kollege Steger gleich eine ganze Liste mit Empfehlungen erstellt, mit denen die Gemeinde den Verkehr am Ort in bessere Bahnen lenken könnte. Eine Maßnahme, die eine Wirkung weit über die Gemeindegrenzen hinaus haben würde, wäre die Sperrung der Eglhartinger Straße. Eine solche wird auch bei den Nachbarn in Kirchseeon immer wieder diskutiert, passiert ist bislang jedoch nichts. Ulzhöfer und Steger sind allerdings überzeugt, dass ein solcher Schritt für eine spürbare Verkehrsentlastung in Pöring sorgen würde.

Die Experten plädierten auch dafür, noch mehr Tempo 30-Zonen im Ortsgebiet auszuweisen, etwa in der Bahnhofstraße, der Anzinger Straße oder der Bucher Straße. Zudem müsse an einigen Stellen die Situation für Fußgänger und Radfahrer verbessert werden. Auch rieten Ulzhöfer und Steger dazu, bei künftigen Bauvorhaben solle man die Verkehrsanbindung gleich mitbedenken. Keine der Maßnahmen sollte aber in einer Nacht-und-Nebel-Aktion umgesetzt werden, wie Ulzhöfer sagte: "Die Leute müssen immer informiert werden, damit sie auch mitgehen." Generell sei das nun vorgelegte Verkehrskonzept als langfristiger Plan für die Zukunft zu sehen, so der PSLV-Experte. "Ich empfehle Ihnen als Gemeinderäte, sich das für die nächsten 15 Jahre als großes Poster über den Schreibtisch zu hängen."

Die anschließenden Reaktionen im Gremium ließen jedoch darauf schließen, dass nicht jeder diesem Rat folgen wird. Vor allem aus den Reihen der CSU kam harsche Kritik an dem Papier. Mit am deutlichsten wurde Stefanie Berndlmeier, die gar von einer "Themaverfehlung" sprach. Für die großen Probleme, welche die Bürger seit Jahren beschäftigen, seien in dem Konzept keine Lösungen enthalten, kritisierte sie. Dem stimmte auch Fraktionskollegin Renate Pfluger zu. Sie sitze seit 20 Jahren im Gemeinderat und die Themen seien alle schon besprochen worden - sogar mehrmals. "Ich bin schon enttäuscht", sagte sie deshalb über das Verkehrskonzept.

Franz Lenz (FWG) hielt in seiner gewohnt süffisanten Art entgegen: "Wenn wir seit 20 Jahren Bescheid wissen und sich nichts geändert hat, dann spricht das auch nicht gerade für den Gemeinderat." Er selbst wolle das Konzept jedenfalls nicht voreilig in die Tonne treten, sondern verstehe es eher als Arbeitsauftrag an das Gremium. Dieser Meinung schlossen sich auch Grüne und SPD an. "Es liegt jetzt an uns, für die Probleme Lösungen zu finden", sagte etwa Zweite Bürgermeisterin Bianka Poschenrieder (SPD). Helmut Obermaier (Grüne) schlug unterdessen vor, die Fraktionen sollen sich in den nächsten Wochen Gedanken machen, welche der Maßnahmen in dem Konzept sie für wichtig erachten und daraus eine Prioritätenliste erstellen.

Diese Idee griff auch Bürgermeister Piet Mayr (CSU) auf, der Anfang nächsten Jahres eine Klausur einberufen will, bei der über diese Prioritäten gesprochen werden soll. Jene Maßnahmen, die die Gemeinderäte dabei herausarbeiten, soll die Verwaltung schließlich mit dem Landratsamt abstimmen und in die Umsetzung bringen. Ganz allein wird die Gemeinde dabei nicht sein. Die PSLV-Planer kündigten bereits an, das Rathaus bei diesem Prozess unterstützen zu wollen - um Zorneding gemeinsam hin zu einer nachhaltigen Mobilität zu führen.

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