Süddeutsche Zeitung

Mitten in Apersberg:Ersetzt Ebersbergs Faschingszug durch eine Armada an Schneekanonen!

Ein Schneefleck auf dem Ebersberger Rathausdach lässt den unsinnigen Donnerstag noch viel unsinniger erscheinen - und offenbart das ganze Dilemma dieses Winters.

Glosse von Korbinian Eisenberger

Der Unsinnige Donnerstag ist noch unsinniger, wenn er so unwinterlich daherkommt wie heuer. Da kann man sich den Schnee noch so sehr herbeiflehen. Oder in Nostalgie im Vorjahr schwelgen, als die Stadt Ebersberg wochenlang standesgemäß eingeschneit war. 2020 verhält sich der Winter so zurückhaltend, dass man längst nicht mehr von einer Kunstpause sprechen kann.

Kunst? Eher eine Unverschämtheit, die in einem winzigen Schneefleck gipfelt, der am Donnerstagmittag vom Dach des Ebersberger Rathauses glänzt. Einsam schmilzt er dort vor sich hin, ehe er, vergänglich wie er ist, in der Regenrinne von dannen fließt. In diesem Schneefleck zeigt der Winter an diesem unsinnigsten aller Donnerstage seine fieseste Fratze. Als würde er einem die Zunge rausstrecken. Ein weißer Fleck, der kurz an die theoretische Existenz von Schneefall erinnert. Nur, um sich im nächsten Moment verwässert und grußlos zu verabschieden. Ein wahrer Schandfleck.

Der Schnee verschwindet, er apert also vor sich hin. Diese ausufernde Ausaperung hat Ebersberg zu Apersberg gemacht. Für jeden Wintersportler ist das die Höchststrafe. Faschingszuggänger und andere verkleidete Stadtbürger kann hingegen nichts besseres passieren. Offenbar hatten die Ebersberger Narren beim Herbeiflehen von Trockenheit und Wärme mehr Erfolg. Nur weil es sie dann im Kostüm nicht friert. Welch egoistische Einstellung. Völlig vernarrt. Ein letzter Blick zum weißen Fleck auf dem Rathausdach schärft die Sinne. Ganz eindeutig: Statt eines Faschingszugs wäre Ebersberg eine Armada an Schneekanonen zu wünschen, die den Narren ihre Kappen über die Dächer der Stadt katapultieren. Wenn es schon nicht schneit, möge die Stadt wenigstens im Kunstschnee versinken.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2020
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