Süddeutsche Zeitung

Markt Schwabener Künstler zeigen ihre Werke:Per Klick ins Fotoversum

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Die Jahresausstellung des "Camera Clubs Markt Schwaben" ist erstmals online zu sehen und führt Interessierte tief hinein in das Leben des Vereins.

Von Anja Blum

Einen tiefen Einblick geben - wie schnell ist diese Phrase hingeschrieben. Im Fall des Camera Clubs allerdings ist sie durchaus angemessen, denn die Markt Schwabener lassen die Besucher ihrer Online-Jahresausstellung wirklich hinter die Kulissen schauen. Mit Vorsicht und Kreativität habe man Corona getrotzt und sei "am Ball" geblieben, heißt es da, das passende Bild dazu liefert Christoph Keil, indem er einen jungen Torwart in Szene setzt. Und tatsächlich zeigt "Foto 2020" ungebremsten Tatendrang.

Die Ausstellung umfasst drei Bereiche: Zunächst geben die Camera-Leute einen Überblick über ihre diesjährigen Arbeiten in den unterschiedlichen Genres. Weil Corona aber den Aktionsradius begrenzte, lag es nahe, sich Motive in der Umgebung zu suchen - so ist das zweite Kapitel "Unser Markt Schwaben" entstanden. Unter der Überschrift "Club Digital" können die Besucher aber auch nachvollziehen, wie sich die Mitglieder trotz Kontaktbeschränkungen gemeinsam mit verschiedenen Themen beschäftigt haben. Mehr Einblick geht nicht.

Eigentlich sollte die Schau des Camera Clubs wie stets im Markt Schwabener Rathaus stattfinden, aber heuer ist alles anders. Also zog man ins Internet um. Die Jahresausstellung ist nun zu sehen auf der Homepage www.ccms.de, Zugang über das Plakatbild. Zwar sind keine persönlichen Gespräche möglich, doch zumindest im Gästebuch können Betrachter ihre Eindrücke hinterlassen. Außerdem hat die Online-Schau einen großen Vorteil: Sie kann nicht nur an zwei Tagen besichtigt werden, sondern steht in den kommenden Wochen jederzeit zur Verfügung.

18 Autorinnen und Autoren zeigen, welche Motive ihnen heuer besonders viel Spaß bereitet haben, wie immer war kein Thema vorgegeben. Ohnehin versteht sich der Camera-Club als ein Ensemble aus unterschiedlichen Instrumenten, die zusammen ein gelungenes Gesamtwerk vollbringen. "Was würde ein Orchester aus 18 Trompeten nützen? Es wäre nur laut." Obwohl es 2020 zahlreiche Einschränkungen gab, konnte so ein äußerst ansprechendes fotografisches Portfolio gestaltet werden. Die Jahresausstellung lässt allen Autoren Spielraum für die eigene Kreativität, deshalb findet sich hier ein abwechslungsreiches Spektrum an Bildgestaltungen: Mal sind die Farben expressiv, mal zurückhaltend, mal ist die Bildauffassung traditionell, mal experimentell. Auch das klassische Schwarz-Weiß kommt nicht zu kurz. Jede Bildstrecke wird in einem knappen Text erläutert.

Schnell wird klar, dass die Clubmitglieder trotz Corona viele Ausflüge unternommen haben, sei es in die Natur, zu Sehenswürdigkeiten oder Veranstaltungen. Christian Raab etwa hat die stattliche Walhalla und das wilde Treiben der Kirchseeoner Perchten gesehen, Erika Müller war im herbstlichen Englischen Garten und an der menschenleeren Hackerbrücke. Walter Schneider hat romanische Kirchen besucht, unter anderem Sankt Ägidius in Keferloh. Einem Klezmerkonzert hat Günther Keil gelauscht, außerdem hat er spannende Ansichten aus österreichischen Museen mitgebracht. Ebenfalls kulturell unterwegs war Claudia Topel: Beim "Jedermann" in Salzburg hat sie das faszinierende Spiel von Peter Lohmeyer als Tod dokumentiert und am Gärtnerplatztheater in München das utopische Experiment "Atlantis". Fritz Kramer steuert lebendige Jazz-Impressionen bei, außerdem zeigt er, wie mystisch die Schwäbische Alb daherkommen kann.

Eine einzigartige Landschaft porträtiert auch Max Ochsenkühn, und zwar unter dem Titel "Bayerisch-Kanada": Zwischen Wallgau und dem Sylvenstein-Stausee breitet sich die Isar zu Deutschlands letztem Wildfluss aus. Herbstliche Impressionen hat EO Kunz am Hackensee bei Dietramszell eingefangen, wohingegen Willi Rinas stimmungsvolle Panoramen aus dem Murnauer Moos, auch "Blaues Land" genannt, präsentiert, bevor er mit Bildern eines alten Bauernhofs zur Zeitreise einlädt. Einen beeindruckenden Ausblick auf die wildromantische Bergwelt der Zillertaler Alpen liefert Annegret Kawan.

Monika Pinas war fasziniert von der Stille am Staffelsee und Venedig, Gelegenheit für einzigartige Aufnahmen. Genauso erging es Robert Müller, der die Touristenhochburg bei Nacht und einen fast verlassenen Gardasee fotografiert hat. Ebenfalls in Italien war Ralf Krysiak unterwegs: Er zeigt die pittoresken Dörfer der Cinque Terre und hat sich der Blauen Stunde am Meer hingegeben. Auch am Strand saß Klaus Lüders, allerdings experimentierte er dort mit dem Weitwinkeleffekt einer Glaskugel. Walter Schneider stellt einer winterlichen Landschaft Bilder aus dem Süden gegenüber: Die eine Serie spiegele die trübe Corona-Stimmung wider, die andere das aktuelle Fernweh. Dass aber auch der heimische Garten völlig ausreicht, um spannende Motive zu finden, beweist Fritz Schauer: Vor seiner Linse posierten Vögel, allerlei Insekten und sogar Eichhörnchen.

Zu den Arbeiten der Clubmitglieder gehören aber auch Künstlerisches und Verfremdungen. Reinhold Panja spielt bei seinen Impressionen aus dem Bus mit Spiegelungen, Fritz Kramer lässt Container wie Bauklötze wirken, Günther Keil nutzt Schaufenster für Experimente mit Unschärfe, Erika Müller löst eine Ausstellung in Lichtspiele auf, Dagmar Kunz wiederum schafft gerne surreale Szenen und farbenfrohe Abstraktionen. Klaus Lüders war in der Heimat mit einem Infrarotfilter vor dem Objektiv unterwegs, EO Kunz hat Collagen aus Viren und Rentnern mit Masken komponiert und Monika Rinas Stillleben im Stile der Ölbilder von Jef Diels.

Zudem gibt es eine eigene Rubrik für Motive aus Markt Schwaben, da kann man Landschaftliches, Architektur und Natur bestaunen, vor allem der Blumengarten der Wolfmühle erwies sich dabei als sehr ergiebig. Außerdem hielt Günther Keil im Frühjahr diverse Szenen des neuen Corona-Alltags in der Marktgemeinde mit seiner Kamera fest.

Im Kapitel "Club digital" wird überdies gezeigt, wie die Mitglieder die Möglichkeiten des Internets kreativ nutzten für eine ansteckungsfreie Zusammenarbeit. Schließlich wollen sie nach wie vor "gemeinsam Freude an der Fotografie haben und sich gegenseitig Informationen aus der Praxis vermitteln". In dem "Nähkästchen" kann man nun nachverfolgen, wie sich der Club online ausgetauscht hat über Fotografierweisen (künstlerisch und abstrakt), Motivsuche (Themen wie Musik, Geschwindigkeit, Lieblingsfarbe oder Struktur) sowie Aufnahme- und Bearbeitungstechniken (Little Planet, Selective Colouring und mutiger Zuschnitt). Zu alldem finden sich hier Infos zu Theorie und Praxis, Diskussionen und Anschauungsbeispiele. Wer sich darin vertieft, wird also die Aussteller-Galerie nicht nur genießen, sondern auch ein bisschen besser verstehen können. Sprich: Ein Besuch lohnt sich.

Jahresausstellung des Camera Clubs Markt Schwaben: https://www.ccms.de/foto-2020/

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Quelle:
SZ vom 03.12.2020
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