Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Vor dem Kollaps

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Die Regierung von Oberbayern hat erneut die Zuteilungsquote für Flüchtlinge erhöht, der Landkreis muss nun jede Woche 30 Asylbewerber aufnehmen. Das Landratsamt wird deshalb weitere Turnhallen belegen müssen.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Der Landkreis muss künftig noch mehr Asylbewerber unterbringen. Wie Landrat Robert Niedergesäß (CSU) nun mitteilte, hat die Regierung von Oberbayern die Zuteilungsquote weiter erhöht. Statt wie bisher jede Woche 21 Flüchtlinge, werden nun wöchentlich 30 Asylbewerber im Landkreis Ebersberg ankommen und mit einem Dach über dem Kopf versorgt werden müssen. Dies dürfte nach Ansicht des Landrates nicht möglich sein, ohne auf weitere Schulturnhallen als Notquartier zurückzugreifen, wobei es inzwischen auch Überlegungen gibt, neben den Hallen der kreiseigenen Schulen auch jene im Besitz der Gemeinden zu nutzen.

Zumindest soll dies am kommenden Montag Thema auf der nächsten Bürgermeister-Dienstbesprechung sein. Man werde die Rathauschefs dann offiziell über die gestiegenen Flüchtlingszahlen informieren und um Hilfe bei der Unterbringung der Asylbewerber bitten. Die Turnhallen der Grund- und Mittelschulen, welche den Kommunen gehören, könnten zumindest für die Zeit der Sommerferien als Notunterkünfte dienen. Für die Hallen der kreiseigenen Schulen, also der Gymnasien, Realschulen und Förderzentren scheint diese Nutzung ohnehin schon so gut wie sicher. Zumindest bis zum Start des neuen Schuljahres werden einige von ihnen als Flüchtlingsunterkunft genutzt, derzeit ist dies bereits in der Ebersberger Realschule und in der Seerosenschule in Poing der Fall. Wie es danach weiter gehen soll, ist völlig unklar, denn "es gibt zur Zeit weder Container noch Traglufthallen zu kaufen."

Ein weiteres Problem ist die schleppende Bearbeitung der Asylanträge. Laut Stefanie Geisler, Leiterin der Abteilung Soziales im Landratsamt, "geht derzeit nur sehr wenig raus", zudem müsse man auch die anerkannten Asylbewerber irgendwo unterbringen, was derzeit meist in den Unterkünften geschieht. Doch noch mehr Sorgen, als der Platzmangel, bereitet im Landratsamt inzwischen der Mangel an Personal, das sich um die derzeit knapp 800 Flüchtlinge im Landkreis kümmern kann. Bereits Anfang der Woche hatte Niedergesäß in der Sitzung des Kreis- und Strategieausschusses deutliche Worte gefunden. "Unsere Mitarbeiter kommen auf dem Zahnfleisch daher", so der Landrat, eine Tatsache, auf die er am Donnerstag erneut hinwies. Man sei bei der Versorgung der Flüchtlinge mittlerweile "am Limit angelangt und die Situation verschärft sich zunehmend, wir sind an der Kapazitätsgrenze der Zumutbarkeit". Was im Übrigen nicht nur für die Landratsamtmitarbeiter sondern auch für die Ehrenamtlichen der Helferkreise gelte. "Die Frage ist, wie lange das noch so weitergehen kann, irgendwann sind die Kapazitäten erschöpft." Niedergesäß äußerte daher die Befürchtung, "dass das Ganze kollabiert".

Rasche Abhilfe schaffen könne das Landratsamt hier kaum, stellt Niedergesäß klar. Man wolle zwar mehr Personal im Bereich Asyl einstellen, alleine im kommenden Jahr würde die Behörde gerne bis zu 15 neue Stellen schaffen. Doch ob dies gelingen kann, ist fraglich. Dabei ist nicht einmal das Finanzielle das Hauptproblem, im ersten Haushaltsentwurf für 2016 sind bereits 860 000 zusätzliche Euro für Personalkosten eingeplant. Aber es gebe einfach nicht genügend Fachleute, die sich auf die Stellen bewerben. Gesucht werden vor allem Sozialpädagogen, "aber da bekommt man zur Zeit gar keine", so Niedergesäß.

Zum Jahresende könnte es aber zumindest bei den Unterkünften etwas Entspannung geben. Denn die bereits seit dem vorvergangenen Jahr geplante Unterkunft für bis zu 100 Flüchtlinge in Vaterstetten soll noch in diesem Herbst gebaut werden, übernächste Woche soll der Pachtvertrag unterzeichnet werden. "So gut wie jetzt, sah es noch nie aus", meint Niedergesäß, die grundsätzlichen Fragen, etwa ob Vaterstetten die Unterkunft auch als Obdachlosenheim nutzen darf, seien ausgeräumt.

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Quelle:
SZ vom 17.07.2015
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