Süddeutsche Zeitung

Vaterstetten:Abschied vom Millionen-Zuschuss für Umfahrung

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Damit ist vielleicht auch das Projekt an sich vor dem Scheitern.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Erneut ist in der Großgemeinde ein Millionenverlust zu beklagen. Nachdem Vaterstetten einen Teil seiner Rücklagen - im schlechtesten Fall bis zu 5,5 Millionen Euro - im Zuge der Pleite der Greensill-Bank abschreiben muss, geht es diesmal um rund 4,5 Millionen Euro. So hoch ist der Anteil, welchen der Investor des Gewerbegebietes Parsdorf II eigentlich für den Bau der Umfahrung Weißenfeld-Parsdorf beisteuern sollte. Doch daraus wird nun nichts, in der jüngsten Sitzung des Straßen- und Bauausschusses wurde dieser Zuschuss still und leise zu den Akten gelegt.

Die neue Straße, welche die Ortschaften im nördlichen Gemeindegebiet vom Berufsverkehr entlasten soll, ist nicht nur eines der größten, sondern wohl auch das umstrittenste Projekt auf der Vaterstettener Agenda. Im Gemeinderat gab es zwar in den vergangenen Jahren stets eine Mehrheit für die Fortsetzung des Vorhabens - aber auch äußerst kontroverse Debatten dazu. Die Positionen sind kurz zusammengefasst folgende: CSU, FDP und SPD argumentierten damit, dass man den Bewohnern der nördlichen Gemeindeteile nicht seit Jahren Gewerbegebiete vor die Haustüren bauen könne, ohne dass es eine Verkehrsentlastung gibt. Grüne, Freie Wähler und die später in der AfD aufgegangene FBU monierten die hohen Kosten sowie den großen Flächenverbrauch und stellten den Nutzen des Projektes an sich in Frage.

Ein Grund, warum die Befürworter das Projekt so vehement weiterverfolgten, ist auch, dass für seine Finanzierung ein Zeitlimit gilt: Den Zuschuss des Investors gibt es nur, wenn der nördliche Abschnitt der Umfahrung bis Ende 2023 "unter Verkehr" ist - also nicht nur gebaut, sondern auch abgenommen und dem Landkreis, dessen Kreisstraße er ersetzen soll, übergeben wurde. Bislang war der Plan, eben diesen Abschnitt zuerst zu errichten, um die 4,5 Millionen einstreichen zu können. Laut Zeitplan hätte man indes dazu heuer schon mit dem Bau beginnen müssen, 2025 wäre dann der letzte Abschnitt, die Schleife rund um Weißenfeld, fertiggestellt worden.

Im aktuellen Straßenbauprogramm der Gemeinde Vaterstetten liest sich der Abschnitt zur Umgehung indes ganz anders: Der Bau der Straße wird "verschoben auf 2024 bis 2027". Auch der Grund dafür wird genannt: Es sind derzeit noch acht Klagen vor dem Verwaltungsgericht gegen den Planfeststellungsbeschluss anhängig. Die Kläger sind Grundstückseigentümer, die ihre Flächen nicht an die Gemeinde verkaufen wollen - weshalb diese mit Besitzeinweisung droht. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine Enteignung, wie einige Betroffene schon einmal öffentlich beklagten, aber um einen Zwangsverkauf. Das Gericht muss nun darüber befinden, ob das öffentliche Interesse durch den Bau der Umfahrung die Nachteile der Grundeigentümer aufwiegt.

Über den Bau der Straße entscheidet ein Gericht

Wann diese Entscheidung aber fällt, ist nach wie vor offen, wie Bauamtsleiterin Brigitte Littke in der Sitzung des Ausschusses erklärte, weshalb man für das Projekt auch nicht wie in den vergangenen Jahren ein Budget im Straßenbauprogramm einrichte. Allerdings konnte man dieses - gedacht für Planungskosten - auch im laufenden Jahr wegen der Klage nicht ausgeben, so dass 250 000 Euro einfach von 2021 auf 2022 übertragen werden können. Was im Ausschuss keinen Widerspruch erfuhr - tatsächlich war die Abstimmung über das Straßenbauprogramm so harmonisch wie selten: Weil keine neuen Mittel für die Umgehung eingestellt wurden, konnten auch deren Gegner dem Straßenbauplan zustimmen.

Was ihnen vermutlich auch darum leicht fiel, weil im Kleingedruckten drei Wörter stehen, welche die Umfahrung zumindest ein gutes Stück weniger wahrscheinlich machen. Beim Punkt Kostenschätzung wird der Bau der neuen Straße auf rund 33,1 Millionen Euro taxiert. Den Anteil, welche die Gemeinde nach Abzug der Förderung und des Landkreis-Beitrages zahlen muss, schätzt man auf 20,4 Millionen "ohne Finanzierungsbeitrag Investor". Thematisiert wurde dies indes nicht in der Sitzung - wohl nicht zuletzt darum, weil auch unter den Befürwortern der neuen Straße bislang immer betont wurde, ohne den Investorenzuschuss sei die Umgehung nicht finanzierbar.

Insgesamt ist das Budget für 2022 schlank

Stattdessen freuten sich die Ausschussmitglieder über das ausnehmend schlanke Straßenbau-Budget für 2022. Denn in den vergangenen Jahren galt als Richtwert für den Finanzierungsbedarf Straßenbau eine Summe von 1,5 Millionen Euro. Kommendes Jahr wird man voraussichtlich nur 1,02 Millionen ausgeben - was natürlich auch am fehlenden Ansatz für die Umfahrung liegt. Größtes Einzelprojekt ist die Enzianstraße, deren Sanierung soll etwa eine Dreiviertelmillion kosten. Für sonstige Straßenbaumaßnahmen ist ein Budget von 180000 Euro vorgesehen, mit 10000 Euro wird der Klimapfad in Parsdorf fertiggestellt, 30000 gibt es für die Verbesserung der Radwege.

In dem Zusammenhang wollte David Göhler (Grüne) wissen, was aus dem interkommunalen Projekt "schneller Radweg" geworden sei. Dieser soll entlang der Bahn München mit dem Umland verbinden, Vaterstetten hat, wie mehrere Nachbargemeinden, das Vorhaben zwar grundsätzlich begrüßt, aber noch keine konkreten Maßnahmen beschlossen. Auch das Thema Mobilitätsmanager solle man bald angehen, so Göhler - eine solche Stelle hatte der Gemeinderat zwar bereits im vergangenen Jahr beschlossen, angesichts der finanziellen Unsicherheit wegen Corona bislang indes nicht besetzt.

Beide Punkte seien voneinander abhängig, sagte Littke: Sobald der Mobilitätsmanager anfange, könne man sich um den schnellen Radweg kümmern. Da es für die Stelle aber Fördergeld vom Bund gibt, dürfe man sie erst besetzen, wenn der entsprechende Bescheid da ist. In Verbindung mit dem aktuell schwierigen Stellenmarkt, werde es wohl Ende 2022 oder Anfang 2023, bis es einen Mobilitätsmanager im Rathaus gebe.

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