Süddeutsche Zeitung

Handynetz:Petition gegen Kirchseeoner Sendemasten

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Die Unterzeichner wollen nicht einen einen großen Masten bekommen - sondern mehrere kleine. Der Initiator erklärt, warum.

Von Andreas Junkmann, Kirchseeon

Wenn Gerhard Müllritter aus dem Fenster schaut, dann fällt sein Blick auf die inzwischen in die Jahre gekommene ATSV-Halle, die von außen eher wie ein großes Wohngebäude und nicht wie eine Sportstätte wirkt. Außerdem sieht er den Parkplatz mit seinem rissigen Asphalt, an dem ebenfalls der Zahn der Zeit nagt. Dieser ohnehin nicht sonderlich ergötzliche Anblick könnte nun noch um einen Aspekt reicher werden, denn die Marktgemeinde Kirchseeon will auf dem Areal einen 25 Meter hohen Mobilfunkmasten bauen. Dagegen laufen aber die Anwohner Sturm. Neben einigen Protestschreiben an das Rathaus haben sie nun auch eine Petition gestartet, die das Bauwerk in der geplanten Form verhindern soll.

"Ich bin keiner, der sagt, dass ich keinen Funkmasten will, aber trotzdem den ganzen Tag mit dem Handy rumlaufe", sagt Gerhard Müllritter. Der Initiator der Protestbewegung ist ehemaliger Geschäftsführer eines deutschen Funknetzbetreibers und kennt sich in der Materie aus. Deshalb ist sein Anliegen für einen Funkmastgegner eigentlich eher ungewöhnlich. Denn statt eines großen Funkturms auf dem ATSV-Gelände fordern Müllritter und seine Mitstreiter lieber mehrere kleinere Sendeanlagen über das gesamte Gemeindegebiet verteilt.

"Je näher man an einem Funkmasten dran ist, desto geringer ist die Strahlung", sagt Müllritter, der diesen technischen Aspekt in seiner Petition wie folgt erklärt: "Sendemasten und Empfänger (Handy) müssen sich verständigen. Je weiter die beiden voneinander entfernt sind, desto mehr müssen sie sich ,anschreien'. Die Summe der Strahlenbelastung ist somit an jedem Punkt zwischen den beiden gleich hoch. Je näher man am Masten ist, um so mehr strahlt der Mast. Je weiter man vom Masten entfernt ist, um so mehr strahlt das Handy. Wenn aber beide zusammenrücken, um so mehr können beide in ,Flüstern' übergehen und alle Beteiligten sind weniger belastet."

Nun soll die Sendeanlage an der ATSV-Halle aber eine entsprechend große Fläche abdecken. Nach Angaben der Gemeinde werde damit nicht nur die angrenzende Bebauung versorgt, sondern in erster Linie auch der Streckenbereich der Deutschen Bahn. Den Anwohnern gefallen die Pläne, die der Marktgemeinderat im April diesen Jahres beschlossen hat, aber so gar nicht. Zumal nicht nur sie selbst von der Strahlung betroffen wären. Die Hauptbelastung würde auch den Kindergarten, das Gymnasium und den Sportplatz treffen, heißt es in der Petition, die Dienstagabend online bereits mehr als 110 Unterstützer hatte. Auf gedruckten Listen sollen den Initiatoren zufolge noch 50 weitere Bürger unterschrieben haben.

Befürchtung, dass "sehr viele Mütter auf die Barrikaden gehen"

Dass es so kommen könnte, hatten manche Gemeinderäte bei der Sitzung vor drei Monaten bereits geahnt. Benjamin Kirmeier (SPD) etwa befürchtete, dass wegen der direkten Nachbarschaft zum Sportzentrum "sehr viele Mütter auf die Barrikaden gehen" werden. Der Mast an diesem Standort sei "natürlich nicht der Brüller". Dennoch sprach sich das Gremium damals bei zwei Gegenstimmen für den Bau aus.

Der Knackpunkt im Kirchseeoner Fall ist, dass die Gemeinde zwar die Fläche zur Verfügung stellt, mit dem eigentlichen Bauvorhaben aber nichts mehr zu tun hat. So lange sich der Netzbetreiber an die Richtlinien des Bebauungsplanes hält, kann er den Masten nach seinen Vorstellungen errichten - und das bedeutet dann meistens, so groß wie möglich. Denn hier läuft die Rechnung genau in die andere Richtung: Während die Protest-Initiatoren viele kleinere Masten wollen, bauen Netzbetreiber, um Kosten zu sparen, lieber weniger, aber dafür größere Sendeanlagen. Und aus rechtlicher Sicht spricht am ATSV-Gelände nichts dagegen, denn es gibt dort keinen Bebauungsplan, der die Höhe begrenzen würde.

Die Unterstützer des Protestschreibens fordern deshalb die Marktgemeinde dazu auf, einen Bebauungsplan zu erstellen, der generell die Errichtung hoher Funkmasten in der gesamten Gemeinde verhindern, und im Umkehrschluss die Netzbetreiber zu niedrigen Funkleistungen zwingt.

Daran, dass sich das Thema so einfach lösen lässt, hegt Bürgermeister Udo Ockel (CSU) so seine Zweifel. "Da gibt es noch viele Fragen zu klären. Das kann ich jetzt noch nicht abschließend bewerten." Zumal dem Rathauschef zufolge die Mietverträge mit dem Netzbetreiber bereits unterschrieben sind. Die Belange der Anwohner will Ockel trotzdem ernst nehmen, Versprechungen kann und will er allerdings keine machen. "Wir müssen jetzt schauen, welche Möglichkeiten es gibt." Dennoch betont der Bürgermeister erneut, dass man sich in der Gemeinde den Standort am Sportgelände sehr wohl überlegt habe, "aber mir war klar, dass das nicht jedem gefällt".

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Quelle:
SZ vom 03.07.2019
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