Süddeutsche Zeitung

Brenner-Zulauf:"Wir werden diese Entscheidung so nicht hinnehmen"

Lesezeit: 3 min

Beteiligte aus der Region sind nach der Trassenentscheidung fassungslos - wollen aber weiter kämpfen.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

"Fassungslos", "entsetzt", "sprachlos", diese Worte fallen nach der Videokonferenz am Mittwochvormittag immer wieder. Für Bürgermeister, Abgeordnete, Landrat und Verbandsvertreter war es ein sehr unschöner Termin mit den Vertretern der Deutschen Bahn, die die Teilnehmer des Dialogverfahrens vorab über die Trassenauswahl informierte. Gehofft hatte man darauf, dass die Trasse Türkis das Rennen macht. Es wäre eine gewesen, die nahe an den bestehenden Bahngleisen verlaufen wäre und für die es parteiübergreifenden Konsens im Landkreis Ebersberg gegeben hätte. Stattdessen nun eben: Limone. Die ersten Reaktionen dazu:

Thomas Huber, Landtagsabgeordneter (CSU): "Ich habe eine schlaflose Nacht hinter mir, wahrscheinlich habe ich im Unterbewusstsein schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Nach der Entscheidung bin ich enttäuscht und fassungslos; im Rückblick stellt sich das Dialogverfahren als Placebo-Veranstaltung, als reiner Zeitdiebstahl heraus. Natürlich gibt es keine Trasse, die gar keine negative Folgewirkung hätte, aber meiner Überzeugung nach wäre die türkise Trasse mit Abstand am bürger- und landschaftsverträglichsten gewesen. Diese Auswahl ist nun ein Schlag ins Gesicht der Landwirte und der Bürgerinnen und Bürger. Von einer Lösung gemeinsam mit der Region, wie sie die Bahn versprochen hat, kann keine Rede sein, das ist eine fundamentale Entscheidung gegen die Region. Aber wir werden nicht aufgeben. Das ist der Variantenvorschlag der Bahn, entschieden wird letztlich im Bundestag. Und ich hoffe darauf, dass hier parteiübergreifend eine intelligente Lösung gefunden wird. Ich sehe den Bundestag hier in der Verantwortung."

Doris Rauscher, Landtagsabgeordnete (SPD): "Das Ergebnis ist sehr unbefriedigend und es macht mich schon ein wenig fassungslos, wieso nicht die Entscheidung auf die bestandsnahe Lösung mit richtig gutem Lärmschutz gefallen ist. Im Beteiligungsprozess hat sich gezeigt, dass eine sehr hohe Akzeptanz für die türkise Trasse bestand. Der Beteiligungsprozess scheint jetzt mehr ein Pseudo-Prozess gewesen zu sein. Dabei hieß es auch seitens der Deutschen Bahn immer, dass die Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden sollen und eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung das Ziel sei. Nun macht es den Eindruck, dass man ungeachtet regionaler Interessen den ,geplanten Stiefel' durchziehen wollte und die Beteiligung und Akzeptanz nichts mehr zählt. Hinzu kommt, dass die Einschnitte in die Natur gravierend sind, denn es geht quer durch die Landschaft. Die Entscheidung der Deutschen Bahn ist gefallen. Vorteile lassen sich nur schwer erkennen. Nun müssen wir auf politischem Wege versuchen zu retten, was noch zu retten ist!"

Christian Bauer, Grafinger Bürgermeister (CSU): "Die Stadt hat immer die Trasse an der Bestandstrasse favorisiert und gefordert. Die Bestandsstrecke wird keinen verbesserten Lärmschutz erhalten. Oberelkofen und Eisendorf werden eingekesselt. Niclasreuth wird zerschnitten. Der Golfplatz in Oberelkofen wird nicht mehr vorhanden sein. Insgesamt ist das keine gute Lösung. Damit können wir nicht zufrieden sein. Wir fordern weiter den Ausbau an der Bestandsstrecke. Das Dialogverfahren ist ein Witz. Alle Beteiligten sind entsetzt."

Andreas Lenz, Bundestagsabgeordneter (CSU): "Wir sind alle fassungslos über das Vorgehen und die Entscheidung der Bahn. Es ist ein Schlag ins Gesicht aller betroffener Anwohner, aber auch der Beteiligten im Dialogforum. Die Vorschläge aus der Region wurden in keiner Weise aufgenommen, die Stellungnahmen des Kreistags und der Gemeinden ignoriert. Wir werden diese Entscheidung so nicht hinnehmen und auf allen Ebenen weiterkämpfen. Über den Kriterien bei der Entscheidung steht meiner Meinung nach ein großes Fragezeichen, beispielsweise wurden anscheinend nur die Trassen an sich bewertet und überhaupt nicht berücksichtigt, dass es ja schon eine Bestandsstrecke gibt. Auch spielte keine Rolle, ob die nötigen Grundstücke schon der Bahn gehören oder nicht. Meiner Überzeugung nach muss man versuchen, dass Infrastrukturprojekte weitestgehend mit der Bevölkerung und nicht gegen sie realisiert werden. Da gibt es deutliche Defizite bei der Bahn."

Robert Niedergesäß, Ebersberger Landrat (CSU): "Wir sind entsetzt darüber, mit welcher Arroganz und Ignoranz sich die Bahn über die gemeinsamen Vorschläge von Kreistag, Gemeinden, engagierten Bürgern und Landwirtschaft für einen bestandsnahen Ausbau hinwegsetzt. Zuerst wird ein jahrelanger Dialogprozess angestrengt, dann wird über die dabei erarbeiteten Ergebnisse einfach hinweggegangen. Landschaft und Natur werden zerschnitten, Betriebe werden zerstört. Die Festlegung auf die Trasse Limone ist ein Schlag ins Gesicht aller, die sich in unserem Landkreis intensiv mit der Suche nach einem bestmöglichen Streckenverlauf auseinandergesetzt haben - ob in der politischen Gremienarbeit, im Dialogforum oder als Betroffene an den möglichen Trassen. Die Arbeit geht nun weiter so richtig los. Wir werden uns gemeinsam dafür einsetzen, dass die jetzt im Raum stehende Lösung nicht das letzte Wort bleibt. Die Bahn meint, sie sei am Ziel ihrer Planung angekommen, wir sagen: zurück auf Los."

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