Süddeutsche Zeitung

Ehre für Altbürgermeister:Umstrittenes Ehrenbürgervotum

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Der frühere Grafinger Rathauschef Alois Kleinmaier (CSU) wird für seine Verdienste um die Stadt geehrt. Im Stadtrat sind damit allerdings nicht alle einverstanden.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Die Gemeindeordnung des Freistaats Bayern ist ein großes Werk. Weniger ihres schieren Umfangs von fünf Büchern und zusammen 122 Paragrafen wegen. Vielmehr, weil die "GO" alles rund um "die eigene Verantwortung und freie Selbstverwaltung" von Bayerns Städten und Gemeinden regelt. "Die Gemeinden können Persönlichkeiten, die sich um sie besonders verdient gemacht haben, zu Ehrenbürgern ernennen", steht im Paragrafen 16. Gezogen wird dieser allerdings höchst selten. In Grafing jahrzehntelang gar nicht, je einmal in den Jahren 2013 (Adalbert Mischlewski) und 2015 (Hermann Huber) - und dann wieder am zurückliegenden 4. Oktober.

In dieser nichtöffentlichen Sitzung, so teilte es Bürgermeister Christian Bauer (CSU) am Donnerstagnachmittag mit, fiel der Beschluss, "Herrn Altbürgermeister Alois Kleinmaier in Würdigung seiner herausragenden Verdienste um die Stadt Grafing und das Gemeinwohl, Dank und Anerkennung auszusprechen und ihn zum Ehrenbürger der Stadt Grafing b. München zu ernennen". Verliehen wird die Auszeichnung am 16. Dezember. Im Stadtrat aber, so sickerte zuletzt häppchenweise durch, war das Votum ungewöhnlich umstritten.

Der Entscheidung ging eine Kampfabstimmung voraus - und zwar eine mit Ansage

Von "zahlreichen Gegenstimmen" bis hin zu einer "knappen Sache" berichten Stadträte aus der betreffenden Sitzung. Die Bewertung scheint auch etwas davon abzuhängen, wie nah jemand Kleinmaier steht, der das Bürgermeisteramt zwischen 1972 und 1996 bekleidete - und bereits 1947, im Alter von nur 15 Jahren, als Verwaltungslehrling in den Gemeindedienst getreten war.

In anderer Sache herrscht dagegen Einigkeit: Besser, man hätte den voraussichtlichen Ausgang der Abstimmung vorher eruiert - und es sich dann nochmal anders überlegt. Eine solche Vorgehensweise gehört zum kleinen Einmaleins der Lokalpolitik. Die wenig verklausulierte Kritik geht in die Richtung von Kleinmaiers aktuellem Nachfolger, also Christian Bauer. Er ist nämlich derjenige, der den Antrag stellte.

Gerade Dinge von gewissem Nachrichtenwert dringen in Grafing meist doch nach draußen

Dies ist praktisch das einzige, was der Bürgermeister zu der Sache bestätigen will - was wiederum verständlich ist, da derartige Debatten naturgemäß in nichtöffentlicher Sitzung geführt werden. Nur gilt im Grafinger Stadtrat seit jeher eben auch: Gerade Dinge von gewissem Nachrichtenwert dringen etwas zeitversetzt eben doch nach draußen. Und ein ungewöhnlich umstrittenes Ehrenbürgervotum gehört natürlich in diese Kategorie.

Mindestens unglücklich obendrein, wie das Rathaus bei der Bekanntgabe bummelte: Vom Kleinmaier-Votum im Stadtrat bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses vergingen mehr als acht Wochen. Treibstoff für die Flüsterpost, wie Bauer als langjähriger Rathausmitarbeiter eigentlich wissen müsste.

Zumal der Bürgermeister offenbar gewarnt war. Mehrere Mitglieder des Stadtrats berichten, dass Bedenken gegen einen Ehrenbürger Kleinmaier und die Sorgen vor einer Kampfabstimmung aus unterschiedlichen Fraktionen vorgetragen worden seien. Gelegenheit dazu gab es offenbar mehrmals. Eine Verleihung an Kleinmaier sei in den vergangenen Jahren bereits öfter in nichtöffentlichen Stadtratssitzungen thematisiert worden.

Manche befürchten einen neuen Mechanismus: erst Bürgermeister - dann Ehrenbürger?

Kleinmaiers Verdienste um seine Heimatstadt seien unbestritten, habe das Credo gelautet. Alleine schon, weil der Mann sein komplettes Berufsleben im Rathaus verbrachte. Andererseits sei genau das eben auch der Unterschied zu den Ehrenbürgern Huber und Mischlewski: Der vor einigen Jahren verstorbene Hermann Huber hatte als damaliger Deutscher Botschafter in Prag maßgeblich die Ausreise von etwa 4000 DDR-Bürgern aus dem dortigen Botschaftsgarten in die Bundesrepublik verhandelt. Adalbert Mischlewski, vor wenigen Tagen 103 Jahre alt geworden, hatte die Auszeichnung als Vater der Grafinger Städtepartnerschaft mit dem französischen St. Marcellin erhalten. Und für seine jahrzehntelange Basisarbeit für Völkerverständigung und Ökumene.

Zudem treibt einige Stadträte die Sorge um den Beginn eines Grafinger Ehrenbürger-Mechanismus um: erst Bürgermeister, dann Ehrenbürger. "Wo soll man denn da beim nächsten Mal eine Grenze ziehen?", fragt ein namhaftes Stadtratsmitglied. Nach drei Amtsperioden oder schon nach zwei? Auf alle Fälle gelte die Feststellung: "Wie das jetzt alles gekommen ist, das wird weder dem Herr Kleinmaier noch einer städtischen Ehrenbürgerschaft gerecht."

Der Altbürgermeister jedenfalls scheint um die Verleihung ohnehin wenig Aufhebens zu machen. Kleinmaier lässt sich die Urkunde in kleiner Runde zuhause in der Bergstraße überreichen. Angeboten worden war ihm ein großer Empfang im festlichen Rathaussaal.

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