Süddeutsche Zeitung

Neue Statistik:Kreis Ebersberg hat immer weniger Grundwasser

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Einer Statistik zufolge wird im Landkreis Ebersberg immer weniger Grundwasser gebildet. Langfristig könnte dies Folgen haben.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Das größte Gewässer des Landkreises befindet sich gut 20 Meter unter der Oberfläche: Das Grundwasser-Aquifer, ein unterirdischer Fluss, der die Brunnen vieler Gemeinden speist und aus dem ein großer Teil der Landkreisbewohner ihr Trinkwasser beziehen. Wie bei allen Flüssen gibt es Hoch- und Niedrigwasser - letzteres im vergangenen Jahrzehnt indes immer öfter. Zumindest geht dies aus den Statistiken des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim hervor. Demnach ist die Grundwasserneubildung im gesamten Amtsbezirk insgesamt und auch im Landkreis Ebersberg zurückgegangen. Verglichen wurden die Werte der Jahre 2009 bis 2018 mit dem langjährigen Mittel der Jahre 1971 bis 2000. Mit eindeutigem Ergebnis: "Die Abweichungen sind alle negativ." (s.Kasten).

Die gute, oder zumindest nicht-schlechte Nachricht ist: "Man merkt es überhaupt nicht", sagt Ulrich Proske, Bürgermeister von Ebersberg und bis zu seinem Amtsantritt im Mai Chef der städtischen Wasserversorgung. Diese versorgt etwa 12 300 Abnehmer, privat wie gewerblich, mit insgesamt rund 2200 Kubikmeter Wasser pro Tag. Kürzlich war dies auch Thema im Ferienausschuss des Stadtrats, die Grünen hatten wissen wollen, wie sich die teilweise sehr regenarmen Sommer der vergangenen Jahre auswirken. Bislang nicht, so die Einschätzung Proskes, allerdings mache man sich schon Gedanken über die langfristige Entwicklung.

Denn, auch wenn die Pegel nicht akut sinken - "das wäre schon dramatisch" - seien die Statistiken, wie jene des Wasserwirtschaftsamts "beunruhigend". Zwar waren die vergangenen Jahre, was das Grundwasser angeht, eher durchschnittlich, die Pegel sind stabil, trotz gelegentlicher Hitzewellen. Aber es geht auch anders, wie zuletzt im Sommer des Jahres 2004, der "Glut-Sommer", wie Proske sich erinnert. Damals gab es wegen der Dürre nicht nur jede Menge Wald- und Feldbrände, auch der Grundwasserspiegel ist abgesackt, um gut einen Meter.

Genau wie weiter "flussaufwärts", in Baldham, wie Karl Seebauer vom Wasserverband berichtet. Hier seien es 2004 sogar gute zwei Meter im Vergleich zum Vorjahr gewesen. Zum Vergleich: Normale Jahresschwankungen bewegen sich im Bereich von 30, höchstens 40 Zentimetern. Seitdem seien die Pegel zwar wieder gestiegen, sagen Proske und Seebauer, was allerdings etwa sechs bis sieben Jahre gedauert habe. Und ganz langfristig sei der Pegel sehr wohl niedriger geworden, sagt Seebauer. Im Jahr 2000 begann das Grundwasser noch auf etwa 533 Meter über Meereshöhe, aktuell sind es knapp 531,9 Meter. Und das obwohl der Trend seit 2019 gesehen wieder leicht steigend sei, so Seebauer.

Die tägliche Fördermenge von rund 1000 Kubikmetern für die rund 18 000 Abnehmer - der geringere Verbrauch pro Anschluss im Vergleich mit Ebersberg ergibt sich aus dem geringeren Anteil an Gewerbe - sei aber auch mit dem etwas niedrigeren Pegel auf jeden Fall gewährleistet. Gelegentlich hilft der Wasserverband sogar dem großen Nachbarn, der Ver- und Entsorgung München Ost (Vemo).

Mit einer durchschnittlichen Fördermenge von 14 250 Kubikmetern pro Tag und genau 76 194 Abnahmestellen in den Landkreisen Ebersberg und München ist die Vemo der mit Abstand größte Wasserversorger hier. Der Brunnen der Vemo liegt bei Zorneding und nutzt das gleiche Aquifer wie Ebersberg und Baldham, sinkende Pegelstände kann darum auch Vemo-Geschäftsführer Thilo Kopmann zum Glück nicht feststellen. Zumindest nicht akut, langfristig gebe es schon den vom Wasserwirtschaftsamt festgestellten Trend.

Die Klimaveränderung mit trockeneren Sommern seien dafür nur ein Grund und für die Region wohl nicht einmal der ausschlaggebende, sagt Kopmann: "Es hängt viel mit den Nutzungsänderungen zusammen." Das langjährige Mittel der Grundwasserneubildung stamme aus einer Zeit, als es noch mehr unversiegelte Fläche im Landkreis und der Region gegeben habe.

Wenn die Flächen aber nicht mehr offen sind, weil, wo früher landwirtschaftliche Nutzung stattfand, ein Gewerbegebiet oder ein neuer Ortsteil steht, gehe eben weniger Regen ins Grundwasser. Ob und wie stark sich dieser Trend fortsetzt, darüber könne man nur spekulieren, sagt Proske. Problematisch könnte es werden, wenn der sogenannte Absenktrichter zu stark wird. Dieser entsteht, wenn die Pumpen mehr Wasser ziehen, als aus dem Aquifer nachfließt. Dann kann im schlimmsten Fall Luft in die Leitungen gelangen, Rohrbrüche könnten die Folge sein.

Eine Tieferlegung der Pumpen sei zwar möglich, allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt, sagt Proske, wenn die Grundwasserschicht insgesamt zu schmal wird, müsste man in tiefere Schichten bohren. Genau dies hatte man bei der Vemo vor einiger Zeit schon überlegt, sagt Kopmann, im Gespräch war ein Tiefbrunnen. Statt aus 20 oder 30 Meter Tiefe wie bisher, hätte würde dann das Wasser aus mehr als 200 Metern hochgepumpt. Leider, so Kopmann, sei das Projekt nicht realisiert worden, da es nicht genehmigt wurde.

Der Tiefbrunnen wäre aber nicht nur eine Absicherung, falls in Zukunft die Pegel beim Grundwasser stark sinken, er hätte auch in anderer Hinsicht nützlich sein können, er hätte zu einer Senkung des Nitratgehalts führen können, da das Wasser in tieferen Schichten weniger Nitrat enthält. Durch eine Verdünnung mit dem Tiefenwasser könnte der Wert also niedriger werden. Dieser liegt im Bereich der Vemo zwar mit etwa 19 Milligramm pro Liter weit unter dem Grenzwert von 50 Milligramm, in Baldham sind es sogar nur 16,5 Milligramm, etwas mehr sind es in Ebersberg mit 25 Milligramm. Als nitratarm gilt das Wasser aller drei Versorger dennoch nicht. So empfahl das Bundesgesundheitsamt bereits im Jahr 1986 für Babynahrung einen Wert von weniger als zehn Milligramm pro Liter.

"Wir hätten gerne weniger Nitrat", sagt Proske, das sei aber kaum möglich. Denn im Gegensatz zu anderen Regionen in Deutschland, wo vor allem die Landwirtschaft für den Nitrateintrag verantwortlich ist, ist es hier "der Fluch und Segen des Forstes", sagt Proske. Gerade unter dem Wald bildet sich viel Grundwasser. Dort wird zwar keine Gülle ausgebracht, aber es verrottet weit mehr Biomasse als auf Wiesen und Feldern. Und das macht sich bei den Nitratwerten bemerkbar.

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SZ vom 31.08.2020
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