Süddeutsche Zeitung

Lockdown-Projekt:Hymne mit persönlichen Noten

Lesezeit: 3 min

Sebastian Ludwig aus Tuntenhausen hat eine Online-Projektband gegründet: "BAMAB - Bavarian Musicians Against Boredom" vereint Musikerinnen und Musiker diverser Genres.

Von Anja Blum

Sehr viele Dinge sind derzeit nicht möglich - das ist freilich bedauernswert, schafft aber auch so manchen Freiraum. Für musikalische Experimente zum Beispiel. Sebastian Ludwig jedenfalls hat den erneuten Lockdown und sein kleines Heimstudio in Tuntenhausen genutzt, um mal etwas ganz Neues auszuprobieren. Normalerweise spielt der 41-Jährige mit seiner Band Vancouver Nights auf zahllosen Hochzeiten, im wahrsten Sinne des Wortes, insofern hat die Corona-Pandemie ihm zumindest das eine seiner zwei Standbeine weggenommen. "Gott sei Dank habe ich noch einen anderen Job", sagt er, und was die Musik angehe: "Sich eingraben macht es nicht besser."

Also ersann Ludwig, Gitarrist und Sänger, das Grundgerüst eines Songs - und griff zum Telefon. Der Plan war, so erzählt er, möglichst viele Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Genres für ein Online-Corona-Projekt zu vereinen. "Aus Langeweile, aber auch, um eine Botschaft in die Welt zu senden." Und weil eben alle Musiker liebend gerne spielen, derzeit jedoch nicht dürfen, seien die Angesprochenen sofort Feuer und Flamme gewesen. 17 Mitglieder hat die Projektband, sie nennt sich BAMAB - Bavarian Musicians Against Boredom und ist ein bunter Mix aus Berufsmusikern, Semi-Profis sowie Laien. Denn, so der Initiator, das Proben- und Konzertverbot treffe ja alle: Bands und Solisten genauso wie Vereine oder Musikschulen.

Dementsprechend lautet der Appell der Truppe in ihrem Video: Unterstützt Kunst und Kultur in diesen schwierigen Zeiten! Macht mit bei den Kapellen und anderen gruppen, bleibt der Musik treu. Gebt Tickets nicht zurück, kauft CDs, unterstützt Bühnen und Musikschulen. Auch wenn es unterschiedliche Perspektiven auf Corona und die Maßnahmen gebe, so Ludwig, "ist es doch jetzt wichtig, dass wir Anstand und Respekt beweisen und zusammenhalten". Irgendwann werde es auch wieder besser - "und Musik macht glücklich!"

"Home" heißt der Song, den die 17 eingespielt haben - alle einzeln, zwei Monate hat das gedauert. Trotzdem sei das Lied ein echtes Gemeinschaftswerk, sagt Ludwig, denn er habe zunächst nur den Text, die Harmonien und eine Melodie geschrieben. "Weder der Stil, noch das Arrangement oder die Besetzung waren klar, das ist alles erst nach und nach in den Sessions entstanden." Dadurch aber hätten sich die Kolleginnen und Kollegen, so weit wie nur irgendwie möglich, alle mit einer persönlichen Note einbringen können. Das Ergebnis ist eine ohrwurmverdächtige Ode ans Heimkommen, die facettenreicher wohl kaum sein könnte. Man hört Folk und Country, swingende Rhythmen, rockige Gitarren, strahlendes Brass. Die Musik wird gefeiert, mit zwei hervorragenden Sängerinnen und einem langen Instrumentalteil samt diverser Soli. "Home" ist energetisch, wild, alles andere als glattgebügelt - und kommt an. Im Herz wie in den Beinen.

Die Beteiligten stammen bunt verstreut aus dem ganzen Voralpenland, von Tuntenhausen über Rosenheim bis nach Niederbayern. Und auch der Landkreis Ebersberg ist vertreten: Marina Lampl, Sängerin der Klassik-Rock-Band Uncle Beat, lebt in Emmering. Neben ihr brillieren Carmen Mayer von Inferno als zweite Stimme sowie deren Bandkollege Maurus Mayer an der Gitarre, Gitarrist Michael Lackner von De Zwoa Mid Da Gidaar, Christian "Lerl" Warter an Bass und Baritonhorn (von der Nighthawk City Band, Hütt'n Beatz und Ne-Bras-Ska), Sepp Watzlawick an den Drums (von Lifve Chords), Raphael Lichius an der Orgel, Johannes Obermeyer, Posaunist und Leiter der Musikschule Miesbach (von Die vier jungen Hinterberger) sowie Susi Weiß am Klavier - Corona macht's möglich. "Viele von denen hätten ja sonst gar keine Zeit gehabt", freut sich der Initiator.

Und noch einen Coup konnte der 41-Jährige landen: einen Bläsersatz vom Spielmanns- und Fanfarenzug Beyharting - mehrfacher bayerischer Meister. "Eigentlich hab ich nur nach zwei Trompeten gefragt", erzählt Ludwig und lacht, denn er bekam: Gabi Schweiger (Ventilfanfare), Anian Gambos und Alexandra Schweiger (beide Trompete), Andrea Cardin und Nicole Schnitzenbaumer (Saxofon), Birgit Neureither sowie Barbara Berger (Querflöte). Die rote Tracht dieser Bläser sorgt ebenso für hübsche Farbtupfer wie ihr Spiel. "Besonders die Querflöten waren eine ganz tolle Überraschung, sie geben dem Song wirklich das gewisse Etwas", sagt Produzent Ludwig. Doch nicht nur musikalisch-kreativ waren die Aufnahmen ein voller Erfolg, sondern auch menschlich: Ein Outtake-Trailer zeigt, dass die sympathischen Musiker im Studio auch jede Menge Spaß hatten - gerade dann, wenn etwas schief lief.

Ausnahmslos positive Reaktionen habe die Aktion bislang erhalten, so Ludwig, 20 000 Aufrufe zählte man bis zum Wochenende auf Facebook. "Selbst mir völlig Unbekannte haben geschrieben, der Tenor ist: Wir sollen unbedingt weitermachen." Und wer weiß, was dabei noch herauskommen wird. Da Corona wohl nicht so schnell vorbei sein werde, solle das Projekt BAMAB noch einige Zeit bestehen, vielleicht halte man am Ende sogar eine ganze CD in Händen, sagt der Initiator. Und sollten daraus tatsächlich Einnahmen generiert werden, würden diese einem guten Zweck zugute kommen. Wie anständig!

https://www.facebook.com/bamabmusic

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Quelle:
SZ vom 19.01.2021
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