Süddeutsche Zeitung

Katholische Kirche:Wer anklopft, dem wird nicht geöffnet

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Zwei geflüchtete Familien aus der Ukraine könnten in einer leer stehenden Dienstwohnung in der Grafinger St. Ägidius-Gemeinde unterkommen. Doch die Kirche ziert sich.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Vor Wochen hat die Grafinger Familie Kröger zwei geflüchtete Ukrainerinnen mit deren jeweils zwei Kindern bei sich zuhause aufgenommen. Zu zehnt wohnt man seither in einer Vierzimmerwohnung. Im Pfarrhaus St. Ägidius wäre mehr Platz. Doch unterkommen dürfen die Ukrainer darin trotzdem nicht. Der Helferkreis ist frustriert, die Kirche brüskiert.

Mitte März meldet sich Sanam Kröger, so erzählt sie es, das erste Mal im katholischen St. Ägidius-Pfarramt. Zwei Ukrainerinnen seien mit ihren Kindern auf der Flucht. Sie steckten in der Westukraine fest - und seien auf dem Weg nach Grafing. Ob die beiden Familien nicht vielleicht im Pfarrhaus unterkommen könnten? "Nur vorübergehend. Und natürlich mit Mietvertrag und Miete, die regelmäßig bezahlt wird."

Krögers Anruf ist kein Zufall. "Jemand hat uns erzählt, dass dort eine Dienstwohnung die meiste Zeit des Jahres leer stehen würde." Dass die Grafingerin Mitte März so plötzlich in die Geflüchtetenhilfe gerät, hängt mit ihrem Mann zusammen. Er stammt aus Kiew. Die beiden Frauen und vier Kinder, die da gerade ihr Leben in ein paar Koffer gepackt haben, sind die Frauen und Kinder zweier Kindergartenfreunde. Die Antwort aus der Pfarrei habe gelautet: "Sie wollten das prüfen." Derweil kommen die Ukrainerinnen über die Slowakei und Ungarn mit dem Zug in Grafing an - und erstmal bei den Krögers unter.

Die Grafingerin sagt, sie habe eine Bürgschaft angeboten

Darüber, wie die Kirchenverwaltung und Pfarrer Anicet Mutonkole die Angelegenheit bewerten, bleibt vieles im Unklaren. Was auch daran liegt, dass Presseanfragen schriftlich formuliert werden sollen. Und die Stellungnahme wortkarg ausfällt. "Von Seiten des Erzbischöflichen Ordinariat kam in unserem Fall die Vorgabe, die Vermietung nur vorübergehend durchzuführen und die Mietzeit maximal auf ein Jahr zu begrenzen", steht da zum Beispiel.

Auf die Aussage reagiert Kröger verwundert. Auf einen solch langen Zeitraum hätte weder sie noch die Geflüchteten abgezielt. "Wir dachten an ein paar Monate, ein halbes Jahr vielleicht." Auch eine Bürgschaft will die Grafingerin angeboten haben, erfolglos. Bei den Kontakten mit dem Pfarrbüro sei der Eindruck einer gewissen Sorge vor ausbleibenden Mietzahlungen oder Beschädigungen am Mobiliar entstanden. "Wir sind zum Beispiel darauf hingewiesen worden, dass auch noch Möbel besorgt werden müssten, weil, wenn die Unterbringung klappen sollte, die bisherigen Möbel ausgeräumt würden."

Bei Annette Katterloher und Veronika Oswald, gut vernetzt in St. Ägidius und in der Stadt mit integrem Ruf ausgestattet, entstand ein ähnlicher Eindruck. Mehr und mehr habe sich die Sache in die Länge gezogen. "Wir haben immer wieder nachgehakt", berichtet Oswald. E-Mails seien teilweise nicht beantwortet worden, Rückrufbitten auf dem Anrufbeantworter ins Leere gelaufen.

Bei Nachfragen bleibt die Kirchenverwaltung wortkarg

Kirchenpfleger Peter Rothmoser, ein Mann von nicht minder gutem Ruf in der Stadt, bittet um Verständnis für die Verzögerungen. Die der Kirchenstiftung gehörende Dienstwohnung sei zweckgebunden für Seelsorger oder pastorale Mitarbeiter vorgesehen. "Bei der Frage sind einige Gremien einzubinden", erläutert er am Telefon. "Und natürlich das Ordinariat." Grundsätzlich könne er das Ansinnen aber natürlich nachvollziehen.

Ende April, Wochen nach dem ersten Kontakt, bekommt Kröger eine kurze E-Mail aus dem Pfarramt. "Nach mehreren Rücksprachen mit dem Ordinariat und dem Landratsamt möchten wir Ihnen nun mitteilen, dass eine direkte Vermietung der vorgesehenen zweckgebundenen Wohnung an die beiden ukrainischen Frauen aus mehreren rechtlichen Gründen leider nicht möglich ist." Sollte eine nicht zweckgebundene Wohnung aus dem Bestand der Kirchenstiftung frei werden, versichert die Kirchenverwaltung, dann würde sie darüber entscheiden, "ob diese an Flüchtlinge vermietet wird".

Um welche rechtlichen Gründe es sich bei alldem handelt, darauf geht die Kirchenverwaltung auch auf SZ-Nachfrage nicht weiter ein, nur so viel: Man habe die Wohnung dem Landratsamt angeboten und einen befristeten Mietvertrag abgeschlossen. Die daraus erzielten Mieteinnahmen würden zu 50 Prozent für die pfarrliche Flüchtlingsarbeit verwendet. "Bei unserer Entscheidung haben wir uns auch von der Überlegung leiten lassen, dass die Flüchtlinge, die vom Landratsamt vermittelt werden, noch in Notunterkünften untergebracht sind und deshalb vordringlich mit Wohnraum versorgt werden müssen."

Evelyn Schwaiger, Pressesprecherin des Ebersberger Landratsamts, bestätigt, dass die Kirchengemeinde mittlerweile Kontakt mit der Behörde aufgenommen hat. Die Prüfung laufe noch, aber der Abschluss eines Mietvertrags sei nicht unwahrscheinlich. "Belegt würde die Wohnung dann über das staatliche Verteilungssystem." Das bedeute allerdings nicht, dass die Kirche nicht auch privat mit den beiden Familien einen Mietvertrag schließen könne. Hinsichtlich der Miete wären dann Sozialamt und Jobcenter im Boot. Je nachdem, ob die beiden Frauen mittlerweile Einkommen verdienten, in Form von Mietzuschüssen oder Mietübernahmen.

In einer E-Mail, die seit einigen Tagen im Grafinger Pfarrgemeinderat und der St. Ägidius-Gemeinde zirkuliert, verweist jemand aufs Matthäusevangelium, Kapitel 7: "Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet! Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet."

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