Süddeutsche Zeitung

Maibaumfeste:2700 Halbe Bier in einer Woche

Lesezeit: 3 min

In zwei Jahren Corona-Pause wurden viele ungenutzte Maibäume zu Brennholz. Der Ebersberger Baum hingegen ist umfunktioniert und steht jetzt vor der Alten Post. Über das Comeback der Stämme und Stüberl.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Maibäume und Bierhumpen ergänzen sich seit jeher symbiotisch. Zumindest daran hat sich vor der Alten Post nichts verändert. Rund um den Maibaum sitzen Wirtshausgäste und prosten sich mit ihren Krügen zu. Wirt Thomas Binder steht in der Tür, die Gläser klirren wieder und übertönen das Läuten der Kirchturmglocke. Es ist fast wie früher. Also wie vor der Pandemie. Nur eines ist anders: Der Ebersberger Maibaum steht nicht mehr in einem Stück senkrecht auf der Platzmitte. Der weiß-blau bemalte Stamm ist nun zerteilt und neu arrangiert zu einem massiven Tisch samt Bierbänken.

Nach zwei Jahren Corona-Pause feiern die Burschenvereine und Brauereien in Bayern die Rückkehr der Maibaumfeste. Am ersten Mai-Wochenende werden im Landkreis Ebersberg neun Maibäume aufgestellt: Den Anfang machen am Samstag, 30. April die Plieninger, Egmatinger und Weißenfelder, die keine Mai- sondern Aprilbäume aufstellen. Der längste Stamm wird am 1. Mai in Glonn errichtet werden, gut 38 Meter ist er hoch. Der elfte und damit späteste Maibaum soll in Kirchseeon in die Senkrechte geschoben werden, dort wurde das Maibaumfest auf 15. Mai verschoben. Und in Ebersberg bekommt der Maibaum-Biertisch vor der Alten Post Gesellschaft: Auch hier wird am 1. Mai ein neuer Baum platziert.

Zwei Jahre lang wurden in Bayern viele Regeln aufgestellt, aber sehr wenige Maibäume. Mancher Stamm wurde nie zu seiner angedachten Zeremonie gebracht und auch nicht bemalt oder behangen. Es ist ein schwieriges Unterfangen, einen mehr als 30 Meter langen Baumstamm zwei Jahre lang so zu lagern, dass er weder fault noch austrocknet. Der Maibaum-Tüv würde aus Sicherheitsgründen sein Veto einlegen. "Wenn ein Baum zu trocken ist, ist er weniger elastisch", sagt Heinz Utschig, Leiter des Forstbetriebs Wasserburg. So steigt die Gefahr, dass er beim Aufstellen bricht. Ist das Holz faul, kann ähnliches passieren.

In Kirchseeon haben sie den Maibaum mehr als zwei Jahre lang konserviert

Kann man einen Baum so konservieren, dass er nach zwei Jahren noch als Maibaum taugt? In Kirchseeon sind sie der Ansicht, dass dies möglich ist. Dort liegt seit Anfang 2020 ein Baumstamm unter einem Hallenvordach. Der Maibaum ist entrindet, ansonsten unbehandelt. Auf der offenen Seite ist er durch Paletten geschützt, "allerdings so, dass Luft durchkommt und er nicht so schnell austrocknet", erklärt Reinhold Schätz, der Vorstand der Kirchseeoner Feuerwehr. Der Baum hätte am 1. Mai 2020 aufgestellt werden sollen - nun bekommt er seine Chance zwei Jahre und 14 Tage später. "Wegen krankheitsbedingten Ausfällen einiger wichtiger Personen", so Schätzs offizielle Erklärung, habe man die Zeremonie in Kirchseeon verschoben. Diesmal nicht um zwei Jahre, sondern nur um zwei Wochen.

Für die Burschenvereine, ihre Mitglieder und Anhänger ist 2022 das Jahr zur Rückkehr zum Wesenskern ihres Selbstverständnisses. Die Wochen und Monate vor dem 1. Mai sind in Bayern traditionell mit Terminen gefüllt, die in sogenannten Maibaumstüberln stattfinden müssen. Mal hier, mal da. Entscheidend ist, dass bei den Zusammenkünften möglichst wenig gefüllte Bierfässer oder -Tragerl übrig bleiben. Ist das - nach Corona - wieder so wie einst?

Nachfrage bei einem Mann, der so etwas ist wie die Schnittstelle von Bier und Burschen. Rico Wagner, 27, ist der Festbeauftragte der Grafinger Brauerei Wildbräu. In normalen Jahren werde die Brauerei bei drei Maibaumfesten engagiert, heuer sind es sechs. Entscheidend für den Bierabsatz sind vor allem die Wochen vorher im Maibaumstüberl. Und in diesem Jahr, dem Comeback-Jahr, da fließe das Bier in Mengen wie selten zuvor. "Die Leute haben Bock", sagt Wagner. Maibock. "Überall geht es zu."

"Power-Frühschoppen" im Maibaumstüberl

In den Dörfern um Ebersberg treffen sich Leute wieder zu sogenannten "Power-Frühschoppen", was nichts anders heißt, als bereits am Morgen eine intensive Flüssigkeitsaufnahme zu gewährleisten, wobei alkoholfreie Getränke weniger im Vordergrund stehen. Wagner berichtet von einem Maibaumstüberl, wo diese Tradition offenbar besonders Ernst genommen wird: "Ein Stüberl hat in einer Woche drei Paletten Helles weggetrunken", sagt der Wildbräu-Festbeauftragte. Das entsprich 45 Tragerl oder, so Wagner, "umgerechnet 2700 Halbe".

Dem Vernehmen nach geht es in manchen Maibaumstüberln zu wie eh und je, als wäre Corona überwunden. Im Dunstkreis der Stüberl und Feuerwehrhäuser sind auch Stimmen zu vernehmen, denen die Euphorie zu weit geht, eben weil das Virus weiter eine Bedrohung ist. In Kirchseeon etwa gehen sie es dieses Jahr "etwas ruhiger an", als bisher üblich. Keine speziellen Events wie Rum-Abende, keine Busse wie anderswo im Landkreis, damit es nicht zu eng und zu wild wird.

Die Maibäume werden trotzdem wieder aufgestellt werden. Manche dürften zwei Jahre stehen bleiben, die stabileren drei oder vier Jahre. Der Maibaum vor der Alten Post von den Binders in Ebersberg, der ist nun ein Tisch und trägt ein glänzendes Schild an der Lehne. Gestiftet vom Gebirgstrachtenerhaltungsverein Ebrachtaler Ebersberg. Von 2018 bis 2021 stand er einige Meter weiter senkrecht. Nun trägt er Gesäße samt Gefäße - und dürfte all die anderen Maibäume überdauern.

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