Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Willkommen in Vaterstetten, wo die Bewohner im Schnitt älter sind als die Gebäude

Lesezeit: 1 min

Und das ist nur einer der Gründe, warum das alte Parsdorfer Rathaus schleunigst saniert werden sollte.

Kommentar von Wieland Bögel

Beim Begriff historische Gebäude denkt man an mittelalterliche Burgen, römische Villen oder vielleicht gar an die Pyramiden - aber nicht unbedingt an einen gerade 90 Jahre alten Funktionsbau. Um die Zukunft eines solchen - das Parsdorfer Rathaus - ging es nun im Vaterstettener Gemeinderat, zur Auswahl standen drei Optionen:

Teilsanierung, Generalsanierung oder Abriss. Dass die Debatte letztlich ohne Beschluss vertagt wurde, ist nicht das schlechteste Ergebnis - dieses wäre ein Abriss des alten Rathauses gewesen. Denn auch, wenn es sich weder mit Burgen, Villen oder gar Pyramiden messen kann, wäre es doch ein großer Verlust für die Ortsgeschichte Vaterstettens.

Denn die Gemeinde, die in ihrer jetzigen Form ohnehin erst seit genau 40 Jahren existiert, ist nicht gerade reich an historischer Bausubstanz. Vermutlich ist Vaterstetten eine der wenigen Kommunen, in denen der Altersdurchschnitt ihrer Bewohner über jenem ihrer Gebäude liegt.

Die meisten Häuser, die man in Baldham und Vaterstetten heute sieht, entstanden in der Nachkriegszeit, und auch diese werden bereits immer weniger: Dank Nachverdichtung und Neubauboom verändern vor allem die Ortsteile an der Bahn rasend schnell ihr Gesicht. Auch auf die Ortschaften hat diese Entwicklung längst übergegriffen, alte Bauernhöfe weichen Reihenhaussiedlungen, Industriedenkmäler wie etwa die Brennereien verschwinden nach und nach - im günstigsten Fall werden sie zur Kita oder zum Wohnhaus umgewidmet, wie in Weißenfeld und Hergolding, oder es werden wenigstens ähnlich aussehende Nachfolger gebaut, wie in Baldham.

Dies hatte die Verwaltung auch als eine Option für das Rathaus vorgeschlagen: Einen Neubau, der sich optisch am Vorgänger orientiert. Doch damit ginge erneut eines der wenigen historischen Gebäude Vaterstettens verloren. Zumal eines, das in der Vergangenheit auch eine Funktion für die ganze Gemeinde hatte und wo vielleicht tatsächlich Gemeindegeschichte geschrieben wurde.

Auch wenn die nun vorgeschlagenen Varianten für eine Sanierung noch Nachbesserungsbedarf haben, etwa bei den Kostenberechnungen, sollten die Vaterstettener in dieser Richtung weitermachen - natürlich erst, wenn es tragfähige Konzepte dazu gibt. Wichtig wäre jetzt, diese möglichst schnell zu erarbeiten und die Sanierung nicht so lange hinauszuschieben, bis das alte Rathaus wirklich nicht mehr zu retten ist.

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Quelle:
SZ vom 28.06.2017
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