Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Ebersberg:Verpulvertes Vertrauen

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Ein junger Mann aus dem mittleren Landkreis Ebersberg wird mit Kokain in der Tasche erwischt und landet vor Gericht - nicht zum ersten Mal.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Richter Dieter Kaltbeitzer kann sich noch gut an den jungen Mann erinnern. Nicht lange ist es her, da saß der 20-Jährige aus dem mittleren Landkreis an genau der gleichen Stelle im Sitzungssaal I des Ebersberger Amtsgerichts - nämlich auf der Anklagebank. Schon damals wurde der junge Mann mit Drogen erwischt, und schon damals gelobte er Besserung. So richtig geklappt hat das jedoch nicht, denn nun wurde er erneut mit Betäubungsmitteln im Gepäck von der Polizei aufgegriffen. Einen Unterschied gibt es allerdings: Hatte er damals "nur" Marihuana bei sich, fanden die Beamten jetzt eine kleinere Menge an Kokain.

"Ich weiß, dass das jetzt so aussieht, als wäre ich von Cannabis auf härtere Drogen umgestiegen", sagte der 20-jährige Auszubildende vor Gericht. Dieser Eindruck drängte sich angesichts der Anklageschrift tatsächlich auf, denn dort war von 0,39 Gramm Kokaingemisch die Rede, das der junge Mann an jenem Abend Anfang Februar bei sich hatte. Der Beschuldigte gab auch recht offen zu, dass er durchaus vor hatte, das Pulver zu konsumieren, wäre es ihm nicht abgenommen worden. Dass er jetzt aber tiefer in die Drogenszene hineingerutscht ist, stritt der 20-Jährige ab. "Man hat nichts davon, Drogen zu nehmen. Normalerweise lasse ich mir nie etwas andrehen", so der Angeklagte.

Jene Woche Anfang Februar sei allerdings keine normale gewesen. Zunächst habe er Streit mit einem Freund gehabt, dann seien auch noch Stress in der Arbeit und Probleme in der Familie dazugekommen. "Ich war die ganze Woche schlecht gelaunt", erklärte der junge Mann. Als ihm dann ein ortsbekannter Dealer in einer Bar das Kokaingemisch angeboten hat, habe er zugeschlagen. "Das war eine schlimme Entscheidung, die ich sehr bereue", sagte der Angeklagte vor Gericht. Nie wieder werde er so etwas tun, beteuerte er.

Ob das tatsächlich stimmt, daran hatte Richter Kaltbeitzer seine nicht ganz unbegründeten Zweifel. "Bei Ihnen ist offenbar die Gefahr, dass es zu einem Rückfall kommt, relativ hoch", so der Vorsitzende, der den Angeklagten erst wenige Monate zuvor wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmittel verurteilt hatte. Damals bekam der 20-Jährige neben einer kleinen Geldauflage auch die gerichtliche Weisung, sich ein Jahr lang von Drogen fernzuhalten. "Allein wegen diesem Verstoß könnte ich jetzt bereits einen Arrest verhängen", sagte der Richter.

Als Erwachsenem hätte dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe gedroht

Kaltbeitzer ließ jedoch ein letztes Mal Gnade walten, was auch mit der durchaus guten Sozialprognose des Angeklagten zu hatte. Dieser sei ein "sehr zuverlässiger und zielstrebiger junger Mann", so die Einschätzung der Jugendgerichtshilfe. Diese Meinung teilte zwar grundsätzlich auch der Staatsanwalt, ein paar eindringliche Worte in Richtung des Angeklagten musste er aber dennoch richten: "Das ist jetzt schon der dritte Vorfall im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln", so der Jurist, der sich auch auf eine früheres Verfahren bezog. "Bei einem Erwachsenen wäre jetzt schön langsam die Zeit für eine Freiheitsstrafe gekommen."

Wegen der anzunehmenden Reife- und Entwicklungsverzögerungen beim Angeklagten waren sich alle Verfahrensbeteiligten jedoch einig, dass man hier noch ein letztes Mal Jugendstrafrecht anwenden könne. Richter Kaltbeitzer verurteilte den 20-Jährigen deshalb zu einer Geldstrafe von 400 Euro, außerdem muss der junge Mann an mehreren Therapiegesprächen der Brücke Landkreis Ebersberg teilnehmen, um an seinem Umgang mit Stress zu arbeiten - damit dieser Ausflug in die Drogenszene tatsächlich sein letzter war.

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