Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Macht das Grafinger Volksfest endlich zu

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Grafing bekommt seine Bierzeltbesucher trotz mancher Bemühung nicht in den Griff. Es ist höchste Zeit, das Besäufnis zu stoppen.

Kommentar von Karin Kampwerth

Manchmal muss man einfach konsequent sein. Diese Erkenntnis ist der Schlüssel erfolgreicher Erziehungsratgeber, wenn es darum geht, das quengelnde Kleinkind genauso zur Ruhe wie einen ausrastenden Teenager zur Raison zu bringen. Dem Grafinger Stadtrat sei die Lektüre eines solchen Ratgebers ans Herz gelegt, sollte er einem Antrag der Wählergruppe Bündnis für Grafing (BfG) nachkommen und sich mit den Ausschreitungen auf dem Grafinger Volksfest beschäftigen.

Tatsächlich sind in Grafing Prügeleien und pubertierende Schnapsleichen mittlerweile fast so traditionell wie das Volksfest selbst. Das ist ärgerlich für die Anwohner und gefährlich für die Betroffenen. Schließlich braucht es nicht viel Fantasie dafür, sich vorzustellen, was dem jungen Mann hätte passieren können, der seinen Suff mitten auf der Straße ausschlief. Ebenso schlimme Konsequenzen hätte der Rausch eines 15-Jährigen haben können, der im Frust die Scheibe einer Firma eingeschlagen hat. Festzuhalten ist dabei: Die Polizei greift nur die schlimmsten Fälle auf. Wie viele Jugendliche ihre Alkoholvergiftung im heimischen Kinderzimmer auskurierten, kann nur gemutmaßt werden.

Es ist nicht nur eine gefühlte Wahrheit, dass es auf dem Grafinger Volksfest derber zugeht als in Vaterstetten, Poing oder Hohenlinden. Das mag daran liegen, dass Grafing das erste Fest in der Umgebung ist und es nicht nur die Jugend nach dem Winter raus zum Feiern zieht. Doch welchen Anteil haben der Wirt, Bedienungen, Security und auch die Mitarbeiter vom Jugendamt daran, dass es minderjährigen Jugendlichen immer wieder gelingen kann, sich vollaufen zu lassen, bis der Arzt kommen muss? Warum schaffen es selbst unter 16-Jährige, sich auch in Grafinger Geschäften mit entsprechenden Getränken zum Vorglühen auszurüsten? Diese Fragen müssen beantwortet werden.

Aber zurück zur Konsequenz: Es reicht augenscheinlich nicht aus, etwas mehr Sicherheitspersonal einzusetzen oder als Jugendschutzbeamter zwei Mal sieben Stunden im Bierzelt zu verbringen. Vielleicht sollte man das Volksfest ein bis zwei Jahre ausfallen lassen, bis ein schlüssig funktionierendes Sicherheitskonzept von Seiten aller Beteiligten vorliegt. Das klingt zwar wie Sippenhaft - der Schutz der Jugendlichen sollte aber darüber stehen.

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Quelle:
SZ vom 31.05.2017
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