Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Marthe Balzer übernimmt Vorsitz bei "Bunt statt Braun"

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Angela Warg-Portenlänger übergibt beim Ebersberger Verein gegen Extremismus an eine Frau, die im Landkreis keine Unbekannte ist.

Von Thorsten Rienth, Ebersberg

Es hatte mit dem Grundkonsens begonnen, dass sich die extreme Rechte nur dann aufhalten lässt, wenn sich möglichst viele Menschen dagegen engagieren. Dann, wenn öffentliche Aufklärung stattfindet und es gelingt, Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit gesellschaftlich zurückzudrängen. Dafür organisiert "Bunt statt braun" seit fast 15 Jahren mit ausschließlich Ehrenamtlichen Vorträge, Konzerte, Theaterstücke und Demonstrationen. Nun hat, von Angela Warg-Portenlänger zu Marthe Balzer, die Bündnisspitze gewechselt - zum ersten Mal seit dem Bestehen.

Natürlich sei alles ganz friedlich verlaufen, versichert Angela Warg-Portenlänger. Bei für Außenstehende überraschenden Spitzenpersonalwechseln sei das sicherheitshalber dazugesagt. "Ich bin Oma geworden, ich bin 58 Jahre alt, ich habe es lang genug gemacht", erklärt die frühere Ebersberger Stadträtin. "Es wird einfach Zeit, dass die nächste Generation weitermacht." Die nächste Generation an der Spitze, das ist von nun an die 16 Jahre jüngere Marthe Balzer.

Rückblende ins Jahr 2007: "Die Substanz unserer Gesellschaft, also Parteien, Kirchen, Gruppen, Vereine und die Kultur, darf nicht als schweigende Mehrheit daneben steht, wenn Nazis generalstabsmäßig Fuß zu fassen versuchen", hatte der Initiator, der mittlerweile verstorbene Ebersberger SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer, Sinn und Zweck der Bündnis-Gründung umrissen.

Man müsse doch nur einen Blick in den Verfassungsschutzbericht werfen. "Dort steht, dass die NPD ganz gezielt und mit viel logistischem Aufwand flächendeckend die Gründung von Jugendgruppen betreibt." Dem sei ein breites gesellschaftlich-demokratisches Bündnis entgegenzustellen. Damit, wie Warg-Portenlänger den Gedanken zum Abschied weiterspann, "wir dann, wenn's knallt, nicht erst damit anfangen, Strukturen aufzubauen". Eine Struktur die praktisch die komplette Zivilgesellschaft von den Kirchen über Umweltgruppen, Gewerkschaften, Vereine, Unternehmer bis hin zu den politischen Parteien. Über 600 E-Mailadressen ist die Verteilerliste des Bündnisses Warg-Portenlänger zufolge mittlerweile lang.

Und geknallt hatte es ja ohnehin längst. Nicht lange vor der Bündnis-Gründung überfallen Neonazis das Ebersberger Jugendzentrum, verwüsten es. Kurz danach schneiden Unbekannte Hakenkreuze aus Poinger Werbetafeln. In ein Aßlinger Maisfeld wird ein 20-mal- 20-Meter-Hakenkreuz getrampelt. Am Grafinger Stadtbahnhof tauchen rechte Schmierereien auf. Im Jahr 2015 überfallen Rechtsextreme den von Afghanen betriebenen Ebersberger Bahnhofsimbiss.

Wenngleich neue Sprecherin, neu ist die Bündnisarbeit für Marthe Balzer nicht. Über die Geflüchteten-Hilfe sei sie vor fünf Jahren zu "Bunt statt braun" gestoßen, erzählt sie. Weil es einerseits Leute brauche, die sich fürs friedliche Miteinander einsetzten, Gesicht zeigten, Farbe bekennen würden. Die Sichtbarkeit herstellten, wenn Extremisten den demokratischen Grundkonsens bedrohten. "Andererseits, weil es gerade für die Betroffenen von Rechtsradikalismus so wichtig ist, dass sie öffentliche Solidarität erfahren."

Allerdings, und das sei ihr ganz besonders wichtig: "Ein Bündnis ist nichts für Einzelkämpfer." Stecke ja schon im Namen - und gelte auch für die Sprecherspitze. Aktuell sitzen dort noch Josef Peis als Vertreter für die Katholische Kirche im Dekanat Ebersberg und Thomas Schmidt-Behounek als Vertreter der Evangelischen Kirche im Landkreis. "Da steckt ein ganzes Orga-Team dahinter", betont Marthe Balzer.

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SZ vom 25.08.2021
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