Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Ebersberg:"Mensch, das sind doch keine Katzenvideos!"

Lesezeit: 2 min

Ein 56-Jähriger steht in Ebersberg vor Gericht, weil er in einem Chat kinderpornographische Bilder verschickt hat. Er ist zwar geständig, sein Motiv bleibt aber unklar.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Kinderpornographie sei ein krasses gesellschaftliches Übel unserer Zeit, sagte Richter Frank Gellhaus am Ende der Verhandlung. Gegen diese Feststellung des Vorsitzenden hatte im Sitzungssaal niemand etwas einzuwenden, auch der Mann nicht, der vor rund zwei Jahren mehrere Bilder und Videos mit entsprechendem Inhalt im Internet herumgeschickt hatte. Dafür musste sich der 56-Jährige aus dem südlichen Landkreis Ebersberg nun vor dem Schöffengericht verantworten. Dort zeigte sich der Mann zwar von Anfang an geständig und reumütig, sein Motiv blieb jedoch unklar.

Fest stand hingegen, dass der Angeklagte über mehrere Monate hinweg immer wieder kinder- und jugendpornographische Dateien an andere Menschen via Whatsapp verschickt hatte. Der Staatsanwaltschaft zufolge handelte es sich um insgesamt acht Bilder und zwei Videos. Bei einer Hausdurchsuchung im Juli 2021 fanden die Beamten weiteres Material auf dem Handy des Mannes.

Die fremden Chatpartner hat der Mann über eine Seite im Videotext gefunden

Diesem blieb nicht viel anderes übrig, als die Vorwürfe vor Gericht einzuräumen. "Ich schäme mich unheimlich dafür, das ist mir wirklich peinlich", sagte der Angeklagte. Er sei damals in einer schwierigen Situation gewesen und habe als Handwerker unter der Corona-bedingten Kurzarbeit gelitten. "Das soll natürlich keine Entschuldigung sein. Es war eine Riesendummheit", so der 56-Jährige, der vor Gericht aber bestritt, eine Neigung für kinder- oder jugendpornografische Inhalte zu haben. Auch habe er seine jeweiligen Chatpartner nicht persönlich gekannt, der Kontakt sei über eine entsprechende Seite im Videotext zustande gekommen.

Diese Ausführungen warfen bei Staatswalt und Richter jedoch einige Fragen auf. Wenn er doch Kinderpornographie angeblich so widerlich finde, warum habe er dann entsprechende Dateien auf seinem Handy gespeichert, wollte Gellhaus wissen. Das aber konnte der Angeklagte eben so wenig beantworten, wie die Frage des Staatsanwalts nach dem grundsätzlichen Motiv. "Ich will verstehen, warum jemand solche Bilder weiterleitet, wenn er doch gar keinen Bezug dazu hat", sagte der Anklagevertreter. Doch auch hier drückte sich der 56-Jährige um eine klare Antwort - was Richter Gellhaus letztlich doch kritisierte: "Mensch, das sind doch keine Katzenvideos, die Sie da verschickt haben!" Eine plausible Erklärung blieb der Angeklagte dennoch weiterhin schuldig.

Das griff schließlich auch der Staatsanwalt in seinem Plädoyer auf. Er könne verstehen, wenn es dem Angeklagten unangenehm sei, sich in der Öffentlichkeit darüber zu äußern, aber immerhin habe er die Sache zugegeben. "Das Geständnis war von einer solchen Reue getragen, wie man es nur selten in einem Gerichtsaal sieht", so der Jurist. Dennoch habe der Mann mit seinen Taten eine Szene unterstützt, die einfach nicht zu unterstützen sei. Der Staatsanwalt forderte eine zweijährige Bewährungsstrafe für den Angeklagten. Dessen Verteidiger hielt jedoch dagegen, dass sich die Taten eher am unteren Rand des gesetzlichen Rahmens bewegen würden, zudem habe sein Mandant ein geordnetes Leben und sei Ersttäter.

Richter Frank Gellhaus und seine beiden Schöffen verurteilten den 56-Jährigen letztlich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Zudem muss der Mann 50 Stunden soziale Arbeit leisten und die Kosten des Verfahrens übernehmen - die in diesem Fall durchaus happig ausfallen, denn alleine das Gutachten zur Auswertung des Handys kostete 4700 Euro. Harte Strafen seien beim Thema Kinder- und Jugendpornographie aber zwingend notwendig, wie der Richter sagte, nur so bekomme man diesen Sumpf trockengelegt. "Es sind Menschenleben, die dort mit jedem einzelnen Bild zerstört werden."

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