Süddeutsche Zeitung

Radweg nach Purfing:Verhandlung und Verpflichtung

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Die Gemeinde Vaterstetten könnte unwillige Grundstücksbesitzer zum Verkauf zwingen, um einen Radweg bauen zu können. Die Risiken sind allerdings nicht unerheblich.

Kommentar von Wieland Bögel

Der Schutz des Eigentums ist zumindest in Demokratien sehr hoch gehängt, meist steht er in der Verfassung neben anderen Schutzgütern wie Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit. Auch hierzulande ist das so, allerdings gilt dieser Schutz nicht absolut. Im Grundgesetz gibt es neben dem berühmten Satz "Eigentum verpflichtet" die Bestimmung, dass Enteignungen "zum Wohle der Allgemeinheit" zulässig seien. Darauf könnte sich beispielsweise die Gemeinde Vaterstetten berufen, wenn es um Grundstücke für den Radweg nach Purfing geht: Das Wohl derer, die dann nicht mehr auf der gefährlichen Straße radeln müssen, wiegt schwerer als der Unwille einiger Grundbesitzer, einen sehr überschaubaren Teil ihrer Flächen an die Gemeinde zu verkaufen. Besser für alle Beteiligten wäre es indes, wenn es dazu gar nicht erst käme.

Denn natürlich schafft auch eine juristisch einwandfreie Enteignung nicht unbedingt gute Stimmung im Ort - was dem Bürgermeister wohl auch klar ist. Schließlich hat Leonhard Spitzauer zwar die Besitzeinweisung ins Gespräch gebracht, aber quasi im selben Atemzug darauf hingewiesen, dass nahezu alle der strittigen Grundstücke im Besitz von Leuten seien, die nicht am Ort wohnten. Trotzdem ist es für das Bild der Gemeinde nicht unbedingt förderlich, wenn man Personen - und seien es auch Auswärtige - zwangsweise von ihrem Besitz trennt.

Was - und das ist der andere Grund, der gegen die Besitzeinweisungen spricht - kein ganz einfacher Vorgang ist. Damit beispielsweise ein Grundstück gegen den Willen des ursprünglichen auf einen neuen Besitzer übergeht, ist ein längeres Verfahren nötig. Im konkreten Fall muss zuerst ein Kauf- oder Tauschangebot unterbreitet werden. Bleiben diese Verhandlungen erfolglos, muss die Gemeinde zunächst eine Bauleitplanung erstellen, die dann Grundlage für das eigentliche Enteignungsverfahren ist. Dieses ist nicht nur langwierig - es kann sich über mehrere Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit hinziehen -, sein Ausgang ist auch offen, da es keine feste Definition gibt, wann ein enteignungswürdiges Allgemeinwohl vorliegt.

Ebenfalls offen ist die Frage, wie teuer das Ganze die Gemeinde am Ende kommt, denn selbstverständlich müssen die ehemaligen Eigentümer angemessen entschädigt werden - auch dazu, was angemessen ist, gibt es keine konkreten Richtlinien im Gesetz, lediglich der Verkehrswert darf nicht unterschritten werden. Die Gemeinde kauft im Falle eines erfolgreichen Verfahrens also ein Grundstück zu einem unbekannten Preis.

Was nicht bedeutet, dass die Gemeinde die Option der Besitzeinweisung auf keinen Fall ziehen sollte. Wenn sich am Ende zeigt, dass es an einigen wenigen Grundstücken oder sogar nur einem Grundstück hängt, ob der seit fast 20 Jahren geplante Radweg gebaut werden kann, wäre ein Enteignungsverfahren sicher sinnvoll - nur einfach und schnell wird es eben nicht werden.

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