Süddeutsche Zeitung

Beratungsangebot:Jetzt auch für immer

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Die Ergänzende unabhängige Teilberatungsstelle (EUTB) in Markt Schwaben ist eine Beratungsstelle von und für Menschen mit Behinderung. Vier Jahre stand das Angebot auf eher wackligen Beinen, weil es immer wieder befristet wurde - nun gehört es zur Regelversorgung.

Von Johanna Feckl, Markt Schwaben

Da sei zum Beispiel diese eine Frau, erzählt Rita Ruppert. Sie ist Beraterin der sogenannten Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) in Markt Schwaben, das Angebot ist Teil des Bundesteilhabegesetzes und richtet sich damit an Menschen mit einer Behinderung. Das Besondere: Alle Beratenden haben auch eine Behinderung. Die Frau nun, von der Ruppert spricht, begleitet sie schon länger. Sie lebt in einer Einrichtung für Betreutes Wohnen der Sozialpsychiatrischen Dienste und hat Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen. Aufräumen, Putzen, Wäschewaschen, Einkaufen - alles eine Herausforderung. Ihr sei völlig klar, welche Aufgaben sie zu erledigen habe, sagt Ruppert. "Aber sie wird regelmäßig von einer enormen Antriebslosigkeit übermannt." Ruppert vermutet ein Trauma in der Vergangenheit der Frau, aber so genau weiß sie das nicht. Es ist auch gar nicht wirklich relevant für das, was Ruppert tut: Sie hört der Frau zu, ganz ohne Druck. "Da sage ich dann auch mal so etwas wie: Ja, genau, das ist jetzt richtig nervig", so Ruppert weiter. Genau das ist es, was die Frau braucht, um die Alltagsarbeiten dann tatsächlich auch anzupacken.

Oft ist es nicht viel, was die Menschen brauchen, die sich an die sechs Beraterinnen und Berater der EUTB wenden. Aber für viele ist diese kleine Hilfe notwendig - manchmal ist es einfach nur ein Zuhören, wie bei der Frau aus dem Betreuten Wohnen. Andere Male ist es die Unterstützung beim Formular ausfüllen - oder um überhaupt erst herauszufinden, welche Angebote und Anträge für den individuellen Fall passend sind. "Es gibt ja sehr viele konkrete Hilfsangebote", sagt Ruppert. "Aber das System ist für viele sehr unübersichtlich und daher zunächst oft eher abweisend." Die EUTB ist dafür da, sich in dem wilden Wald an Möglichkeiten zur Unterstützung zurechtzufinden - ein begleitendes Angebot also.

Eigentlich gibt es die Beratungsstelle in Markt Schwaben schon seit Sommer 2018 - zuständig ist sie für die Landkreise Ebersberg, Erding und Freising. Bislang hieß es aber alle zwei Jahre: Projektverlängerung beantragen und schauen, ob es damit klappt. Nun aber ist das Angebot entfristet worden und gilt damit als Bestandteil der Regelversorgung. Gut so, denn die Zahl an Menschen, die zu Rita Ruppert und ihren Kolleginnen und Kollegen in die Beratung kommen, ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen.

Ein Drittel der Ratsuchenden sind Männer, zwei Drittel Frauen, meistens zwischen 40 und 60 Jahre alt. Aber es kommen auch Jüngere. 70 Prozent seien von einer seelischen oder psychischen Behinderung betroffen, schätzt Adina Cristocea. Sie ist seit 2021 Bestandteil des Beraterteams. Burnout, Depression, Zwangsstörungen - die Liste ist lang.

Häufig stehen die Menschen an einem Scheideweg in ihrem Leben, wie Cristocea weiter erzählt. Sie wollen sich beispielsweise nach einem Burnout beruflich neu orientieren. Dann geht es zum Beispiel darum: Kann ich mit 50 wirklich noch einmal einen ganz neuen Beruf ergreifen? Muss ich eine Umschulung machen? Wo beantrage ich so etwas? Was ist der Rentenversicherung zu melden? Auffallend sei, so Cristocea weiter, dass viele der Ratsuchenden, die den Wunsch nach einer beruflichen Umorientierung hegen, soziale Berufe haben: Lehrkräfte, Sozialpädagoginnen, Erzieherinnen. Seit Corona hat sich die Zahl hier noch einmal erhöht.

Überforderung ist bei vielen Ratsuchenden ein großes Thema

"Viele sind einfach von der aktuellen Situation überfordert", sagt Cristocea. Manche wüssten auch noch gar nicht so recht, wobei sie genau Hilfe benötigen, oder erkennen zwar ihr Problem, aber seien noch nicht bereit, konkret etwas dagegen zu unternehmen. Aber das macht nichts. "Wir treffen jeden da, wo er sich gerade befindet."

Es geht darum, dass die EUTB den Betroffenen eine Ansprechperson stellt. "Jeder sollte wissen, dass er sich an uns wenden kann - auch wenn er vielleicht noch gar kein konkretes Anliegen formulieren kann", sagt Rita Ruppert. Sie ist von Anfang an als Beraterin im Team tätig. Hoffnung geben, das sei ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit, so Ruppert weiter.

Und das können alle Beraterinnen und Berater der Markt Schwabener EUTB gleichermaßen. Alle im Team sind auf sehr persönliche Weise mit Behinderungen vertraut - so ist eine Kollegin blind, andere sind von psychischen Krankheiten betroffen oder haben eine seelische Behinderung. Trotzdem arbeiten sie in der Beratung, allein das ist für Ratsuchende schon ein positives Beispiel. Regelmäßig besuchen die Teammitglieder Fortbildungen, etwa im Bereich Sozialrecht, um immer auf dem aktuellen Stand zu sein. Es gibt Supervisionen und Intervisionen und auch in der Gesprächsführung können die meisten auf eine langjährige Erfahrung zurückblicken. Ruppert selbst beispielsweise arbeitet seit zwölf Jahren in der Telefonseelsorge. Kein Wunder also, dass das Beratungsangebot seit ihrem Bestehen immer mehr Zulauf bekommt.

Die Beratung der EUTB in Markt Schwaben ist anonym, kostenlos und an keine Konfession gebunden - es ist auch kein Nachweis für eine Behinderung notwendig. Zu erreichen ist das Angebot telefonisch unter (08121) 8830890 oder per Mail an eutb.ono@ospe-ev.de . Mehr Infos gibt es online .

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