Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Lauter Helden

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Beim Kinderkonzert der "Münchner Philharmoniker" im Bürgerhaus Neukeferloh führen alle zusammen - Musiker, Erzähler und Publikum - "Peter und der Wolf" auf

Von Anja Blum, Vaterstetten

Ein Stück zu komponieren, das Kindern die Instrumente des Orchesters erzählerisch nahe bringt - so lautete der Auftrag an Sergej Prokofjew im Jahr 1936, zur Eröffnung des "Zentralen Kindertheaters" in Moskau. Und der Komponist erfüllte ihn mit Bravour: Bis heute ist sein sinfonisches Märchen "Peter und der Wolf" meist erste Wahl, will man kleine Zuhörer in die Welt der Klassik einführen.

Wie gut das mit Prokofjew gelingen kann, zeigte nun ein Kinderkonzert der Münchner Philharmoniker im Bürgerhaus Neukeferloh, eine Veranstaltung in der Reihe der Vaterstettener Rathauskonzerte. Deren Intendant Kurt Schneeweis konnte sich am Freitagnachmittag über einen voll besetzten Saal freuen - alles andere wäre auch jammerschade gewesen.

Herz und Kopf der Kinderkonzerte des Münchner Orchesters ist seit langem Heinrich Klug, der vergangenes Jahr für sein Lebenswerk mit dem Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet wurde. Er versteht es bestens, diesen Veranstaltungen die richtige Dramaturgie zu verleihen. Im Fall von "Peter und der Wolf" heißt das: Vor der Pause stellt der Dirigent die Instrumente vor und übt mit dem Publikum seinen Part, im zweiten Teil führen dann alle zusammen - Musiker, Erzähler und Gäste - das Stück auf.

Singend stellt sich der Dirigent vor

Bei Klug werden die Kinder also zu jedem Zeitpunkt ins Geschehen miteinbezogen, so dass dieses Konzert über das reine Aufnehmen von Musik weit hinausgeht. Dabei gelingt es dem Dirigenten auch wunderbar, den Spagat zwischen der Strenge der Klassik - "Das nächste Mal kannst Du das sicher auswendig", sagt er zu einer seiner jungen Musikerinnen - und der lebendigen Anarchie einer Kinderveranstaltung in sich zu vereinen. "Lauter!" schreit Klug, als die Kinder einmal nur recht verhalten singen - mit entsprechendem Ergebnis.

Schon zur Begrüßung gibt es keine förmliche Ansprache, Klug kommt vielmehr singend auf die Bühne und animiert das Publikum auch gleich, es ihm nachzutun. So wünscht man sich gegenseitig kurz einen "schönen Nachmittag mit der Musik", um sich dann - in medias res - den Instrumenten zuzuwenden. Wie tief klingt der Kontrabass, wie hoch die Geige? Wie lange kann die Oboistin einen Ton halten? Wie viele Töne hat die Klarinette zu bieten?

In Klugs kleinem Orchester sitzen elf Musiker, allesamt ausgezeichnete Instrumentalisten: zwei sind Philharmoniker, der Rest vielversprechende Talente aus dem Odeon-Jugendsynphonieorchester München. Gespielt wird eine Fassung von "Peter und der Wolf", bei der kein Ton des Originals fehlt, die Instrumentation aber der reduzierten Besetzung angepasst ist.

In der Pause dürfen die Kinder die Instrumente selbst ausprobieren

Die Kinder dürfen raten, dirigieren, ein Versuch, der in einen lustigen Ententanz mündet, trampeln, Jäger spielen und, vor allem, singen. Zu jeder Figur der Geschichte, denen ja jeweils ein eigenes Instrument zugeordnet ist, hat Klug ein paar Zeilen für das Publikum im Gepäck: "Peter so heißt der Held, er fürchtet nichts auf dieser Welt, so mutig wie er wär'n wir alle gern", lautet die Strophe zur berühmten Melodie der Hauptfigur, die von den Streichern intoniert wird.

Und beim Antagonisten heißt es zum getragen-dramatischen Hornmotiv: "So unersättlich hungrig ist der böse Wolf!" Im ersten Teil wird fleißig geübt, damit das alles dann auch bei der Aufführung gut klappt, stehen auf der Bühne große Plakate mit Bildern und Text. Und es funktioniert: Am Ende schmetterte das ganze Auditorium die Zeilen aus voller Brust - für Klug wahrscheinlich sogar eine größere Bestätigung als der tosende Schlussapplaus.

"Ihr sollt ja Lust bekommen, auch ein Instrument zu spielen", sagt der Dirigent zu den Kindern vor der Pause, in der sich sodann die jungen Mitglieder seines Ensembles ins Getümmel werfen. Geduldig beantworten sie sämtliche Fragen und lassen jeden, der mag, ihre Instrumente ausprobieren. Hier und da werden dabei sogar unerwartet schöne Töne entlockt und Talente entdeckt.

Der Erzähler ist lustig - vielleicht sogar etwas zu lustig

Erzählt wird die Geschichte von Peter, seinen tierischen Freunden und dem bösen Wolf im zweiten Teil des Konzerts von Stefan Wilkening. Doch der Schauspieler spricht nicht nur, sondern verausgabt sich geradezu in szenischer Darstellung. Das ist vermutlich gut gemeint, schadet aber der Gesamtwirkung eher, da Wilkenings Komik der Dramatik der Geschichte zuwiderläuft und zudem vom musikalischen Geschehen ablenkt. Wenn der Erzähler als grenzdebiler Peter über die Wiese tänzelt, mit dem Entenhintern wackelt und selbst aus dem würdevollen Großvater eine Witzfigur macht, lässt das zwar so manche Kinder lauthals lachen, doch der Sache dienlich ist es nicht. Musik und Handlung würden hier völlig genügen, um das Publikum in Bann zu ziehen. Prokofjew sei Dank.

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Quelle:
SZ vom 20.03.2017
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