Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Markt Schwaben:Alles oder nichts

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Stichwahl in Markt Schwaben zwischen Frank Eichner und Michael Stolze: Der Sieger wird Bürgermeister, der Verlierer sitzt nicht einmal im Gemeinderat

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

Einen Vorteil hat der Bürgermeister-Kandidat Frank Eichner: Selbst im Falle einer Niederlage bei der Stichwahl wird er Stand jetzt weiter am Rathaustisch sitzen, wenn Markt Schwabens Gemeinderat tagt. Eichner, der Leiter des Bauamts, hat seinen Platz im Sitzungssaal seit fünf Jahren direkt neben dem Bürgermeister. Sollte es so kommen, dass Eichner beim Stechen am Sonntag verliert, würde er wohl weiterhin dort Platz nehmen. Eines aber wäre dann anders: Neben ihm auf dem Bürgermeisterstuhl säße nicht mehr Georg Hohmann, Eichners Vertrauter. Sondern Michael Stolze, sein Bezwinger.

Dies ist eines von drei möglichen Szenarien. Jenes, welches beiden Markt Schwabener Stichwahlkandidaten einen Platz am Rathaustisch einräumen würde. Frank Eichner von der CSU und Michael Stolze, der für SPD und Freie Wähler in die Stichwahl geht. Klar ist: Wenn der neue Bürgermeister im Mai 2020 seine erste Gemeinderatssitzung eröffnet, wird der Verlierer dieser Stichwahl nicht zum Gremium gehören. Weder Stolze noch Eichner wohnen in Markt Schwaben, weswegen sie zwar für den Posten des Rathauschefs kandidieren durften, nicht aber für den Gemeinderat. Sollte also - Szenario zwei - Michael Stolze die Wahl verlieren, kann er die Sitzungen wie bisher nur von der Gästebank verfolgen. Fehlt noch Szenario drei.

Denn natürlich stellt sich die Frage: Könnte man Bauamtsleiter unter einem Bürgermeister bleiben, gegen den man gerade einen Wahlkampf und eine Stichwahl verloren hat? Nachfrage bei Frank Eichner. "Das müssen wir dann sehen, wenn es so weit ist", sagt er am Montag vor der Stichwahl. Im ersten Wahlgang hatte Eichner mit 26,4 Prozent der Stimmen klar gegen Stolze (38,9 Prozent) verloren. Der wiederum erklärt, er halte ein klärendes Gespräch für hilfreich. Zusammenarbeit mit Eichner? "Von meiner Seite ein klares Ja." Szenario drei wird also etwas unwahrscheinlicher: Stolze wird Bürgermeister und Eichner hört als Bauamtsleiter auf.

Kann ein unterlegener Wahlkämpfer mit dem Sieger zusammen arbeiten? Diese Frage wird man sich womöglich auch in Grafing stellen, wo die amtierende Bürgermeisterin in der Stichwahl am Sonntag gegen ihren eigenen Kämmerer antritt. Im Unterschied zu Markt Schwaben aber haben Angelika Obermayr (Grüne) und Christian Bauer (CSU) bereits sechs Jahre lang miteinander gearbeitet. Eichner und Stolze kennen sich hingegen vor allem als Wahlkampfgegner. Eine Spezies, die nicht gerade für gegenseitige Zuneigungsbekundungen bekannt ist. Das zeigt sich dieser Tage auch in Markt Schwaben.

Eines eint sie: Weder Michael Stolze noch Frank Eichner wohnt mit der Familie im Ort. Beide geloben, dass sich dies mit dem Wählerauftrag ändern solle - auch hier sind Ähnlichkeiten zu erkennen. Blickt man zurück auf die vergangenen Monate, wird aber vor allem eines deutlich: wie sehr sich die beiden unterscheiden.

Eichner, 55 Jahre alt, kommt aus Schwaben und wohnt in Zorneding. Seit gut fünf Jahren arbeitet er in Markt Schwaben, leitet dort das vielleicht wichtigste Amt in der Verwaltung. Der Neubau der Grund- und Mittelschule - das Großprojekt der Gemeinde - ist auch das Projekt des Bauamtsleiters und seinen Mitarbeitern.

Michael Stolze, 49, ist in Markt Schwaben aufgewachsen und lebt mit seiner Familie seit 17 Jahren in Buch am Buchrain im Landkreis Erding. Im Ort ist er trotz seines Wegzugs vielen bekannt, nicht zuletzt weil Stolze jahrelang Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr war. Stolze arbeitet als Projektmanager für Fabrikautomaten und ist Teil der Geschäftsleitung.

Der ausgewanderte Markt Schwabener tritt nun im direkten Duell gegen den zugezogen Schwaben an. Und je länger der Wahlkampf dauert, desto deutlicher werden die Unterscheidungsmerkmale. Eichner und seine Partei erklärten bereits am 13. März, also Tage vor dem ersten Wahlgang, ihren Rückzug aus dem analogen Wahlkampf, wegen der Viruskrise wolle man aus Sicherheitsgründen nur noch im Internet um Stimmen werben. Daran hat sich die CSU dem Vernehmen nach gehalten. Stolze fuhr bis Sonntag, 22. März, wahlwerbend zweigleisig. Vergangene Woche fanden die Markt Schwabener Haushalte seine Wahlwerbe-Flyer in den Briefkästen, - und auch sonst ist Stolze haptisch präsent. Das gefällt nicht jedem.

In den Tagen nach der Kommunalwahl sah man Stolze an vorderster Front der Aktion Bürger für Bürger, mit der Vereine, Organisationen und Privatleute aus Markt Schwaben Helfer anwerben, um während der Coronakrise etwa für ältere Menschen Einkäufe und Besorgungen zu erledigen. Die CSU übt daran Kritik. Stolze, so hieß es, instrumentalisiere die Krise zu seinen Zwecken, indem er sich selbst vor den Karren spanne. Der wiederum wehrt sich gegen die Unterstellung. "Wer mich kennt, weiß, dass ich mich schon immer ehrenamtlich engagiert habe", sagt Stolze. Etwa bei Katastropheneinsätzen in Hochwassergebieten, als Gruppenführer und sechs Jahre als Kommandant. "Ich kann das und werde es nach der Wahl genauso weitermachen, egal wie es ausgeht", sagt er.

Nach außen schien der Markt Schwabener Wahlkampf bisher harmonisch. Nun, auf der Zielgeraden, werden die Ellenbogen ausgefahren. Eichner äußerte am Montag den Verdacht etwaiger fachlicher Defizite seines Kontrahenten in Verwaltungsangelegenheiten. Stolze als Bürgermeister? Es sei "als stelle eine Chemiefirma einen Bäckergesellen als Führungskraft ein", so Eichner. Stolzes Konter: Aus seiner Sicht brauche die von Eichner skizzierte Firma "keinen promovierten Biochemiker als Chef, sondern jemanden, der die hausinternen Abläufe kennt, die Produkte und die Kunden".

Die Chemie zwischen den beiden könnte also besser sein, aber auch schlechter. Stolze erklärte am Sonntag das Ende seiner Bemühungen beim Stimmenfang. "Es hat nun lange Zeit mehr als genug Wahlkampf in Markt Schwaben gegeben", postete er auf Facebook. "In diesen Tagen sind wohl andere Dinge wichtig." Die Eindämmung der Virusausbreitung also. Offen bleibt die Frage, wo Wahlkampf beginnt und wo er aufhört. Deutlicher erkennbar: Es könnte sein, dass die Mischung aus Kommunalwahl und Coronavirus für die Chemie zwischen Frank Eichner und Michael Stolze etwas zu explosiv ist.

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SZ vom 25.03.2020
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