Süddeutsche Zeitung

Brenner-Nordzulauf:"Die Vorwürfe haben keine Grundlage"

Lesezeit: 3 min

Am kommenden Montag wollen die Kritiker der Brenner-Trasse durch den Landkreis Ebersberg ein neues Gutachten vorstellen, das der Deutschen Bahn gravierende Planungsfehler nachweisen soll. Die beiden Projektleiter sprechen dagegen von einer "Inszenierung".

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Über die aus ihrer Sicht "massiven Planungsfehler" und das "höchst unseriöse Vorgehen" der Deutschen Bahn will die Ebersberger Bürgerinitiative Brenner-Nordzulauf am kommenden Montag im Rahmen einer Pressekonferenz informieren. Bei dieser wird Ingenieur Andreas Brandmaier aus Niclasreuth ein neues Gutachten vorlegen, das die gravierenden Mängel aufdecken soll, die sich seinen Berechnungen zufolge im Trassenauswahlverfahren des Schienenkonzerns eingeschlichen haben. Bei den Bahn-Verantwortlichen dagegen sorgt dieses Vorgehen für Kopfschütteln, sie halten weiter an ihrem Streckenverlauf fest.

"Das ist die Auswahltrasse und das wird die Auswahltrasse bleiben", stellt Gesamtprojektleiter Matthias Neumaier am Freitag bei einem Pressegespräch in Ebersberg klar. Gemeint ist jener Streckenverlauf mit dem Namen "Limone", der von Ostermünchen im Landkreis Rosenheim kommend an den kleinen Orten Niclasreuth und Dorfen in der Gemeinde Aßling vorbeiführen soll, ehe die Gleise bei Lorenzenberg in einem Tunnel verschwinden. Dieser könnte entweder bei Hamberg enden, von wo aus die Trasse über Schammach und Taglaching bei Kirchseeon wieder mit der Bestandsstrecke zusammengeführt werden würde. Oder aber das unterirdische Bauwerk wird noch etwas weiter verlängert, um den Eingriff in die Natur zu reduzieren. Diese beiden Varianten würden derzeit untersucht, so Neumaier, bis zum Jahresende soll ein Ergebnis vorliegen.

Nicht mehr untersucht wird dagegen der Verlauf entlang der bereits bestehenden Zugstrecke, den man sich bei der Bürgerinitiative wünschen würde. Die Trasse mit dem Namen "Türkis" hat bei der Vorauswahl lediglich den dritten Platz belegt, also weit hinter "Limone". Zu unrecht, wie die Mitglieder der Bürgerinitiative seither behaupten - und das am Montag mit ihrem neuen Gutachten auch belegen wollen. Erste Details daraus sind bereits bekannt geworden, etwa, dass an manchen Stellen notwendige Schallschutzwände fehlen würden oder dass denkmalgeschützte Gebäude im Trassenauswahlverfahren unterschiedlich berücksichtigt worden seien.

"Die Vorwürfe haben für uns keine Grundlage", sagt dagegen Projektleiter Neumaier, der die Bürgerinitiative und Ingenieur Andreas Brandmaier scharf kritisiert. "Für mich hat das ein Stück weit den Charakter einer Inszenierung, was da am Montag passiert." Zu der Pressekonferenz war die Bahn zwar ebenfalls eingeladen worden, daran teilnehmen werde man jedoch nicht, kündigt Neumaier an. Den Bahnverantwortlichen seien im Vorfeld keinerlei Unterlagen von Seiten der Bürgerinitiative zur Verfügung gestellt worden, weshalb man nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich auf die Veranstaltung vorzubereiten. "Wir müssen schon die Chance haben, uns eine gewisse Zeit damit zu beschäftigen", so der Projektleiter. Dennoch werde man auch das neuerliche Gutachten ernst nehmen, ergänzt Neumeiers Kollege, Projektabschnittsleiter Dieter Müller. "Wir schauen uns auch das neue Kritikpapier - wenn wir es bekommen - sehr gerne an."

Die Bürgerinitiative wolle lediglich "Unsicherheit in der Öffentlichkeit" verbreiten

Überraschende Erkenntnisse erwarten die beiden Planer allerdings keine. Der durchgeführte Stresstest habe ergeben, dass beim Auswahlverfahren keine Fehler gemacht wurden, so Neumaier, der auch den Vorwurf der Trassenkritiker entkräftet, die Bahn selbst habe ein Gutachten über ihre eigene Arbeit erstellt. Der Stresstest sei zusammen mit externen Sachverständigen durchgeführt worden, die Bahn selbst habe auf das Ergebnis keinerlei Einfluss gehabt. "Was hätten wir auch davon?", fragt Matthias Neumaier, "wir haben schließlich keine Wunschtrasse." Der Zuschlag für "Limone" basiere allein auf objektiven Fakten.

Solche würde sich der Gesamtprojektleiter auch von der Bürgerinitiative wünschen. Stattdessen werde das Thema Brenner-Nordzulauf zunehmend emotional aufgeladen. Eine Einschätzung, die auch Dieter Müller teilt: "Ich habe das Gefühl, dass unsere Argumente nicht gehört werden wollen. Stattdessen soll Unsicherheit in der Öffentlichkeit verbreitet werden." Von diesem Gegenwind wollen sich die beiden Planer allerdings nicht beirren lassen. Sie sind überzeugt davon, dass "Limone", anders als der von der Bürgerinitiative favorisierte Trassenverlauf, genehmigungsfähig ist. Und genau darauf komme es am Ende an.

Ironischerweise unterstützt die Bürgerinitiative die Bahn auf diesem Weg sogar. Deren Kritik sehe er als Mehrwert und Chance, sagt Matthias Neumaier. "Dadurch wird jeder Winkel des Projekts ausgeleuchtet." Die Gesamtplanung werde dadurch nur noch sicherer. Auch deshalb sind die beiden Projektleiter trotz des Vorpreschens der Bürgerinitiative darum bemüht, die Wogen zu glätten. Oder wie Neumaier sagt: "Wir sind weiterhin sehr interessiert, den Dialog zu führen - wenn jemand auf uns zukommt."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5855452
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.