Süddeutsche Zeitung

Konstituierende Sitzung in Kirchseeon:Des Wählers Wille

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Die Stellvertreter von Kirchseeons Bürgermeister Jan Paeplow heißen Klaus Seidinger und Andrea Oberhauser-Hainer

Von Andreas Junkmann, Kirchseeon

Ein Bürgermeister ist qua Amt zwar der mächtigste Mann in einer Gemeinde, dass ihm dadurch aber nicht automatisch jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird, musste Jan Paeplow (CSU) schon wenige Minuten nach seiner offiziellen Einführung erfahren. Der neue Kirchseeoner Rathauschef hätte gerne mit dem bisherigen Stellvertreterteam zusammengearbeitet - doch da machte ihm der auf 24 Mitglieder angewachsene Gemeinderat einen Strich durch die Rechnung. Und auch sonst wurde auf der konstituierenden Sitzung am Mittwochabend deutlich, dass der Bürgermeister bei künftigen Debatten wohl mit deutlich mehr Gegenwind zu rechnen hat, als das in der Marktgemeinde bisher üblich war.

Unüblich war mit der ATSV-Halle auch der Veranstaltungsort, an dessen Eingang Geschäftsleiter Stephan Neu bereits eine Viertelstunde vor Beginn die Besucher aus Platzmangel wieder nach Hause schicken musste. Viele Kirchseeoner wollten live dabei sein, wenn in ihrer Gemeinde nach der 18-jährigen Amtszeit von Ex-Bürgermeister Udo Ockel (CSU) eine neue Ära beginnt. Diese soll nun Jan Paeplow prägen, der vom ältesten Mitglied des Gemeinderats, Bernhard Buckl (Grüne), vereidigt wurde. Dieser ist selbst ein Neuling im Gremium, machte in seiner kurzen Einführung aber gleich auf einen besonderen Umstand in Kirchseeon aufmerksam. Der Marktgemeinderat habe keinen einzigen Vertreter im Ebersberger Kreistag. "Diesen Nachteil können wir nur durch Geschlossenheit und gute interfraktionelle Zusammenarbeit ausgleichen."

Wie sehr sich das Gremium diese Botschaft zu Herzen nimmt, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen. Schon jetzt liegt aber die Vermutung nahe, dass die Debattenkultur durchaus an Schärfe gewinnen dürfte. Ein erster Hinweis darauf war bereits die Wahl des Zweiten und Dritten Bürgermeisters. Paeplow hätte sich als Besetzung wie bisher Barbara Burgmayr-Weigt (CSU) und Klaus Seidinger (UWG) gewünscht. In diese Pläne grätschte aber sogleich die Unabhängige Wählergemeinschaft, die Seidinger in das Rennen um den Zweiten Bürgermeister schickte, in dem er sich schließlich auch mit 13 zu zehn Stimmen gegen Burgmayr-Weigt durchsetzte. Damit rückt der Bürgermeister-Kandidat, der erst in der Stichwahl den Kürzeren gegen Paeplow gezogen hatte, vom bisher Dritten zum nun Zweiten Bürgermeister auf.

Auch bei der Wahl des zweiten Stellvertreters lief es nicht ganz nach dem Geschmack des neuen Rathauschefs. Zwar trat die langjährige Gemeinderätin und CSU-Ortsvorsitzende Burgmayr-Weigt erneut an, bekam in Thomas Kroll (SPD) und Bürgermeisterkandidatin Andrea Oberhauser-Hainer (Grüne) aber starke Konkurrenz. Letztere hatte bei der Kommunalwahl im März - nach Paeplow und Seidinger - die drittmeisten Stimmen überhaupt geholt, was Fraktionskollegin Natalie Katholing auch in ihrer Wahlempfehlung betonte: "Wir sollten den Wählerwillen akzeptieren." Das sahen offenbar auch die Mitglieder des Gremiums so. Zwar konnte im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit für sich verbuchen, in der zweiten Runde setze sich Oberhauser-Hainer dann aber mit 14 zu elf Stimmen gegen Burgmayr-Weigt durch. Kroll hatte beim ersten Urnengang sieben Stimmen bekommen.

Ähnlich holprig wie die Wahl der Stellvertreter, verlief für Paeplow auch die anschließende Debatte über die Geschäftsordnung. Thomas Kroll brachte den neuen Bürgermeister mit der Bemerkung in Erklärungsnot, man sei bei der SPD enttäuscht darüber, dass ein Antrag auf die Schaffung weiterer Ausschüsse nicht zum Beschluss vorliege. Dafür sei laut Paeplow die Bearbeitungszeit zu kurz gewesen, das Thema werde aber in der kommenden Sitzung behandelt.

Vorerst soll deshalb die bisherige Geschäftsordnung weiter gelten, ehe bis Jahresende eine Neufassung erarbeitet wird. Auch an diesem Zeitplan gab es heftige Kritik aus den Reihen von SPD und Grüne, die sich eine fertige Leitlinie bereits zur Sommerpause wünschen - letztendlich aber von CSU und UWG überstimmt wurden.

Es dürfte nicht die letzte kontrovers geführte Debatte in der Marktgemeinde gewesen sein, in der man mit der neuen Bürgermeister-Ära - dank einer deutlich breiter aufgestellten Opposition - offenbar auch eine neue Leidenschaft für Diskussionen für sich entdeckt hat.

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SZ vom 15.05.2020
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