Süddeutsche Zeitung

Störstoffe im Vaterstettener Biomüll:Die falsche Tonne

Lesezeit: 3 min

Seit Jahren klagen Kompostbauern über Plastik und andere Verunreinigungen in Bioabfällen. In Vaterstetten bitten sie Gemeindepolitiker jetzt erneut um Hilfe. Bisher haben sämtliche Maßnahmen gegen sogenannte Falscheinwürfe jedoch keine Wirkung gezeigt

Von Simon Groß, Vaterstetten

Eine neue Ladung Biomüll liegt auf dem Hof von Matthias Hackl. Der 36-Jährige ist einer von drei Landwirten, die den Biomüll der Vaterstettener kompostieren. Zwischen Salatresten, Eierschalen und zerquetschten Tomaten finden sich in dem Haufen auch Plastiktüten, Feuchttücher und Wattestäbchen. "Die Wattestäberl", das seien die schlimmsten, sagt Hackl, "die fallen durch jedes Sieb." Mühsam durchforstet der 36-Jährige mit einer Mistgabel den Bioabfall nach allem, was eigentlich nicht in den Biomüll gehört. Für die groben "Störstoffe" steht eine große silberne Tonne bereit. "Wenn wir mit dem Haufen durch sind, ist die bestimmt dreiviertel voll", sagt Hackl genervt. Wenn aus den Abfällen Kompost geworden ist, siebt er ihn noch zweimal maschinell.

Die Bioabfälle vom Restmüll zu trennen kostet den Landwirt nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Den unerwünschten Müll muss er getrennt entsorgen. Und am Schluss bleiben immer noch kleine Plastikteile im Kompost, der schließlich als Dünger auf die Felder gelangt - und mit ihm das Plastik. Um die Kommunalpolitik auf das Problem aufmerksam zu machen, hat Hackl die Vaterstettener Bürgermeisterkandidatin Maria Wirnitzer, Günter Lenz und Josef Mittermeier (alle SPD) auf seinen Hof eingeladen. Die Politiker sind überrascht vom Ausmaß der Verunreinigung, doch eigentlich ist das Thema nicht neu. In den vergangenen Jahren haben die Kompostlandwirte immer wieder auf die verunreinigten Bioabfälle hingewiesen, nicht nur in Vaterstetten, auch in anderen Gemeinden des Landkreises, etwa in Ebersberg. Wiederholt hat die Gemeinde im Ortsblatt die Anwohner dazu angehalten, nur organische Abfälle in den Bioabfall zu schmeißen und Schilder mit eindeutigen Hinweisen an Hausverwaltungen verteilt. Doch sämtliche Appelle an die Bevölkerung hätten bisher keine Wirkung gezeigt, beklagt Hackl. 2016 haben die Kompostbauern zusammen mit Mitarbeitern der Gemeinde grüne Tonnen kontrolliert und manche von ihnen nicht gelehrt. Aber auch das zeigte keinen nachhaltigen Effekt.

Vor allem jetzt zur Winterzeit sei die Verunreinigung der Bioabfälle immer besonders hoch, sagt Hackl. Vorsatz unterstellt er den meisten Verschmutzern aber nicht, oft gelangten Störstoffe aus Unachtsamkeit in die falsche Tonne. So zum Beispiel Plastikschnüre und Drähte, die Weihnachtskränze zusammenhalten, oder Plastiketiketten, die auf Obstschalen kleben. Und manchmal sei es schlicht Unwissenheit: In letzter Zeit gelangten immer öfter kompostierbare Plastiktüten in die grüne Tonne, sagt Hackl. Die Tüten zersetzten sich zwar, aber viel zu langsam, sodass er sie aussortieren muss.

Einen dreisten Wiederholungstäter hat Hackl jedoch der Gemeinde gemeldet, weil dieser nicht nur wiederholt große Mengen Plastik, sondern auch Unterlagen mit seiner Adresse in die Biotonne geworfen hatte. Daraufhin verhängte die Gemeinde ein Bußgeld. Doch meistens sind die Verantwortlichen nicht so leicht zurückzuverfolgen, besonders bei Wohnhäusern, in denen mehrere Bewohner die selben Tonnen benutzen. Hinzu komme, dass Anwohner mit einer Gemeinschaftstonne oft weniger sorgsam umgingen als mit einer eigenen, heißt es aus dem Vaterstettener Umweltamt. Und wenn Hackl bei Bewohnern gezielt nachfrage, hieß es immer: "Das war das Kind, der Nachbar, die Frau, der Hund", sagt der Landwirt kopfschüttelnd.

Die Folgen der nachlässigen Müllentsorgung hat ein vom Landratsamt in Auftrag gegebenes Gutachten Ende vergangenes Jahr aufgezeigt. Auf einem Feld, das mit Kompost gedüngt wurde, fanden sich deutlich mehr Plastikteile als auf einem nicht gedüngten Feld. Bodenkundler Werner Häusler, der die Böden untersucht hat, ist vom Ergebnis nicht überrascht. Zwar transportiere auch der Wind Plastikabfälle auf die Äcker, aber die unterschiedliche Belastung sei eindeutig auf den verunreinigten Dünger zurückzuführen.

Seien Partikel darunter, die mit Schadstoffen belastet sind, könnten sie bei der Zersetzung von Pflanzen aufgenommen und damit in den Nahrungsmittelkreislauf des Menschen gelangen, sagt Häusler. Dies sei heute wohl jedoch nicht mehr der Fall, betont das Ebersberger Landratsamt - im Gegensatz zu früher, als Kunststoffe noch mit Schwermetall belastet waren. Außerdem werde der Kompost regelmäßig auf Schadstoffe überprüft und habe seit 1991 die vorgegebenen Grenzwerte nicht überschritten. Gewiss eine gute Nachricht, aber leichter macht es die Arbeit von Kompostbauern wie Hackl nicht.

Also was tun? Die Gemeindepolitiker schlagen vor, die Bürger noch besser zu informieren - über einen weiteren Artikel im Gemeindeblatt, Flyer und verstärkte Aufklärung in Schulen. Auch einen runden Tisch mit Gemeindevertretern, Kompostbauern und Experten könne man sich vorstellen. Und wenn das alles nichts helfe, dann müssten eben erneute Kontrollen her, notfalls auch mit Bußgeldern. Das sei aber die "Ultima Ratio", sagt Mittermeier, nur wenn eine Verwarnung nichts helfe. Dauerhaft sei das aber nicht zu stemmen, heißt es aus dem Umweltamt der Gemeinde. Kontrollen wurden zuletzt auch in Ebersberg durchgeführt. Von insgesamt 814 kontrollierten Tonnen waren 87 verunreinigt, zwei davon ließen die städtischen Mitarbeiter stehen. Auch hier setzt man langfristig auf Aufklärung, statt auf Strafe. Und die Stadt möchte den örtlichen Handel bitten, die Biotüten aus dem Sortiment zu nehmen, sodass wenigstens sie bald aus der grünen Tonne verschwinden.

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Quelle:
SZ vom 14.01.2020
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