Süddeutsche Zeitung

Kunstverein Ebersberg:Lasst uns draußen spielen!

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Zum zweiten Mal steht die Jahresausstellung unter dem Motto "Arkadien". Gesucht werden vor allem "temporäre Interventionen im öffentlichen Raum".

Von Anja Blum

Kunst, die zu den Menschen kommt. Die sich quasi im Vorbeigehen anbietet, fast aufdrängt. So könnte man das Motto der kommenden Jahresausstellung des Kunstvereins Ebersberg wohl umschreiben. Denn diese wird, wie bereits 2019, ein Festival zum Thema "Arkadien" sein - und soll diesmal noch viel öfter und deutlicher in den öffentlichen Raum hinein wirken. Sprich: Spielort ist nun nicht mehr nur die Galerie im Ebersberger Klosterbauhof, sondern der ganze Landkreis. Inhaltlich gelten die gleichen Vorgaben wie beim ersten Festival: Der Topos Arkadien als "Traum von einer besseren Welt" soll als "Plattform für aktuelle Problembewältigungen und Lösungsstrategien" verstanden werden. Nun hat der Kunstverein die Ausschreibung für die jurierte internationale Schau veröffentlicht, Einsendeschluss ist am Sonntag, 7. März. Das Festival findet dann statt vom 7. Mai bis 6. Juni - so die Pandemie es zulässt. Hauptorganisator ist wieder Peter Kees aus Steinhöring, selbst Aktionskünstler und überdies als arkadischer Botschafter unterwegs.

Für die Ausstellung gesucht werden "Interventionen, interaktive oder partizipative Projekte, die sich mit den gegenwärtigen gesellschaftlichen Prozessen auseinandersetzen". Sie können für den urbanen oder ländlichen Kontext vorgeschlagen werden, Vorhaben in der Stadt Ebersberg sind genauso willkommen wie solche für andere Orte im Landkreis. Aber auch Vorschläge für die Alte Brennerei, die Galerie des Ebersberger Kunstvereins, können eingereicht werden. Die künstlerischen Mittel sind in jedem Fall frei wählbar. Erwünscht sind aber explizit auch Beiträge, die prozesshaften oder laborartigen Charakter haben. Eingeladen sind professionell arbeitende Künstlerinnen und Künstler aller Sparten sowie Künstlergruppen. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht.

Die Bewerbungen werden von einer Jury gesichtet und ausgewählt. Diese besteht aus den Künstlerinnen und Künstlern Frenzy Höhne, Peter Kees, Luci Ott und Hans Hs. Winkler sowie der Kulturbeobachterin Tine Neumann. Über eine Einjurierung hinaus winken zwei Auszeichnungen: der mit 2000 Euro dotierte Kunstpreis der Stadt Ebersberg sowie ein Publikumspreis. Für alle Ausstellenden soll es ein Honorar geben, dessen Höhe allerdings abhängig ist von laufenden Förderverfahren. Geplant ist überdies eine Publikation, die das ganze Geschehen dokumentieren soll. Wie 2019 wird die Ausstellung nämlich als Festival konzipiert, das heißt, es soll auch diverse Veranstaltungen zum Thema geben: Vorträge, Diskussionsrunden, Filmabende, Konzerte und vieles mehr.

Der Topos Arkadien gilt als Entwurf eines unbeschwerten Daseins und begleitet die europäische Kulturgeschichte seit der Antike. Arkadien als Ideallandschaft erstmals manifestiert hat der römische Dichter Vergil in seinen Hirtengedichten, verbunden mit der Vorstellung einer friedlichen Gesellschaft. Vor allem in den Künsten hat dieses Wunschbild über die Jahrhunderte immer wieder Ausdruck gefunden. "Arkadien gilt als Sehnsuchtsziel eines sorglosen Seins, frei von zivilisatorischen Zwängen, in idealer Landschaft, in der Muße, Frieden, Liebe und Harmonie einen fruchtbaren Ort als Inbegriff vollkommenen Daseins bilden", erklärt Kees. Hinter diesem Grundgedanken stecke die politische Idee eines friedlichen Miteinanders in Wohlstand, ohne Krieg, entfremdete Arbeit und gesellschaftlichem Anpassungsdruck, aber auch ein mögliches Modell für eine gerechtere soziale Zukunft.

"In diesem Sinne kann Arkadien heute als Aufklärungsplattform verstanden werden, als Forum, das die brennenden Themen der Gegenwart zum Gegenstand hat und macht." Ob Digitalisierung, eine sich verändernde Arbeitswelt, ein rasant wachsender Kapitalismus, neu aufkommender Nationalismus, zunehmende soziale Probleme, die Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft oder der Klimawandel: All die aktuellen politischen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Umbrüche und Prozesse könnten thematisiert werden. "Wo bitte geht's nach Arkadien?"

Wer sich nun fragt, ob man mit diesem hehren Anspruch die Ebersberger Organisatoren oder die Kunst an sich vielleicht ein wenig überfordert, sei an 2019 erinnert, an das erste Arkadienfestival in der Kreisstadt. Ja, diese Art der Jahresausstellung war ein Experiment - aber es gelang bestens! Mehr als 300 Künstlerinnen und Künstler aus ganz Europa bewarben sich, die Jury wählte 36 aus. Hinzu kamen etliche Kooperationen mit anderen Institutionen, so dass der Kunstverein Ebersberg vier prall gefüllte Wochen mit mindestens 1000 Besuchern erleben durfte. In Kunst und Diskurs wurden dabei alle möglichen brennenden Themen verhandelt, auf kreative, kritische, empathische und humorvolle Weise. Es ging um Ökonomie und Konsum, Selbstoptimierung, unsere moderne Kommunikation, menschliche Behausungen, trügerische Idyllen und arkadische Träume. Da gab es ein Repair-Café und diverse interaktive Performances, es tagte ein Bürgerparlament, man konnte ein arkadische Visum beantragen und eine Achternbusch-Uraufführung erleben.

Außerdem reichte die Kunst damals schon einladend hinaus in den öffentlichen Raum: Über dem Klosterbauhof schwebte ein Astronaut, vor der Galerie stand eine Stahlskulptur, eine "Kleine Weltenachse der Aufrichtigkeit", und ein Künstler lief draußen im Kreis, stundenlang, stets zum Dialog mit Passanten bereit. Nebenan lud eine "soziale Plastik" zum Verweilen ein: ein Bar-Bus, der zum Ort der Begegnung wurde. Ja, so ist das, wenn die Kunst zu den Menschen kommt. Vorfreude ist also sicher angebracht - gerade in diesen Zeiten.

Die Bewerbung erfolgt per Mail an arkadien@kunstvereinebersberg.de. Fragen beantwortet Peter Kees per Mail an info@embassy-of-arcadia.eu oder telefonisch unter (0176) 485 3 24 40.

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SZ vom 20.02.2021
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