Süddeutsche Zeitung

Ehrenamtliches Engagement:Verein und raus

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Die Awo gibt zum Jahresende zwei Ortsvereine auf. Dies liegt an einer Veränderung, auf die zu reagieren vielen Organisationen nicht leicht fällt.

Kommentar von Wieland Bögel

Das Vereinsmeiertum ist eine oftmals belächelte deutsche Tugend, um die es in jüngster Zeit indes nicht gut bestellt ist. Immer mehr Vereine werden aufgelöst, was manche bedauern, die meisten aber wohl schlichtweg ignorieren werden. Der Verein hat eben den Ruf der zugehörigen Meierei, viele denken dabei an die alte BRD, an Gartenzwerge, an mit Raufasertapete ausgeschlagene Vereinsheime in denen Mettigel serviert werden. Umgekehrt ist vielen Leuten aber vieles, was sich viele Vereine als ihren Zweck gegeben haben, durchaus wichtig - nur in einen solchen einzutreten eben nicht.

Das ist nun einerseits eine gute Nachricht, immerhin liegt das Vereinesterben nicht an einem allgemeinen Desinteresse am ehrenamtlichen Engagement. Zu einem solchen sind auch nach wie vor viele Menschen bereit, dies berichten Mitglieder von Vereinsvorständen seit Jahren. Geht es etwa darum, Freiwillige für eine bestimmte Aktion oder für Projekte zu finden, ist dies oft erfolgreich. Konkrete Aufgaben scheinen die Leute zu interessieren. Anders sieht es aber aus - und das ist die nicht so gute Nachricht - wenn diese Aufgabe in der administrativen Betreuung sowie der übergeordneten und längerfristigen Organisation besteht.

Überhaupt scheint das Problem mit dem Wort "längerfristig" gut umrissen, Längerfristiges, wie etwa die Mitgliedschaft in einem Verein, ist, bei aller Unterstützung für dessen Ziele, für viele abschreckend. Das mag zusammenhängen mit der geänderten Lebensführung. Viele Leute, gerade wenn sie in dem Alter sind, in dem sie für einen Verein eigentlich interessant wären, haben einfach nicht die Zeit, sich für diesen in der Art zu engagieren, wie es eigentlich nötig wäre. Also etwa als Vorstandsmitglied Veranstaltungen zu organisieren, Mitgliederlisten und Kassenbücher aktuell zu halten, Jahresberichte zu verfassen und vieles mehr. Das alles natürlich in vollster Kenntnis des Vereinsrechts, denn wenn dieses nicht eingehalten ist, haftet der Vorstand persönlich und zur Not mit dem Privatvermögen.

Weshalb es nicht verwundert und auch niemandem zum Vorwurf zu machen ist, wenn man sich eben auf diesen Teil des ehrenamtlichen Engagements nicht einlassen möchte. Nur unproblematisch ist diese Entwicklung nicht. Braucht es doch für solches Engagement immer einen administrativen Überbau: Irgendwer muss irgendwie die Organisation übernehmen. Das muss kein Verein im klassischen Sinne sein, aber wenn es niemand mehr macht, könnte es dem Ehrenamt langfristig so gehen wie den Vereinen.

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