Süddeutsche Zeitung

Einwohnerprognose:Wohin werden wir wachsen?

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Das Ebersberger Landratsamt legt aktuelle Zahlen zur Einwohner- und Schülerprognose vor. Daraus lassen sich Rückschlüsse ziehen, wie sich der Landkreis in den kommenden Jahren entwickeln wird - und warum am Bau des Poinger Gymnasiums kein Weg vorbeiführt.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Wäre der Landkreis Ebersberg ein Mensch, er würde derzeit wohl mitten in der Pubertät stecken. Die beiden Merkmale nämlich, die die Gesellschaft in der Region momentan am meisten prägen, sind "jung" und "stark wachsend". Das zumindest geht aus der aktuellen Einwohnerprognose hervor, die das Landratsamt nun vorgelegt hat. Darauf aufbauend hat die Kreisbehörde auch aktuelle Daten zur künftigen Entwicklung der Schülerzahlen erstellt - und diese sprechen eine klare Sprache: Ohne ein fünftes Landkreis-Gymnasium in Poing werden die weiterführenden Bildungseinrichtungen schon bald aus allen Nähten platzen.

Aber zunächst zur allgemeinen Bevölkerungsentwicklung in Ebersberg: Derzeit leben im Landkreis 146 830 Menschen. "Geht das Wachstum so weiter, könnten wir Ende nächsten Jahres die 150 000-Einwohner-Grenze überschreiten", sagte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) in der jüngsten Sitzung des Kreis-Sozialausschusses, als Petra Aschenbrenner und Hubert Schulze vom Landratsamt die neuen Zahlen vorstellten. Diese basieren vor allem auf den Daten, die die einzelnen Gemeinden an die Behörde gemeldet haben. Neben der reinen Einwohnerzahl haben aber auch andere Einflussfaktoren Auswirkungen auf die Prognose, wie Aschenbrenner erklärte. Etwa die geplanten baulichen Entwicklungen in den jeweiligen Orten oder der Zu- und Wegzug aus anderen Gemeinden. Auch die ankommenden Geflüchteten fließen in die Prognose mit ein.

Poing ist die jüngste Gemeinde im Landkreis, Zorneding die älteste

Diese ist selbstverständlich keine verbindliche Aussage für die Zukunft, wie Aschenbrenner sagte. "Wir versuchen, so plausible Annahmen wie möglich zu treffen. Aber natürlich weiß man nie, ob es auch wirklich so kommt." Konkret gehen die Datenexperten von einem Wachstum im Landkreis Ebersberg um 18 400 Personen bis zum Jahr 2036 aus. Damit würden in der Region dann 161 265 Menschen wohnen, was einem Wachstum von 8,8 Prozent entspricht. Im Schnitt würden damit jährlich 1310 Personen neu in den Landkreis ziehen. Das sei jedoch ein rein statistischer Wert, so Aschenbrenner, die Zahl unterliege natürlich gewissen Schwankungen. Welchen Einfluss der Zuzug auf die Gesamtgesellschaft hat, lässt sich auch gut an dieser Zahl ablesen: Geht man davon aus, dass bis 2036 niemand zusätzlich in die Region zieht, würde die Einwohnerzahl um 7500 Personen schrumpfen, was einem Minus von rund fünf Prozent entspräche.

Bei der Altersstruktur deutet sich an, dass der Landkreis vor allem bei jungen Familien recht beliebt ist. Das haben Aschenbrenner und ihre Kollegen über das sogenannte Billeter-Maß ermittelt, bei dem der Anteil der jüngeren ins Verhältnis zur älteren Bevölkerung gesetzt wird. Daraus ergibt sich, dass der Landkreis Ebersberg bereits jetzt einer der jüngsten in ganz Bayern ist. Spitzenreiter in der Region ist die Gemeinde Poing, die auch bayernweit die viertjüngste Kommune ist. Danach kommen im Landkreis die Gemeinden Baiern, Pliening und Frauenneuharting. Der älteste Ort im Landkreis ist dagegen Zorneding, gefolgt von Egmating, der Stadt Ebersberg und Oberpframmern. Diese Erkenntnisse seien nicht nur statistische Spielerei, sondern würden den Gemeinden auch bei ihrer weiteren Entwicklung helfen, wie Aschenbrenner erklärte. "Die Ergebnisse bilden die Grundlage für die Kita-Planung, die Altenhilfe-Planung oder die Schülerprognose."

Auch für letztere haben die Datenexperten am Landratsamt nun neue Zahlen vorgelegt - zumindest für die den Landkreis betreffenden weiterführenden Schulen. "Wir gehen beim Rechnen so vor, wie es im echten Leben auch stattfindet", sagte Petra Aschenbrenner. Das bedeutet, dass die Datenbasis die Zahl der Grundschüler in den einzelnen Gemeinden ist, von der anhand der bekannten Übertrittsquoten auf den weiteren Bildungsweg der Kinder und Jugendlichen geschlossen wird. Unterm Strich werden die Schülerzahlen in den weiterführenden Bildungseinrichtungen in den kommenden Jahren ansteigen, beim Gymnasium stärker als in den Realschulen.

Bis zum Jahr 2035 würde vor allem die Belegung der Realschule in Ebersberg stark anwachsen, von derzeit 916 Schüler auf 1103. Auch die Realschule in Poing würde sich etwas vergrößern, von 719 auf 790 Schüler. Einen leichten Rückgang prognostizieren die Experten am Landratsamt dagegen für die Realschule Vaterstetten. Deren Schülerzahl wird von aktuell 1034 auf 1028 schrumpfen.

Die Zahl der Gymnasiasten wird in den kommenden Jahren deutlich ansteigen

Einen solchen Schwund wird es in den Gymnasien des Landkreises wohl nicht geben - im Gegenteil: Durch die Wiedereinführung der 13. Jahrgangsstufe im Schuljahr 2025/26 weisen alle Schulen einen sprunghaften Anstieg auf. Allen voran das Gymnasium Vaterstetten, das bis zum Jahr 2035 von derzeit 1614 Schüler auf 1913 anwachsen wird. Deutlich nach oben geht es auch für das Gymnasium Markt Schwaben, von 1341 auf 1680. Die Entwicklungen in Grafing und Kirchseeon sehen ähnlich aus.

Aus den Zahlen lässt sich daher auch ableiten, wie wichtig der Bau eines fünften Gymnasiums in Poing ist. Um diesen gab es zuletzt reichlich Diskussionen, weil gerade den Bewohnern im nördlichen Landkreis die Planung der Schule nicht schnell genug geht. Landrat Robert Niedergesäß unterstrich jüngst zwar den politischen Willen, das Gymnasium noch in diesem Jahrzehnt zu realisieren, allerdings gleichzeitig mit der geplanten Berufsschule in Grafing-Bahnhof.

Wie sehr das Poinger Gymnasium den Landkreisnorden entlasten würde, lässt sich auch den Zahlen zur Schülerprognose entnehmen. "Es würden sich dadurch zwar nicht die Schülerzahlen verändern, aber die Schülerströme", so Petra Aschenbrenner, die damit rechnet, dass im Jahr 2035 bereits 1046 Schüler die Poinger Schule besuchen könnten. Die Auswirkungen wären vor allem am Gymnasium Markt Schwaben spürbar, wo dann insgesamt 555 Schüler weniger die Schulbank drücken würden als in der Prognose ohne Poinger Gymnasium. In Vaterstetten wären es 130 Schüler weniger und auch die Zahl der Auspendler nach München würde sich um 340 Schüler reduzieren.

Wie wichtig ein fünftes Gymnasium in Poing wäre, unterstrich derweil auch der Markt Schwabener Rektor Peter Popp, dessen Schule bisher den Landkreisnorden fast im Alleingang versorgt. Derzeit sei die Lage noch nicht dramatisch, sagte er in der Sitzung über den zusätzlichen Zustrom aus der Nachbargemeinde: "Es ist nicht so, dass die Schüler bei uns auf Klappstühlen sitzen müssen." Noch habe das Markt Schwabener Gymnasium genügend Kapazitäten, um eine gute Unterrichtsversorgung anbieten zu können. Dennoch, so Popp, werde man auch hier die steigenden Schülerzahlen zu spüren bekommen. Für den Schulleiter steht deshalb außer Frage: "Ja, wir brauchen das Poinger Gymnasium."

Dieser Meinung wollte auch niemand der Ausschussmitglieder widersprechen, im Gegenteil: "Alle Schulen haben eine dauerhafte Existenzberechtigung", sagte etwa Reinhard Oellerer (Grüne) mit Blick auf die Schülerprognose. Er sehe eher das Problem, dass gerade das Vaterstettener Gymnasium mit seinen knapp 2000 Schülern schlicht zu groß werden könnte und plädierte dafür, eine bessere Anbindung nach Poing zu schaffen, wenn das dortige Gymnasium dann endlich gebaut sei. Auch Christa Stewens (CSU) warnte vor künftigen "Mammutschulen". Man müsse schon schauen, dass die Einrichtungen nicht überdimensional groß würden, "denn das wäre für die Förderung der Kinder sehr schlecht".

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