Süddeutsche Zeitung

Verkehr:World Wide Wald

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Wie die Gegner der Umfahrung durch den Forst haben nun auch die Befürworter einen professionellen Internetauftritt. Mit Fotos und Texten wollen sie auf die Gefahren der Forstinninger Durchfahrt hinweisen

Von Korbinian Eisenberger, Forstinning

Die Streitigkeiten dieser Welt werden ja zunehmend im Internet ausgefochten. Und im Kern ist es dort beim Zanken fast wie im richtigen Leben: Wenn der eine vorlegt, zieht der andere nach. So oder so ähnlich sahen die Überlegungen von Susanne Stimmer aus. Die 54-Jährige gehört zu einer Bürgergruppe, die sich für den Ort Forstinning eine Umgehungsstraße wünscht. Bisher hatten nur die erklärten Gegner dieser Pläne eine Internetplattform, noch dazu eine recht ansehnliche. "Das war schon ein Anreiz für uns", sagt Stimmer. Also beauftragten sie einen Bekannten, der bei einer Agentur arbeitet, er half zum Nulltarif - sodass nun auch die Verfechter der Umgehungsstraße eine schicke Internetseite haben.

Unter der Domain www.pro-ortsumgehung-forstinning-st2080.de ist sie seit einigen Tagen zu finden. Wer auf "Der tägliche Wahnsinn" klickt, findet dort eine Art Dokumentation dessen, was die Anwohner der viel befahrenen Hauptstraße durch die Forstinninger Ortsteile Moos und Schwaberwegen seit Jahren bemängeln: Transporter, die an der Bushaltestelle nahe an Kindern vorbei rauschen, Radfahrer, die auf dem engen Bürgersteig neben Lastern kaum Platz haben, ein Kleinbus, der durch eine Hecke rast und im Garten eines Nachbarn landet.

Die Fotos wirken recht abschreckend, fast schon dramatisch. Sie geben einen kleinen Eindruck von dem, was auf der Staatsstraße 2080 durch Forstinning in den vergangenen zehn Jahren alles so geschehen ist. Es gibt Zahlen vom Freistaat Bayern, die belegen, dass der Verkehr dort seit den Neunzigerjahren stetig zugenommen hat. Und es gibt Menschen, die wissen, wie es früher war. Susanne Stimmer wohnt seit 1988 neben der Straße. Damals, vor 29 Jahren, gab es noch kein Gewerbegebiet auf der Ebersberger Seite, und keine Autobahn auf der anderen. Klar, räumt Stimmer ein, die A 94 war damals schon in Planung. Da war doch abzusehen, dass der Verkehr an der Anschlussstelle Forstinning zunehmen wird. Oder? "Als wir dort eingezogen sind, haben wir so etwas nicht erahnen können", sagt sie. Konnte man das erahnen? Zumindest die Gegner der geplanten Umgehungsstraße sind dieser Meinung. Ihnen widerstrebt, dass der Freistaat und der Forstinnings Gemeinderat nun eine gut tausend Meter lange Schneise nahe der Ortsgrenzen Schwaberwegens durch den Ebersberger Forst schlagen wollen, dass der Forst erstmals seit 200 Jahren wieder für eine Straße weichen soll. Auf ihrer Webseite www.2080-forstinning.de geht es deshalb vor allem um den Schutz des Waldes, etwa weil sich im Bereich der Schneise besonders schützenswerte Tiere und Bäume befinden, heißt es im Netz, und das Forstamt hat das bestätigt. Klar ist aber auch: Viele der Gegner haben ihre Häuser am Waldrand stehen, dort, wo die Straße demnächst durch den Forst gehen soll. Es geht ihnen vielleicht um die Natur, aber wohl auch darum, dass sich der Lärm nicht zu ihnen verlagert.

Man könnte nun die Internetseiten vergleichen, ihre Argumente gegeneinander aufwiegen. Im Kern kommt man damit aber nach wie vor nicht voran. Es geht ja letztlich darum: Darf man zwei Hektar Wald abholzen und den Waldrand vom restlichen Forst abtrennen, damit ein viel befahrener Ort seine Ruhe von früher zurück hat?

Hier helfen beide Internetseiten nicht sonderlich weiter. Auch, weil entscheidende Fakten nach wie vor nicht klar sind. Etwa, wie schlimm die Verkehrszunahme und die Belastung in den beiden Ortsteilen verglichen mit anderen bayerischen Dörfern ist, wo ebenfalls über Lärm geklagt wird und Umgehungen gefordert werden. Oder: ob es für den Ebersberger Forst nicht ganz einfach verkraftbar wäre, wenn man weniger als ein Prozent der Gesamtfläche an Bäumen fällt, den Bruchteil eines Bruches. So viele Fragen, so wenige Antworten.

Susanne Stimmer kennt die Argumente, die der anderen - und ihre eigenen, die plausibel sind, und vielleicht besser als die der Umgehungs-Gegner, vielleicht aber auch nicht. "Wegen dem Lärm kann ich ab fünf Uhr früh nicht mehr schlafen", sagt sie. Ihr Mann, Schlosser, wurde mal wegen Lärmbelästigung anzeigt, doch die Polizei ließ das fallen, "weil der Straßenlärm noch lauter war", sagt sie. Ihr Mann ist gebürtiger Forstinninger, "als Kind hat er auf der Straße noch Fußball gespielt", sagt seine Frau. Klar ist, dass diese Zeiten vorbei sind, in vielen Ortschaften rund um München. Und ganz sicher auch in Forstinning.

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Quelle:
SZ vom 30.09.2017
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