Süddeutsche Zeitung

Europawahl:Weniger ist mehr

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ÖDP-Politiker fordert nachhaltigeres Wirtschaften in Europa

Von Anna Horst, Markt Schwaben

Dass politische Entscheidungen in einer Demokratie immer dem Gemeinwohl dienen sollten, das wird wohl niemand bezweifeln. Wie man diese Devise aber konkret umsetzt, darüber lässt sich streiten. Für Alexander Abt, Memminger Bezirksrat und drittplatzierter auf der Bundesliste der ÖDP für die Europawahl im Mai, ist die Sache glasklar: "Damit eine politische Entscheidung dem Gemeinwohl dient, muss man drei Fragen positiv beantworten können: Dient es dem Menschen, dient es der Umwelt, dient es dem Frieden?", erläuterte Abt.

Auf Einladung von Rosi Reindl, Kreisverbandsvorsitzende der ÖDP in Ebersberg, referierte der regionale Spitzenvertreter der Partei vor kurzem im Markt Schwabener Schweiger Brauhaus zum Thema "Gemeinwohl für ein gerechtes Europa". Im Laufe des Abends sprach er aktuelle nationale, EU- und weltweite Probleme an, und führte mögliche Lösungswege aus Sicht der ÖDP vor.

"Jeder Vierte Deutsche arbeitet aktuell im Niedriglohnsektor, verdient also weniger als 10,50 Euro die Stunde", stellte Abt zu Beginn fest. Das führe nicht nur zu niedrigen Renten, sondern sei auch in Verbindung mit den steigenden Mietpreisen ein Problem. "Es kann nicht sein, dass eine Friseurin 40 Jahre lang arbeitet, aber immer nur knapp über dem Mindestlohn verdient und sich dann später von ihrer Rente noch nicht mal eine ordentliche Wohnung leisten kann", befand Abt.

Am Ende müsse in solchen Fällen immer der Staat einspringen und wiederum Zusatzleistungen zur Rente zahlen. "Dem kann man durch ordentliche Entlohnung, auch von Pflege- und Erziehungsarbeit, vorbeugen", argumentierte er. Die ÖDP fordere deshalb einen Mindestlohn von 12,50 Euro, eine Mietpreisbremse und ein sozialversicherungspflichtiges Erziehungs- und Pflegegehalt.

Auch bei der EU-weiten Umweltpolitik prangerte der Europakandidat erhebliche Missstände an. Im Jahr 2016 seien weltweit zirka 2,02 Milliarden Tonnen Müll angefallen. Ob das der Umwelt oder dem Menschen diene, müsse er schon nicht mehr fragen. Ein sehr großes Problem sehe er in intransparenten Produktionswegen von großen Unternehmen. "Ein Lösungsansatz wäre die Erstellung einer Gemeinwohlbilanz", erklärte Abt. In die Bilanz solle zum Beispiel mit einfließen, welche Arbeitszeiten und Löhne festgelegt sind, wie mit Lieferanten umgegangen wird und ob der Einkauf auf nachhaltige Weise erfolgt, fordert Abt.

Die Wirtschaftshandeln vieler großer Unternehmen wie Apple, Siemens oder Amazon diene oft nicht mehr dem Wohl der Bürger, kritisierte der Europakandidat. Ein viel diskutiertes Beispiel für unmoralisches Wirtschaften seien auch deutsche Rüstungsexporte in Länder wie Saudi Arabien oder Kriegsgebiete wie den Jemen. "Die ÖDP fordert deshalb ein bundespolitisches Programm, das Rüstungsexporte nur noch in Staaten der EU und der NATO erlaubt, gebunden an die Einhaltung menschenrechtlicher Standards", sagte Abt.

Um an dieser Stelle etwas entscheidend zu ändern, sei dringend eine von der Wirtschaft unabhängige Politik nötig, betonte Abt zum Ende seines Vortrags. Die ÖDP nehme deshalb bereits jetzt keine Parteispenden von Unternehmen entgegen. Auch ein entsprechendes Gesetz, das beispielsweise Firmenspenden und Vorstandsposten in großen Unternehmen für Mandatsträger verbiete, sei ein möglicher Lösungsweg. "Wir müssen weg vom materiellen Wirtschaftswachstumswahnsinn, denn weniger ist oft mehr", ergänzte seine Parteikollegin Reindl. Jeder einzelne könne etwas tun, zum Beispiel durch die Nutzung von Tausch-Angeboten wie Kleidertauschbörsen, Repair-Cafés oder Carsharing, das es seit einiger Zeit auch im Landkreis Ebersberg gebe.

Man müsse umdenken in Richtung Einschränkung, denn schlussendlich bedeute das für die Gesellschaft einen Gewinn und keinen Verlust, betonten sowohl Reindl als auch Abt am Ende. Zum Dank bekam der Gast aus Memmingen anschließend noch ein Brotzeitkörbchen überreicht - bestehend aus regionalen Bioprodukten natürlich.

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Quelle:
SZ vom 02.04.2019
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