Süddeutsche Zeitung

Bunter Advent:Fröhlicher Mix aus Traditionen

Lesezeit: 2 min

Bei Vera Scherpf kann es nie genug Gäste und Geschenke geben.

Von Michaela Pelz, Poing

Der eine montiert die Deko schon, sobald irgendwo das erste Mal "Last Christmas" erklingt, die andere macht auf den letzten Drücker am 23. noch schnell ein paar Platzerl ... Wir haben für unsere Serie "Bunter Advent" Menschen aus dem Landkreis Ebersberg gefragt, wie sie die Tage ab dem ersten Dezember begehen und was auf keinen Fall fehlen darf.

Für Vera Lúcia de Fátima Machado Scherpf ist eigentlich das ganze Jahr über Weihnachten - zumindest, wenn man es an gutem Essen, Gemeinschaft, Gesang und Gaben festmacht. Denn die Friseurmeisterin und Künstlerin mit brasilianischen Wurzeln ist in Deutschland und besonders ihrer Wahlheimat Poing so glücklich, dass sie jeden Tag als Geschenk empfindet, das sieht und hört man genau. In der Region von Foz do Iguaçu ist die quirlige, allzeit fröhliche Frau mit neun Brüdern aufgewachsen, viel Geld war nicht da, aber besonders gutes Essen als Unterschied zu den täglichen Bohnen mit Reis gab es an Weihnachten trotzdem: Spanferkel, Hähnchen, mit Ananas und Nüssen gefüllte Ente und süßen Pudding. Alles Speisen, die Scherpfs deutscher Mann und die beiden mittlerweile erwachsenen Kinder lieben - allerdings nicht dringend am Heilig Abend. Deswegen gibt es dann eher Raclette oder Fondue.

Auch auf die südamerikanische Tradition, nach dem Kirchgang mit der Bescherung bis Mitternacht zu warten, wird verzichtet - sie mochte das schon als Kind nicht. Musikalisch gehört "Stille Nacht" weder hier noch da zum Pflichtprogramm. "Meine deutsche Familie hat es nicht so mit Weihnachtsliedern und wenn sich Brasilianer treffen, wird bei Trommel- und Gitarrenklang Samba gesungen - egal, ob Weihnachten ist oder Fasching." Und wie steht es mit der Anzahl der Päckchen? Da kann es heute gar nicht Geschenke genug geben, während in Scherpfs Herkunftsland viele Menschen zu arm oder die Familienmitglieder zu zahlreich sind, um sich im großen Stil gegenseitig zu bedenken. Darum wird, wie beim hiesigen Wichteln, der Name eines "Amigo Secreto" gezogen, dem man dann etwas kauft. So besorgt und bekommt jeder ein Geschenk.

Die Sache mit dem Baum wiederum ist der einzige Aspekt, bei dem die Malerin die Gepflogenheiten in ihrer bayerischen Familie bedauert. Denn laut Abmachung mit ihrem Mann kommt der Christbaum frühestens zwei Tage vor Heilig Abend ins Haus, während sie ihn am liebsten schon am ersten Dezember dekorieren würde, wie es in Brasilien der Fall ist. Die Anhänger bemalt sie übrigens nicht selbst: "Ich will das Haus nicht mit meiner Kunst überfrachten. Die hängt unten im Kellergeschoss, wo Werkstatt und Salon sind." Für neue Ideen braucht sie Platz im Kopf - mit einer "vollen" Wohnung ginge das nicht. Das gilt allerdings nur für die Bilder, denn Verwandte und Freunde sind immer willkommen - je mehr, desto besser. Auch und gerade an Weihnachten.

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