Süddeutsche Zeitung

Neue Problemstelle:Autos müssen in Grafing umdrehen, weil die Warnschilder fehlen

Lesezeit: 3 min

In Grafing ist die Ortsdurchfahrt auf der Münchener Straße seit Dienstag komplett gesperrt. Viele Autofahrer sind verärgert.

Von Korbinian Eisenberger, Grafing

Der Lastwagenfahrer Jürgen Czok kommt gerade vom Edeka in Haidling, im südlichen Teil der Stadt Grafing. Seine Route würde jetzt zum Getränkemarkt am anderen Stadtende. Czoks Lkw steht jetzt aber mitten in Grafing auf der Straße, und der 50-Jährige steht daneben. Links die OMV-Tankstelle, hinter ihm wenden Autos - und vor ihm eine Baustelle. Er nimmt es locker, die Sonne scheint ja, und es gibt Schlimmeres. "Die Grafinger sind schon lustig", sagt er, Czok kommt aus Neuburg an der Donau. "Wie soll man denn schmecken, dass die Durchfahrt versperrt ist?" Dann steigt er auf den Fahrersitz. Irgendwie muss der Wimmer seine Bier- und Kracherl-Kisten trotzdem noch bekommen.

Grafing hat seit Dienstag einen neuen Hotspot: Mitten im Ort ist die Durchfahrtsstraße in die Nachbarstadt komplett gesperrt. Wer mit dem Auto von Grafing nach Ebersberg oder zurück will, muss eine Route über die Ostumfahrung nehmen. Noch bis einschließlich Montag kommender Woche sind die Bauarbeiter am Werk, länger nicht, das erklärt die Stadt Grafing auf ihrer Webseite und in einer Facebook-Meldung. "Wegen Erschließungsarbeiten des Baywa-Geländes" auf der Münchener Straße, heißt es darin - Bauarbeiten im Auftrag der Stadt Grafing also. "Die Umleitung erfolgt über die Bahnhofstraße und Bernauer Straße." Das Problem daran: Nicht jeder hat diese Information rechtzeitig bekommen.

Das sieht man am Mittwoch recht deutlich: Zwölfeläuten in Grafing, die Bauarbeiter holen sich Brotzeit, der Bagger steht still. Davor und dahinter ist dafür reichlich Bewegung. Alle paar Sekunden nähert sich ein Auto, ein verwunderter Blick durch die Windschutzscheibe, dann wird schnell klar, dass hier nichts weiter geht.

Wenn am Kapser Berg ein Umleitungsschild stehen würde, wäre alles halb so schlimm

So geht es auch Franz Werner, er hat die Route über den Kapser Berg nach Grafing gewählt, das ist ja seit einigen Monaten wieder erlaubt und sehr beliebt. Jetzt muss er umdrehen und einen Schleichweg suchen. Oder ganz zurück nach Ebersberg und dann auf die Ostumfahrung. "Wenn sie bei der Auffahrt zum Kapser Berg ein Schild hinstellen, wäre das Problem gelöst", sagt er, dann könnte man frühzeitig umdrehen. Zwischen Ebersberg und Grafing steht aber kein solches Schild. Anders als auf der Ausweichstrecke, dort kommt das erste Umleitungsschild auf der Ostumfahrung.

Warum macht man es den Autofahrern in Grafing und Ebersberg nicht leichter? Gerade jetzt, wo hier ohnehin wieder Staus und Umleitungen anstehen. Die Seeschneider Kreuzung Richtung Kirchseeon wird ja gerade zu einem Kreisverkehr umgebaut, deswegen ist die dortige Durchfahrt für drei Monate gesperrt. Nachfrage bei der Grafinger Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). Wieso jetzt? Warum diese Beschilderung? Obermayr erklärt am Mittwochnachmittag, dass derartige Bauarbeiten sich für Ferienzeiten wie jetzt anböten, weil dann weniger Leute betroffen sind. Zur Beschilderung sagt sie, dass man nachbessern könne.

Auf der Baustelle rührt sich jetzt wieder etwas. Anton W. von der örtlichen Stromversorger-Firma steht unten in der Grube und schneidet mit einem Messer Rohrverkleidungen zurecht. Der Bagger hat beim Ausgraben die Schutzhülle eines Stromkabels beschädigt, der 36-Jährige muss das jetzt wieder richten.

"Manche Leute ärgern sich, weil sie nichts von der Baustelle wussten und sich jetzt blöd vorkommen", sagt er. Es erinnere ihn an Bauarbeiten vom vergangenen Jahr, als in Grafing mehrere Bahnübergänge gesperrt waren. Damals haben sich auch viele aufgeregt. Nur, dass die Sperrung im Frühling 2017 sieben Wochen dauerte und nicht sieben Tage.

Für Autofahrer war Grafing noch nie ein Spaß, sagt einer

Das Chaos ist diesmal überschaubarer, auch daran hat die Stadt ihren Anteil. Die Baustelle fängt kurz vor einem Anliegerweg an, sodass man dort noch mit dem Auto rein kann. An der Abbiegung steht jetzt ein Anwohner, er kurbelt das Fenster runter. "Bei uns wird jetzt für einen Tag das Wasser abgestellt", sagt er. Die Stadt habe ihn und seine Nachbarn entsprechend informiert. Halb so wild also. "Ich hoffe nur, dass es auch bei einem Tag bleibt", sagt er. Dann biegt er in den Weg ein.

Am frühen Mittwochnachmittag hat sich die Lage an der Baustelle entspannt, immer weniger Autofahrer, die mit einem rötlichen Gesichtsteint wenden müssen. Am Abend vorher ging es da noch deutlich chaotischer zu. Am einfachsten haben es an der Baustelle Menschen mit kleinerem Gefährt, zum Beispiel Radfahrer wie Markus Huber, 42 Jahre alt und seit 42 Jahren in Grafing. Sein Mountainbike passt durch die freie Lücke am Gehsteig, genau wie Rollstuhlfahrer, Skateboarder oder Fußgänger.

"Mit dem Auto durch Grafing fahren hat noch nie viel Spaß gemacht", sagt Huber, während vor ihm wieder einer umdreht. Er hoffe aber, dass sich das ändert. "Die Ostumfahrung hat schon etwas gebracht", sagt er, das spüre man im Ortskern. Mit dem neuen Seeschneider Kreisel soll es noch mal besser werden, so der Plan des zuständigen Straßenbauamts in Rosenheim. "Hoffma's, dass' stimmt", sagt Huber und schwingt sich auf sein Radl.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3990320
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.05.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.