Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Typisierung für Lucas Weidlich: 13 Mal Hoffnung

Lesezeit: 3 min

Vor vier Jahren fand in Moosach eine große Stammzellen-Typisierungsaktion für Lucas Weidlich statt. Dem 22-Jährigen geht es heute wieder gut - und auch anderen konnte so geholfen werden.

Von Barbara Mooser

Dass irgendwo in Italien heute ein kleiner Junge mit seinen Freunden spielen kann und wahrscheinlich alles erlebt, was kleine Buben eben so erleben, hat er Isabella Cappucci zu verdanken. Aber auch ihrer besten Freundin, der Moosacher Feuerwehr und irgendwie natürlich auch Lucas Weidlich. Es ist ziemlich genau vier Jahre her, seit die Feuerwehr eine große Typisierungsaktion für den jungen Moosacher organisiert hat, der an Leukämie erkrankt war und dringend einen Stammzellenspender suchte. 2113 Menschen kamen damals nach Moosach, um eine Blutprobe abzugeben, in der Hoffnung, dem damals 18-Jährigen helfen zu können. Darunter Isabella Cappucci: "Ich war eigentlich erst nicht begeistert. Aber meine beste Freundin hat mich überredet", erinnert sie sich. Heute sagt sie: "Das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens."

Zwar stellte sich heraus, dass die heute 27-Jährige als Stammzellenspenderin für Lucas Weidlich nicht in Frage kam, doch folgte ein Jahr später dennoch ein Anruf von der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS): Ihre Werte passten zu denen jenes kleinen italienischen Jungen, von dem sie nicht mehr weiß, als dass er damals nicht älter als sechs Jahre war. Ihm konnte mit der Stammzellenspende der jungen Münchnerin geholfen werden. Auch zwölf andere schwer kranke Patientinnen und Patienten haben durch die Moosacher Typisierungsaktion ihren genetischen Zwilling gefunden und damit die Chance erhalten, ihre Erkrankung zu überwinden. Die Stammzellen von neun Männern und vier Frauen wurden laut DKMS an Patientinnen und Patienten auf der ganzen Welt vermittelt, Deutschland, Kanada, Italien, USA, Österreich, Frankreich und sogar Neuseeland.

Lucas Weidlich selbst ist keiner von ihnen, ausgerechnet für ihn war unter den 2113 Menschen, die nach Moosach gekommen waren, kein geeigneter Spender dabei. Doch auch ihm geht es heute gut. Kurz nach der Typisierungsaktion wurde eine Stammzellenspenderin in Großbritannien aufgetan. Die Operation war erfolgreich, der junge Moosacher ist wieder gesund. Alle drei Monate geht es zur Kontrolluntersuchung nach Großhadern. Das sind allerdings die Termine, vor denen die Angst vor einem Rückfall wieder größer wird, wie er erzählt.

Doch im Großen und Ganzen kann er ein einigermaßen normales Leben führen. Seine Lehre als Raumausstatter musste er zwar abbrechen, weil die körperlichen Belastungen immer noch zu groß wären und auch das künstliche Hüftgelenk, das er nach der Chemotherapie erhalten hat, das nicht mitmachen würde. Seit 2019 macht er aber eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten beim Bezirk Oberbayern, das gefällt ihm recht gut. "Es passt alles", sagt er, wenn man ihn heute fragt, wie er sich fühlt. Er hat selbst einen kleinen Text verfasst, in dem er sich an jene Tage vor vier Jahren erinnert, und in dem das Wort "Danke" sehr oft vorkommt. "Ich will mich noch mal bedanken bei allen, insbesondere bei der Freiwilligen Feuerwehr Moosach und den vielen, vielen Helfern, die mit so viel Engagement und Hilfsbereitschaft in kürzester Zeit eine so große Aktion auf die Beine gestellt haben. Es war überwältigend, was Ihr da gemacht habt! Danke an jeden, der mitgeholfen hat. Danke an jeden, der gespendet hat und eine Chance auf neues Leben gibt", schreibt er unter anderem. Er konnte zwar selbst bei der Typisierungsaktion damals nicht dabei sein, aber dass er so im Mittelpunkt des Interesses stand, habe ihn nicht gestört, erinnert er sich: "Das hat mir eher geholfen, das alles zu verarbeiten."

Isabella Cappucci, die so skeptisch nach Moosach gefahren war, hofft heute, dass noch viele Menschen ihrem Beispiel folgen und sich als Stammzellenspender registrieren lassen. Für sie selbst war der Eingriff nicht schlimm, sagt sie: "Leichte Schmerzen, ein bisschen benebelt", so habe sie sich danach im Aufwachraum in einer Nürnberger Klinik gefühlt, wo ihr aus dem Beckenkamm Knochenmarkzellen entnommen worden waren. Zwei Jahre nach der OP war sie für andere Spenden geblockt, um notfalls dem italienischen Buben bei einem Rückfall nochmals helfen zu können, nötig war das aber nicht. "Ich würde es wieder tun und freue mich, dass meine Freundin damals so hartnäckig war", sagt sie.

Für die DKMS und ähnliche Organisationen, etwa die Stiftung Aktion Knochenmarkspende Bayern (AKB), sind groß angelegte Typisierungsaktionen wie die in Moosach sehr wichtig. Weil Corona-bedingt im vergangenen Jahr so etwas nicht möglich war, sei die Zahl der neu registrierten Stammzellenspender um etwa 30 Prozent zurückgegangen, erläutert Andrea Autenrieth, Teamleiterin im Bereich Spenderneugewinnung bei der DKMS. Spendenwillige können sich aber online registrieren lassen und bekommen ein Set für einen Wangenabstrich zugeschickt. Auch momentan wartet wieder ein junger Mensch aus dem Landkreis Ebersberg sehnlichst auf einen passenden Spender: die zwölfjährige Alicia aus Poing, die an einer sehr seltenen Form von Blutkrebs leidet. Für sie hat die AKB nun eine Online-Spendenaktion organisiert.

Nähere Informationen zur Spendenaktion der AKB für Alicia gibt es unter https://akb.de/alicia-12-sucht-dringend-einen-stammzellspender/. Wer sich über die Spendenmöglichkeiten bei der DKMS informieren will, hat hier die Möglichkeiten dazu: https://www.dkms.de/de/spender-werden

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Quelle:
SZ vom 08.03.2021
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